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E-Rezept-App soll Apotheken „durchsuchbar“ machen

Gematik veröffentlicht E-Rezept-Spezifikationen – mit einigen Überraschungen

bro/eda | Damit E-Rezepte in Deutschland flächendeckend an­gewendet werden können, hat die Gematik den Auftrag, das dafür ­nötige System in Spezifikationen zu definieren. Eine erste Grundlage dafür liegt nun vor – und könnte für einigen Gesprächs- und Zündstoff sorgen. Denn die Gematik will es den Nutzern der E-Rezept-App ­ermöglichen, vor dem Absenden des Rezepts in die Warenbestände der Apotheken zu schauen. Geplant ist auch, dass die zur E-Rezept-Ein­lösung benötigten Codes über herkömmliche Messenger-Dienste geteilt werden können.

Mit dem Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) soll es zur Pflicht werden, dass ärztliche Verordnungen ab Januar 2022 grundsätzlich elektronisch auszustellen sind. Schon vorher war die Gematik beauftragt worden, bis Ende Juni dieses Jahres sogenannte Spe­zifikationen für das neue E-Rezept-System zu erstellen. Außerdem soll die Gematik, an der das Bundesgesundheitsministerium inzwischen die Mehrheit übernommen hat, damit beauftragt werden, eine E-Rezept-App zu bauen, mit der die Versicherten ihre digitalen Verordnungen an Apotheken weiterleiten können.

Konkret wird in diesen Spezifikationen aufgezeichnet, welche Akteure und technischen Lösungen es in der Fachanwendung E-Rezepte gibt, welche Aufgaben sie haben und was sie können müssen. Es handelt sich also gewissermaßen um die „Spielregeln“ für den E-Rezept-Markt der Zukunft.

Foto: imago images/YAY Images

Dezentrales Primärsystem, zentraler Fachdienst

Die Gematik hat in der vergangenen Woche nun ein Dokument („Systemspezifisches Konzept E-Rezept“) veröffentlicht, das die Grundlage für diese Spezifikationen bildet. Zuvor hatten die betroffenen Akteure, wie Ärzte, Apotheker und Versandhändler, die Möglichkeit, die ersten Ver­sionen dieser Spezifikationen zu kommen­tieren und Verbesserungs­vorschläge einzureichen. In dem rund 100-seitigen Dokument wird detailliert beschrieben, wie E-Rezepte künftig verordnet, beliefert und vom Versicherten bearbeitet werden können.

Auf Ärzte- und Apothekerseite soll es jeweils dezentrale Primärsysteme zur Erstellung beziehungsweise Bearbeitung der digitalen Verordnungen geben, also die Praxissoftware einerseits und die Apo­theken-Waren­wirtschaftssysteme andererseits. Auf der Seite des Versicherten soll es ein „Frontend“ geben, also eine App, mit der der Versicherte seine Rezepte einsehen, zu ­einem sogenannten Token (Code) umbauen, an eine gewünschte Apotheke weiterleiten und auch löschen kann. Das Herz des Systems ist der E-Rezept-Fachdienst, also ein zentraler Server, auf dem die Verordnungen vom Arzt abgelegt werden und von dem aus – mithilfe des Versicherten-Codes – die Apotheker die Verordnung herunter­laden können. Die ABDA-Tochter NGDA hat für die beiden Apotheker-Pilotprojekte in Berlin und Baden-Württemberg bereits einen ganz ähnlichen Fachdienst gebaut.

Zusätzlich zum Fachdienst soll es aber zwei weitere, unabhängig davon agierende Server geben: den sogenannten Identity Provider und den Verzeichnisdienst. Letzterer ist quasi eine Datenbank aller an der Telematikinfrastruktur teilnehmenden Ärzte und Apotheker, die die Versicherten benötigen – beispielsweise bei der Auswahl einer Apotheke zur Rezeptübermittlung. Der Identity Provider ist ein Dienst, der die Identität der teilnehmenden Akteure authentifiziert und für den Zugriff auf die einzelnen Bausteine autorisiert. Ein sehr wichtiger datenschutzrechtlicher Passus dazu befindet sich nun in den Spezifika­tionen: Der Betreiber des Fachdienst-Servers darf nicht gleichzeitig auch der Identity Provider sein, damit diese Informationen nicht in einem Unternehmen zusammenkommen.

Wie läuft die E-Rezept-­Verordnung ab?

In ihren Spezifikationen spielt die Gematik viele Sonderfälle durch, die bei der Rezeptübermittlung auftreten könnten. Allerdings gibt es auch einen Normalfall, den die Gematik so beschreibt: „Der verordnende Leistungserbringer erstellt für einen Versicherten ein E-Rezept, welches auf dem zentralen E-Rezept-Fachdienst abgelegt wird. Der Standardfall sieht vor, dass der Versicherte seine E-Rezepte mit dem E-Rezept-Frontend auf seinem technischen Gerät verwaltet. Mit dem E-Rezept-Frontend kann der Versicherte einen E-Rezept-Token generieren, der eine Apotheke für den Zugriff auf ein konkretes E-Rezept im E-Rezept-Fachdienst berechtigt. Der Versicherte übermittelt den E-Rezept-Token elek­tronisch an eine Apotheke oder legt ihn in Form eines 2D-Codes in einer Apotheke vor. Die elektronische Übertragung des E-Rezept-Tokens an eine Apotheke erfolgt über den E-Rezept-Fachdienst.“

