Arzneimittel und Therapie

Probiotika fallen bei Durchfall durch

Kinder mit akuter Gastroenteritis profitieren nicht von Laktobazillen

Probiotika werden insbesondere bei Kindern häufig zur Behandlung von Magen-Darm-Infekten eingesetzt. Auch von einigen Fachgesellschaften und in Leitlinien werden sie empfohlen. Zwei Forschungsgruppen zeigten nun zeitgleich und unabhängig voneinander, dass Probiotika vom Typ L. rhamnosusbei Kleinkindern mit einer akuten Gastroenteritis nicht den gewünschten Effekt bringen.

Eine Besonderheit der nun publizierten Untersuchungen liegt in dem qualitativ hochwertigen Studiendesign, das in den beiden randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studien nahezu identisch war. Insgesamt gingen die Daten von 1857 Kindern im Alter von drei bis 48 Monaten, die wegen einer akuten Gastroenteritis in einer von 16 Notaufnahmen in den USA und Kanada vorstellig wurden, in die Studien ein. Zusätzlich zur Standardtherapie (einschließlich Antibiotika, falls erforderlich) erhielten die Probanden fünf Tage lang zweimal täglich die Studienmedi­kation (Probiotikum oder Placebo). Dabei wurde eine der beiden Studien mit Lactobacillus (L.) rhamnosus GC durchgeführt, während in der zweiten Studie ein Kombinationspräparat aus L. rhamnosus R0011 und L. helveticus R0052 (5%) eingesetzt wurde.

Schaden statt Nutzen?

Aktuellen Studienergebnissen zufolge gibt es bei der Behandlung mit Pro­biotika erhebliche individuelle Unterschiede. So können Probiotika bei bestimmten Personen den Wiederaufbau der natürlichen Darmflora nach einer Antibiotika-Therapie beeinträchtigen. Klinische Biomarker, anhand derer vorhergesagt werden könnte, ob ein Patient auf eine Behandlung mit Probiotika anspricht oder nicht, sind derzeit nicht verfügbar. Aufgrund der aktuellen Datenlage empfehlen Experten daher einen zurückhaltenden Einsatz von Probiotika. Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in DAZ 2018, Nr. 42, S. 21 ff.

Foto: António Duarte – stock.adobe.com

Nicht besser als Placebo

Primärer Studienendpunkt waren Symptome einer mittelschweren bis schweren Gastroenteritis während der ersten 14 Tagen nach Therapiebeginn. Die Bewertung des Schweregrades erfolgte dabei nicht auf Grundlage nur eines Symptoms, sondern anhand eines aussagekräftigen Punktesystems (modifizierter Vesikari-Index). Um einen kumulativen Score zu errechnen, wurden diverse Krankheitsparameter herangezogen. Kinder mit Werten ≥ 9 (Skala von 0 bis 20) wurden als Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Gastroenteritis eingestuft. Überraschenderweise konnte in keiner der beiden Studien ein signifikanter Unterschied zwischen der Probiotika- und der Placebo-Gruppe beobachtet werden: In der US-amerikanischen Studie litten 11,8% der mit Probiotika behandelten Patienten und 12,6% der Placebo-Patienten während der Beobachtungsdauer von zwei Wochen an den Symptomen einer mittelschweren bis schweren Gastroenteritis, in der kanadischen Studie waren es 21,6% und 24,7%. Auch hinsichtlich der sekundären Studienendpunkte unterschieden sich die Behandlungsgruppen kaum. Weder die Länge der Episoden mit Durchfall und/oder Erbrechen noch die Anzahl ungeplanter Arztbesuche oder die Abwesenheitstage bei der Tagesbetreuung wurden durch Probiotika reduziert. Der prozentuale Anteil unerwünschter Ereignisse war zwischen der jeweiligen Probiotika- und Placebo-Gruppe ähnlich.

Weiterer Forschungsbedarf

Aufgrund der großen Anzahl verfügbarer Probiotika mit diversen Wirkmechanismen steht jedoch nach wie vor die Möglichkeit im Raum, dass sich andere Bakterienstämme positiv auf den Verlauf von Durchfallerkrankungen auswirken könnten. Gründ­liche und gut durchdachte Studien zu unterschiedlichen Probiotika sind erforderlich. |

Quelle

Freedman SB et al. Multicenter trial of a combination probiotic for children with gastroenteritis. N Engl J Med 2018;379(21):2015-2026

Schnadower D et al. Lactobacillus rhamnosus GG versus placebo for acute gastroenteritis in children. N Engl J Med 2018;379(21):­2002-2014

LaMont JT. Probiotics for children with gastroenteritis. N Engl J Med 2018;379(21):2076-2077

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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