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Beratung

Darm wieder in Balance

Antibiotika-assoziierte Diarrhö bei Kindern – zu jedem Antibiotikum ein Probiotikum?

So gut Antibiotika gegen Bakterien wirken, so oft treten unter ihrer Anwendung gastrointestinale Nebenwirkungen auf, speziell Durchfall. Der Grund hierfür ist die Störung der Darmflora. Kinder entwickeln Schätzungen zufolge nach einer Antibiotika-Behandlung in rund 20% der Fälle eine Diarrhö. Bei vielen ist es eine harmlose und vorübergehende Begleiterscheinung. Gefährlich wird es jedoch bei Infektionen mit Clostridien. Umso wichtiger ist eine geeignete Prophylaxe. Daher stellt sich die Frage: Gehört zu jedem Antibiotikum ein Probiotikum? | Von Ines Winterhagen

Von einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö (AAD) spricht man, wenn der Patient bei oder unmittelbar vor Auftreten der Beschwerden eine antibiotische Behandlung erhalten hat und andere Ursachen für die Diarrhö ausscheiden [1]. Die Symptome können leicht ausgeprägt sein, es kann aber auch zu sehr starken Durchfällen kommen. Meist ist schwer vorhersehbar, welches Antibiotikum bei welchem Patienten mit einem besonderen Risiko für eine Diarrhö einhergeht. Prinzipiell kann jedes Antibiotikum eine AAD hervorrufen, häufiger ist sie jedoch unter Breitbandantibiotika – vor allem unter Amoxicillin-Clavulansäure (10 bis 25%), Ampicillin (5 bis 10%) sowie unter Clindamycin, Cephalo­sporinen der dritten Generation und neueren Chinolonen (s. Tab. 1).

Tab. 1: Risiko für das Auftreten einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö [2, 4]
hohes Risiko
niedriges Risiko
Ampicillin / Amoxicillin, auch in Kombi mit Betalactamase-Inhibitoren
Cotrimoxazol
Cephalosporine (v. a. Gruppe 3)
andere Makrolide
Chinolone (v. a. neuere Substanzen)
Metronidazol
Clarithromycin (in hoher Dosierung)
Schmalspektrum-Penicilline
Clindamycin
Tetracycline
Erythromycin
Vancomycin

Wie Antibiotika die Darmflora stören

Oft entwickelt sich eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö infolge einer gestörten Darmflora. Denn Antibiotika richten sich nicht nur gegen krankheitserregende Keime, sondern auch gegen die nützlichen Bakterien in der Darmschleimhaut. Normalerweise bevölkern bis zu 1000 verschiedene Bakterienspezies den Darm, mehr als 99% davon sind Anaerobier wie Bacteroides, Bifidobakterien oder Lactobazillen. Diese stellen eigene Enzyme her, die im Kolon verantwortlich sind für die Verstoffwechselung unverdaulicher Kohlenhydrate zu resorbierbaren Fettsäuren. Reduziert nun ein Antibiotikum Teile dieser Bakterienspezies, gelangen größere, unverdaute Zuckermengen in den Stuhl. Sie führen zu Wasserretention im Darmlumen und verursachen osmotische Durchfälle. Bei einem Mangel an anaeroben Bakterien werden zudem primäre Gallensäuren im Kolon nicht zu sekundären Gallensäuren wie Desoxycholsäuren dehydroxyliert und es resultieren sekretagoge Diarrhöen. Darüber hinaus sind bei Antibiotikagabe weitere Pathomechanismen verantwortlich für Durchfall. So steigert Erythromycin als direkter Motilin-Rezeptoragonist beispielsweise die gastrointestinale Motilität und beschleunigt damit die Passage des Nahrungsbreis erheblich. Penicilline können zudem allergische Reaktionen hervorrufen, oder es kommt zu Schleimhautulzerationen durch einzelne antibiotische Wirkstoffe. Obendrein kann das pathogene, ubiquitär vorkommende Bakterium Clostridioides difficile die Darmflora überwuchern, wenn große Teile der restlichen Darmbakterien durch Antibiotika abgetötet wurden [2, 5].

Durchfall nach Antibiotikum: Was tun?

