Arzneimittel und Therapie

Atopische Erkrankungen: Probiotika zur Prävention?

Die perinatale Zufuhr von Lactobacillus GG konnte das Auftreten eines atopischen Ekzems bei Hochrisikokindern deutlich reduzieren. Kann diese positive Wirkung von Lactobacillus in weiteren Studien bestätigt werden, könnten mit Probiotika wertvolle therapeutische Präventiva zur Verfügung stehen.

Die Inzidenz allergischer Erkrankungen, wie der atopischen Dermatitis, Asthma und der allergischer Rhinitis, steigt in den westlichen Industrienationen rapide an. So leiden zum Beispiel in Finnland zwischen 10 und 20% der 13- bis 14-jährigen Jugendlichen an Asthma, 15 bis 23% an einer allergischen Rhinitis und 15 bis 19% an atopischem Ekzem. Die Gründe hierfür sind bislang noch nicht im Einzelnen bekannt. Einer Hypothese zufolge kann dies unter anderem auf übertriebene Hygienemaßnahmen und auf einen verminderten frühkindlichen Umgang mit unterschiedlichen Erregern zurückzuführen sein.

Einfluss auf immunologische Parameter

Eine finnische Arbeitsgruppe ist der Ansicht, dass eine gesunde Darmflora dazu beitragen kann, die Häufigkeit atopischer Erkrankungen zu verringern und untermauert ihre Hypothese folgendermaßen: Die gastrointestinale Mikroflora fördert potenziell antiallergische Prozesse wie die T-Helferzell-1-Typ-Immunität, die Bildung von IgA und die Produktion des Transforming Growth Factor-β (TGF-β), der wiederum eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung allergischer Entzündungen spielt.

Bei der Geburt ist der Gastrointestinaltrakt des Neugeborenen noch steril; im Zuge der bakteriellen Kolonisation wird dann in den ersten Lebensmonaten eine funktionierende Darmflora ausgebildet. Das Neugeborene verfügt zuerst über eine T-Helferzell-dominante-Immunität; die wiederum auch bei atopischen Individuen verstärkt ist.Kommt es dann zum Kontakt mit kommensalen Mikroben, wirken diese stimulierend auf die Entwicklung des darmassoziierten lymphoiden Gewebes, die Bakterien fördern also die Ausreifung der Immunität.

Perinatale Gabe von Probiotika

Ob nun eine durch Probiotika gestärkte Darmflora einen Einfluss auf die Häufigkeit atopischer, also allergischer Erkrankungen hat, wurde in einer finnischen Studie untersucht. Für diese doppelblinde, randomisierte und plazebokontrollierte Studie wurden schwangere Frauen ausgewählt, deren Familienanamnese eine atopische Erkrankung (Allergien, Ekzeme, Rhinitis) bei einem Verwandten ersten Grades aufwies. Die Schwangeren erhielten zwei bis vier Wochen vor der Entbindung Lactobacillus GG (zweimal täglich 1010 Keime) oder ein Plazebo. Nach der Entbindung wurde die Therapie bei den Säuglingen weitere sechs Monate fortgeführt.

Während der ersten 24 Lebensmonate wurden die Säuglinge in regelmäßigen Abständen untersucht, und die Eltern wurden angehalten, auf Hautveränderungen, allergische Rhinitis und Asthma zu achten. Stärke und Häufigkeit des allergischen Ekzems wurden anhand einer Skala bewertet, hinzu kamen immunologische und serologische Untersuchungen. Als primärer Studienendpunkt wurde das Auftreten eines chronischen atopischen Ekzems im Alter von zwei Jahren gewählt, da sich atopische Erkrankungen in den ersten Lebensjahren hauptsächlich in Form von Dermatiden äußern.

Doppelt so viel Erkrankungen in der Plazebogruppe

Nach zwei Jahren konnten die Daten von 132 der ursprünglich 159 ausgewählten Säuglinge ausgewertet werden. Bei 46 Kindern (das entspricht 35%) war ein atopisches Ekzem aufgetreten; sechs dieser Säuglinge hatten ebenfalls Asthma und eines dieser Kinder eine allergische Rhinitis. In der Verumgruppe war bei 23% der Kinder, in der Plazebogruppe bei 46% der Säuglinge eine atopische Dermatitis festgestellt worden (p = 0,008).

Das bedeutet, dass durch die Gabe von Lactobacillus die Häufigkeit eines atopischen Ekzems halbiert werden konnte. Das relative Risiko lag bei 0,51 (95% Konfidenzintervall 0,32-0,84). Die Konzentration von IgE und die Zahl positiver Hautreaktionen (Skin-prick-Test) waren in beiden Gruppen sehr ähnlich und zeigten keinen signifikanten Unterschied.

Kastentext: Probiotika

Probiotika sind Kulturen nützlicher Bakterien, die in einer gesunden Darmflora vorkommen. Einer dieser grampositiven Bakterienstämme ist Lactobacillus rhamnosus (Lactobacillus GG). Probiotika sind in der Lage, eine erhöhte intestinale Permeabilität zu normalisieren; diese erhöhte intestinale Permeabilität ist wiederum charakteristisch für Kinder, die an Lebensmittelallergien oder an einem atopischem Ekzem leiden. Probiotika fördern auch die Bildung darmspezifischer IgA-Antworten, welche oftmals bei Kindern mit Lebensmittelallergien unzureichend sind. Ferner tragen sie zu einer normalen Mikroökologie des Darms bei. In einigen Studien mit atopischen Kindern konnte gezeigt werden, dass oral eingenommene Lactobacillus-Präparate die Umwandlung des Transforming Growth Factor-β (TGF-β) und die Interleukin-10-Produktion fördern. Diese antiinflammatorischen Zytokine spielen wiederum eine wichtige Rolle bei der Prävention und Behandlung atopischer Erkrankungen.

In der vorgestellten finnischen Studie konnte die positive Wirkung von Lactobacillus im Hinblick auf atopische Erkrankungen gezeigt werden. Wenn weitere und umfangreichere Untersuchungen dieses Ergebnis bestätigen, könnten Probiotika präventiv eingesetzt werden. Zuvor müssen allerdings noch die optimale Therapiedauer, die Dosierung und die geeignetste Bakterienart geklärt werden.

Literatur: Kalliomäki, M., et al.: Probiotics in primary prevention of atopic disease: a randomised placebo-controlled trial. Lancet 357, 1076 - 1079 (2001). Murch, S.: Toll of allergy reduced by probiotics. Lancet 357, 1057 - 1059 (2001).

Die perinatale Zufuhr von Lactobacillus GG konnte das Auftreten eines atopischen Ekzems bei Hochrisikokindern deutlich reduzieren. Kann diese positive Wirkung von Lactobacillus in weiteren Studien bestätigt werden, könnten mit Probiotika wertvolle therapeutische Präventiva zur Verfügung stehen.

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