Vom Ablauf ähnelt dies der Struktur, die derzeit in den Pilotprojekten der Apotheker schon praktiziert wird. Es gibt aber noch weitere Stellen, an denen die Gematik teils sehr nahe an den Forderungen beziehungsweise Wünschen der Apothekerschaft liegt. Konkret schreibt die Gematik fest, dass der Versicherte die „Hoheit“ über das E-Rezept hat, „da jeglicher Zugriff auf ein konkretes Rezept im E-Rezept-Fachdienst entweder nur dem Versicherten, dem das E-Rezept verordnet wurde, oder einer Apotheke oder einem Vertreter nach Vorlage eines im E-Rezept-Token enthaltenen AccessCodes gestattet ist“.

Sehr nahe an den Forderungen der Apotheker liegt die Gematik auch, wenn sie beschreibt, dass es „genau ­einen“ Anbieter für die E-Rezept-App der Versicherten sowie den Fachdienst geben darf. Die ABDA hatte immer vor einem ausufernden Wettbewerb um das E-Rezept gewarnt. Dass die DAV-App allerdings zum Königsweg bei den digitalen Verordnungen wird, schließt nicht nur der Gesetzentwurf des PDSG aus, sondern nun auch die Spezifikationen der Gematik: „Es gibt genau einen Anbieter für das E-Rezept-Frontend des Versicherten. Die ­E-Rezept-Frontend des Versicherten wird durch die Gematik bereitgestellt“, heißt es wörtlich.

E-Rezepte „teilen“

Die meisten Diskussionen rund ums Thema E-Rezept hat es in den vergangenen Monaten zur Handy-Anwendung der Versicherten gegeben. Denn klar ist: Je leichter die Versandhändler die Verordnungen aus der Praxis über den Fachdienst in ihre eigenen Apps bekommen, desto größer dürfte die Abwanderung der Rx-Patienten in Richtung Versandhandel sein. Schaut man sich die nun veröffentlichten Spezifikationen an, soll es möglich sein, dass Versicherte ihre E-Rezept-Codes ganz grundsätzlich an „Vertreter“ weiterleiten können – etwa, wenn sie selbst nicht in die Apotheke gehen können. Dazu soll es in der Gematik-App ganz einfach ein „Teilen“-Symbol geben. Klickt der Versicherte auf dieses Symbol, soll er seinen E-Rezept-Code via Mail oder Messenger-Dienst weiterleiten können.

Weitere Ideen für Funktionen

Laut Gematik kann die App zusätz­liche Funktionalität enthalten, sofern diese nicht den Schutz der personenbezogenen und medizinischen Daten des Versicherten in der Fachanwendung E-Rezept gefährdet.

„Eine zusätzliche Funktionalität ist beispielsweise die Verfügbarkeits­abfrage der Verordnung in einem Warenwirtschaftssystem“, heißt es.

Außerdem muss das E-Rezept-Front­end des Versicherten die fachlichen Inhalte eines E-Rezepts anzeigen können. Heißt konkret: Der Versicherte soll nicht nur seinen Token sehen können, sondern auch die dahinter liegende Information zur Medikation.

Die App muss es dem Versicherten ermöglichen, eine abgebende Apotheke aus dem Verzeichnisdienst auszuwählen. Der Versicherte soll für die Suche im Verzeichnis Suchkriterien eingeben und über die Ergebnismenge filtern können. Filterkriterien können beispielsweise der Name, die Adresse oder Geoinformationen sein. Wenn der Patient es wünscht, soll er sich den mit seinem E-Rezept verbundenen 2D-Code auch ausdrucken lassen können.

Ein weiterer interessanter Abschnitt widmet sich der Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren in der E-Rezept-Infrastruktur. Rund um den Einlösevorgang in der Apotheke soll es den Versicherten ermöglicht werden, beispielsweise zur Verfügbarkeit oder bei Terminabsprache zum Abholen Kontakt mit der Wunschapotheke aufzunehmen. „In einer ersten Um­setzungsstufe erfolgt das über den E-Rezept-Fachdienst“, heißt es dazu in den Spezifikationen. Konkret sollen die Versicherten bei der Übermittlung des Tokens auch ein Freitextfeld bekommen, in das sie ihre Nachricht eintragen können.

An dieser Stelle wird dann auch erwähnt, dass es in eng begrenzten Ausnahmefällen auch einen Token-Versand vom Arzt direkt an die Apotheke geben soll, nämlich bei Zytostatika-Verordnungen. Bei solchen Arzt-Apotheker-Beziehungen und auch was die Kommunikation zwischen Patient und Arzt (etwa bei Folgeverordnungen) betrifft, soll es künftig Kommunika­tionsmöglichkeiten außerhalb des E-Rezept-Fachdienstes geben. Konkret bastelt die Gematik dafür an der Anwendung „KOM-LE“, in der die ein­zelnen Akteure sich unter­einander austauschen können. |

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