Kommt es während der Einnahme von Antibiotika zu Durchfall, sind viele Patienten bzw. bei Kindern deren Eltern verunsichert. Bereits bei der Abgabe sollte daher darauf hingewiesen werden, dass eine Diarrhö als Nebenwirkung der Therapie auftreten kann. Keinesfalls sollte das Antibiotikum dann eigenmächtig abgesetzt oder die Dosis reduziert werden. Bleibt der Durchfall moderat, sollte das Antibiotikum unverändert eingenommen werden. Wird der Durchfall jedoch massiv oder kommen Fieber oder Blutbeimengungen hinzu, ist unbedingt und rasch ein Arzt hinzuzuziehen, der dann ggf. die Umstellung auf ein alternatives, verträglicheres Antibiotikum initiieren kann.

Was hilft in der Selbstmedikation?

Für die Selbstmedikation einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö bei Kindern gibt es vor allem bei milden Symptomen mehrere Optionen. Erste Wahl sind spezielle Glucose-Elektro­lyt-Lösungen (z. B. Oralpädon®, Elotrans®, Diarrhoesan® Elektrolyt), die einer Dehydratation vorbeugen. Die Dosierung richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung sowie dem Alter des Patienten. Säuglinge und Kleinkinder erhalten – nach Arztkonsultation! – in der Regel drei bis fünf Beutel in 24 Stunden, Kinder einen Beutel nach jedem Stuhlgang, aufgelöst in 200 ml Trinkwasser. Zum Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes eignen sich am besten Wasser oder ungesüßter Tee. Unterstützend können Präparate mit Gerbstoffen (z. B. Tannacomp®, Tannalbin® ab fünf Jahren), Apfelpektin (z. B. Diarrhoesan® ab zwei Jahren, Aplona® ab drei Jahren) oder Uzarawurzel (Uzara® Saft ab zwei Jahren) empfohlen werden – auch wenn gemäß der aktuellen Leitlinie zu gastrointestinalen Infektionen keine kontrollierten Studien hierzu vorliegen. Wichtig für die Selbstmedikation: Der Motilitätshemmer Loperamid (ab zwölf Jahren) ist bei allen Antibiotika-assoziierten Durchfällen kontraindiziert, da durch die Verlangsamung der Darmbewegung die Ausscheidung pathogener Keime und Toxine behindert werden kann. Auch Racecadotril beziehungsweise sein aktiver Metabolit Thiorphan, ein antisekretorisch wirkender Enkephalinase-Inhibitor, darf bei AAD nicht zum Einsatz kommen (und ist für die Selbstmedikation zudem bislang nur für Erwachsene zugelassen) [6, 7].

Problemkeim Clostridioides difficile

Insgesamt verläuft eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö bei immunkompetenten Patienten meist komplikationslos und muss nicht zwingend behandelt werden [2, 6]. Es sollte jedoch immer eine Abgrenzung zu einer Clostridioides­(früher Clostridium)-difficile-Infektion (CDI) erfolgen, die lebensbedrohlich sein kann [2, 3, 4]. Das anaerob wachsende, grampositive Stäbchenbakterium Clostridioides difficile, ein eigentlich physiologischer Darmbewohner, ist für 15 bis 20% aller AAD-Fälle verantwortlich. Ein erhöhtes Risiko für eine C.-difficile-positive AAD besteht vor allem direkt nach Ende der antibiotischen Behandlung, da zu diesem Zeitpunkt die Darmflora noch gestört ist [2]. Das klinische Bild ist sehr variabel und reicht von unterschiedlich stark ausgeprägten breiigen bis wässrigen, teils blutigen Diarrhöen bis zu lebensbedrohlichen Verläufen mit Megakolon und pseudomembranöser Kolitis. Hinzu kommt: Eine Clostridien-Infektion ist hoch ansteckend und eine Übertragung direkt von Mensch zu Mensch sowie über kontaminierte Oberflächen daher sehr leicht möglich.

Aktualisierte Leitlinie empfiehlt Fidaxomicin

Wird eine CDI diagnostiziert, gilt es primär, das verursachende Antibiotikum möglichst abzusetzen. Die European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID) hat ihre Leitlinie zur Behandlung von Clostridioides-difficile-Infektionen aktualisiert. Metronidazol ist nun nicht mehr Mittel der Wahl, stattdessen empfiehlt ESCMID als neue Standardtherapie Fidaxomicin (Dificlir™) bereits beim ersten Auftreten einer CDI und beim ersten Rezidiv. Das makrozyklische Antibiotikum Fidaxomicin hemmt die bakterielle RNA-Polymerase, was zu einer schnellen, selektiven Abtötung von C. difficile führt. Das individuelle Darmmikrobiom wird kaum beeinträchtigt. Das trägt dazu bei, CDI-Rezidive deutlich zu reduzieren. Seit Februar 2020 ist der Wirkstoff auch für Kinder ab 12,5 kg Körpergewicht zugelassen, als 200 mg Filmtablette oder als Granulat zur Herstellung einer Suspension mit 40 mg/ml. Das Granulat kann bereits ab Geburt unter Vorsicht gegeben werden, da die Dosierung abhängig vom Körpergewicht erfolg (s. Kasten „IQWiG-Bewertung“). Das Arzneimittel wirkt nach peroraler Gabe – in der Regel 200 mg alle zwölf Stunden über zehn Tage lokal im Darm. Zur Rezidivprophylaxe hat sich die parallele Gabe von Saccharomyces boulardii (Synonym für Saccharomyces cerevisiae Hansen CBS 5926) bewährt (z. B. Perenterol®, zweimal 500 mg täglich über vier Wochen) [8, 9].

IQWiG-Bewertung zu Fidaxomicin

Hat Fidaxomicin für Kinder und Jugendliche mit einer Clostridioides-difficile-Infektion Vor- oder Nachteile im Vergleich zu den Standardtherapien? Das hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) 2020 geprüft. Hierzu legte der Hersteller Tillotts Pharma eine Studie mit 148 Kindern und Jugend­lichen bis zu einem Alter von 17 Jahren vor. Davon erhielt ein Teil eine Therapie mit Fidaxomicin, der andere Teil Vancomycin. Einen Monat nach Ende der Behandlung zeigten sich die folgenden Ergebnisse: Während die Studie bei leichten Verläufen keine Vorteile von Fidaxomicin im Vergleich zu Vancomycin zeigte, war Fidaxomicin bei schweren Infektionen Vancomycin überlegen. Zu beachten sind allerdings gehäufte Erkrankungen des Nervensystems unter Fidaxomicin [10, 11, 12].

Probiotika zur Prävention

In der Apotheke wünschen sich Eltern von Kindern, bei denen eine Antibiotikatherapie notwendig ist, oft ein Präparat, das die Nebenwirkung Durchfall möglichst verhindert. Eine Empfehlungsoption sind dann Probiotika. Doch lässt sich das Risiko für eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö mit ihnen tatsächlich reduzieren? Versprechen Probiotika tatsächlich Darmschutz bei Antibiotikagabe? Und wie sieht es mit der Studienlage aus? Fakt ist: In Deutschland sind Probiotika nicht zugelassen zur Prävention von Antibiotika-assoziierter Diarrhö oder Rezidivprophylaxe bei CDI, sondern nur zur Behandlung bereits aufgetretener Diarrhöen. Es gibt jedoch Untersuchungen hierzu. So wurde in einem Cochrane-Review aus dem Jahr 2017 gezeigt, dass Probiotika das Risiko für die Entwicklung einer C.-difficile-Diarrhö um 60% reduzieren konnten, wenn sie parallel zu einer Antibiotika-Behandlung verabreicht wurden [13]. Positiv fiel auch eine 2019 veröffentlichte Cochrane-Analyse zu Probiotika als AAD-Prophylaxe bei Kindern (drei Tage bis 17 Jahre alt) aus. Sie weist darauf hin, dass insbesondere hochdosierte Probiotika die Inzidenz von Durchfällen nach Antibiotikagabe reduzieren können. Als beste Diarrhöprophylaxe werden in der Cochrane-Analyse Lactobacillus rhamnosus und Saccharomyces boulardii in einer Dosierung von 5 bis 40 Milliarden Koloniebildenden Einheiten (KBE)/Tag genannt [14]. Angelehnt an diese Studienergebnisse gelangt die S1-Leit­linie „Akuter Durchfall“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) zu der Aussage, dass die Einnahme von Probiotika eine Verkürzung der Krankheitsdauer um etwa einen Tag bewirken und daher in Erwägung gezogen werden kann [15].

Gut zu wissen für die Beratung in der Apotheke: Zur AAD-Prävention wird die Einnahme der Probiotika bereits parallel zur Antibiotikagabe empfohlen. Für einen nachhaltigen Effekt soll die Therapie über die Antibiose hinaus noch weiter­geführt werden, je nach Präparat zwei bis sechs Wochen. Die Patienten bzw. die Eltern sind unbedingt darüber aufzuklären, dass sie diese Anwendungsgebiete nicht im Beipackzettel finden werden [4]. Insgesamt erweist sich die Behandlung als gut verträglich. Geringfügige Nebenwirkungen (z. B. Ausschlag, Übelkeit, Blähungen, Verstopfung) treten nur selten auf. Schwerwiegende Ereignisse können bei stark geschwächten oder immunschwachen Personen auftreten, zum Beispiel unter Glucocorticoid- oder Zytostatika­therapie, aber auch bei zugrunde liegenden Risikofaktoren wie einem zentralen Venenkatheter. Hier dürfen Probiotika weder prophylaktisch noch therapeutisch verabreicht werden. Vor allem Saccharomyces boulardii kann in diesen Fällen systemische Pilzinfektionen auslösen.

Auf einen Blick

  • Gastrointestinale Nebenwirkungen sind unter Antibiotikagabe häufig.
  • Rund 20% der behandelten Kinder entwickeln eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö mit leichten oder schweren Durchfällen.
  • Der Pathomechanismus ist multifaktoriell und geht über eine Störung der natürlichen Darm­flora hinaus.
  • Bei milden Symptomen beugen Glucose-Elektrolyt-Lösungen einer Dehydratation vor.
  • Loperamid ist bei allen Antibiotika-bedingten Durchfällen kontraindiziert.
  • In Deutschland sind Probiotika nicht zugelassen zur Prävention von Antibiotika-assoziierter Diarrhö oder Rezidivprophylaxe bei CDI.
  • Die Leitlinien geben kein einheitliches Votum für eine standardmäßige Kombination von Anti­biotikum und Probiotikum.
  • Hinter massivem Durchfall, Fieber oder Blut­beimengungen kann eine lebensbedrohliche Clostridioides-difficile-Infektion stecken.
  • Hier gilt Fidaxomicin als neue Standardtherapie.

Neueste Studienergebnisse

Eine weitere randomisierte, placebokontrollierte Studie wurde aktuell diesen Juni im „JAMA Pediatrics“ veröffentlicht. Untersucht wurde die Wirksamkeit eines Multispezies-Probiotikums zur Vorbeugung einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö bei Kindern. Die Studie erstreckte sich von Februar 2018 bis Mai 2021 und erfolgte in drei niederländischen und zwei polnischen Kliniken mit 350 Patienten im Alter von drei Monaten bis 18 Jahren. Begleitend zu einer oralen oder intravenösen Antibiotika-Therapie wurde ein Probiotikum verabreicht, bestehend aus acht verschiedenen Bakterienstämmen (Bifidobacterium bifidum W23, Bifidobacterium lactis W51, Lactobacillus acidophilus W37, Lactobacillus acidophilus W55, Lactocaseibacillus paracasei W20, Lacto­planti­bacillus plantarum W62, Lactocaseibacillus rhamnosus W71 und Ligilactobacillus salivarius W24). Die Dosis betrug zehn Billionen Koloniebildende Einheiten pro Tag – aufgeteilt auf zwei Gaben – während der Antibiotikagabe und sieben Tage darüber hinaus. Ergebnis: Das Probiotikum zeigte keinen signifikanten Effekt auf eine Antibiotika-assoziierte Diarrhö bei Kindern. Probiotikum- und Placebogruppe waren nahezu vergleichbar (14,6% vs. 18,1%; Risk Ratio [RR] 0,81; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,49 bis 1,33). Allerdings wies das Präparat eine präventive Wirkung auf Diarrhö allgemein auf. Patienten in der Probiotikumgruppe hatten ein signifikant niedriges Durchfall-Risiko, wenn die Ätiologie unberücksichtigt blieb (20,9% unter Probiotika vs. 32,3% unter Placebo; RR 0,65; 95%-KI 0,44 bis 0,94), sie benötigten auch seltener eine intravenöse Rehydratation [16].

Auswahl je nach Alter und Anwendungsgebiet

Für die Empfehlung in der Apotheke stehen zahlreiche Probiotika mit lebenden und damit vermehrungsfähigen Mikroorganismen zur Verfügung – als Arzneimittel sowie als Nahrungsergänzungsmittel (s. Tab. 2). Inhaltsstoffe sind unter anderem Hefen wie Saccharomyces boulardii (z. B. Eubiol®, Perenterol®, Perocur®, Yomogi®), Escherichia coli (Mutaflor® Suspension) oder verschiedene Milchsäurebakterien (z. B. Omniflora® N, Lacteol®, Paidoflor®, Infecto-Diarrstop® LGG). Zu beachten gilt: Die Anwendungsgebiete und Altersgrenzen variieren. Ausschließlich für Diarrhö bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern gedacht ist beispielsweise Muta­flor® Suspension. InfectoDiarrstop® LGG ist vorgesehen bei Säuglingen und Kleinkindern in Kombination mit oraler Rehydratationslösung. Das Produkt umfasst Doppelkammerbeutel, ein Beutel enthält das Probiotikum, der andere Beutel die Elektrolyte. Lacteol®, Perenterol® und Perocur® dürfen im Säuglings- und Kleinkindalter nicht in der Selbstmedikation angewendet werden. Kinder in diesem Alter sollten bei Durchfall grundsätzlich einem Arzt vor­gestellt werden. Wichtig zu wissen ist auch: Die einzelnen Präparate sind bei unterschiedlichen Temperaturen zu lagern. Während Produkte mit gefriergetrockneten Mikroorganismen keine Kühlung benötigen, sind andere Mittel im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C aufzubewahren (z. B. Paidoflor®, Mutaflor®, InfectoDiarrstop® LGG) [6, 7].

Tab. 2: Probiotika-Präparate für Kinder (eine Auswahl)
Präparat
Inhaltsstoffe
ab einem Alter von
Dosierung
Colibiogen® Kinder
lysierte Escherichia coli, Stamm Laves
  • ohne Altersangabe, als bilanzierte Diät grundsätzlich nur unter ärztlicher Aufsicht
  • ein- bis dreimal täglich 5 ml (= 1 Teelöffel) eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten
Eubiol®
Trockenhefe aus Saccharomyces boulardii
  • sechs Monate, bei Kindern unter zwei Jahren unter ärztlicher Aufsicht
  • einmal täglich eine Hartkapsel, bei Kindern unter sechs Jahren gegebenenfalls Kapselinhalt in Speisen oder Getränke einrühren
Infecto-Diarrstop® LGG
Lactobacillus rhamnosus GG, Elektrolyte
  • ab einem Körpergewicht von 4 kg, unter ärztlicher Aufsicht
  • Dosierung erfolgt gewichtsabhängig
Lacteol® Kapseln
Lactobacillus fermentum und Lactobacillus delbrueckii
  • ab Säuglingsalter, bei Säuglingen und Kleinkindern unter ärztlicher Aufsicht
  • akuter Durchfall: am ersten Tag dreimal eine Kapsel, danach täglich zweimal eine Kapsel
  • bei Kindern unter zwei Jahren in Kombination mit einer Elektrolytlösung
Mutaflor®Suspension
Escherichia coli, Stamm Nissle 1917
  • ab Säuglingsalter
  • ein- bis dreimal 1 ml pro Tag, Suspension direkt aus dem Behältnis in den Mund träufeln, bei Säuglingen vor dem Trinken, bei Kleinkindern nach einer Mahlzeit
Omnifloral® N
Lyophilisat aus Lacto­bacillus gasseri und Bifidobacterium longum
  • ein Jahr, bei Kindern unter drei Jahren unter ärztlicher Aufsicht
  • ein- bis zweimal täglich eine Hartkapsel; bei Kleinkindern gegebenenfalls Kapselinhalt in Speisen oder Getränke einrühren
Paidoflor®
Trockenpulver aus Lactobacillus acidophilus
  • ein Jahr; unter sieben Jahren unter ärztlicher Aufsicht
  • Kleinkinder: ein- bis dreimal täglich eine Kautablette, in trinkwarmer Milch oder handwarmem Brei zerkleinert geben
  • Schulkinder: ein- bis zweimal täglich drei Kautabletten
Perenterol® Junior 250 mg Pulver
Trockenhefe aus Saccharomyces boulardii
  • sechs Monate, bei Kindern unter zwei Jahren unter ärztlicher Aufsicht
  • ein- bis zweimal täglich ein Beutel in Speisen oder Getränke einrühren
Yomogi® 250 mg Kapseln
Trockenhefe aus Saccharomyces boulardii
  • sechs Monate, bei Kindern unter zwei Jahren unter ärztlicher Aufsicht
  • ein- bis zweimal täglich eine Kapsel; bei Kindern unter sechs Jahren gegebenenfalls Kapselinhalt in Speisen oder Getränke einrühren

Widersprüchliche Expertenempfehlungen

Bislang hat sich eine grundsätzliche Kombination von Antibiotika und Probiotika im Praxisalltag noch nicht etabliert. Denn gemäß der aktuellen Datenlage, der Inhomogenität der einzelnen Studien sowie der Heterogenität der eingesetzten Bakterienspezies kann derzeit für kein Präparat eine klare evidenzbasierte Empfehlung zur standardmäßigen prophylaktischen Einnahme ausgesprochen werden. Auch die Leitlinien geben kein einheitliches Votum. Während die britische Leitlinie (NICE) gar keine Therapieempfehlung für Probiotika bei Kleinkindern mit Durchfall abgibt, erwägen die Autoren der Leitlinie der European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) den Einsatz von „effektiven“ Probiotika wie Lactobacillus rhamnosus GG und Saccharomyces boulardii [17, 18]. Die Experten der deutschen S2k-Leitlinie zu akuter infektiöser Gastro­enteritis im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter von 2019 stufen die kurzzeitige prophylaktische Anwendung von Probiotika zusätzlich zur Antibiotikagabe bei immun­kompetenten Patienten zumindest als sicher ein, ohne eine allgemeine Empfehlung hierfür auszusprechen [19]. |

 

Literatur

 [1] Cramer JP et al. Altes und Neues zur antibiotikaassoziierten Diarrhö. Med Klin 2008;103:325-338, https://doi.org/10.1007/s00063-008-1040-0

 [2] Gillessen A. Wann ist Gefahr im Verzug? Antibiotika-assoziierte Diarrhö, Ars Medici 2020;23:735-739; www.rosenfluh.ch/media/arsmedici/2020/23/Wann-ist-Gefahr-im-Verzug.pdf

 [3] Agamennone V et al. A practical guide for probiotics applied to the case of antibiotic-associated diarrhea in The Netherlands. BMC Gastroenterol 2018;18:103, doi: 10.1186/s12876-018-0831-x

 [4] Eckard S. Beratungspraxis: Bakterielle Infektionskrankheiten. Deutscher Apotheker Verlag 2013

 [5] Bennack E. Anitibiotikainduzierte Diarrhö. Von lästig bis lebens­bedrohlich. www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-192016/von-laestig-bis-lebensbedrohlich/

 [6] Bruhn C. Aufruhr im Darm. Empfehlungen und Grenzen der Selbstmedikation bei Antibiotika-assoziierter Diarrhö. DAZ 2016;30:38

 [7] Fachinformationen der Hersteller

 [8] van Prehn J et al. European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases: 2021 update on the treatment guidance document for Clostridioides difficile infection in adults. Clin Microbiol Infect 2021;27(2):1-21, doi: 10.1016/j.cmi.2021.09.038

 [9] Clostridioides-difficile-Infektionen - Europäische Leitlinie empfiehlt Fidaxomicin. Gastro-News 2022;1, www.springermedizin.de/clostridium-difficile/europaeische-leitlinie-empfiehlt-fidaxomicin/20142208

[10] Fidaxomicin bei Kindern und Jugendlichen mit leichter Clostridioides-difficile-Infektion. Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), www.gesundheitsinformation.de/fidaxomicin-bei-kindern-und-jugendlichen-mit-leichter-clostridioides-difficile-infektion.html

[11] Fidaxomicin bei Kindern und Jugendlichen mit schwerer oder wiederkehrender Clostridioides-difficile-Infektion. Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), www.gesundheitsinformation.de/fidaxomicin-bei-kindern-und-jugendlichen-mit-schwerer-oder-wiederkehrender-clostridioides-difficile-infektion.html

[12] Fidaxomicin (Clostridioides-difficile-Infektion bei Kindern und Jugendlichen. Dossierbewertung A20-25, Nutzenbewertung. www.iqwig.de/download/a20-25_fidaxomicin_kurzfassung_nutzenbewertung-35a-sgb-v_v1-0.pdf

[13] Goldenberg JZ et al. Probiotics for the prevention of Clostridium difficile- associated diarrhea in adults and children. Cochrane Database Syst Rev 2017;12(12):CD006095

[14] Guo Q et al. Probiotics for the prevention of pediatric antibiotic-­associated diarrhea. Cochrane Database Syst Rev 2019;4:CD004827, doi: 10.1002/14651858.CD004827.pub5

[15] Akuter Durchfall. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), AWMF-Registernr. 053/030, Stand: März 2013, gültig bis September 2018

[16] Lukasik J et al. Multispecies Probiotic for the Prevention of Antibiotic-Associated Diarrhea in Children. A Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatr 2022. doi:10.1001/jamapediatrics.2022.1973

[17] NICE guideline Diarrhoea and vomiting caused by gastroenteritis in under 5s diagnosis and management, 2018; www.guidelines.co.uk/paediatrics/nice-diarrhoea-and-vomiting-in-children-guide­line-/208173.article

[18] Guarino A et al. European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition/European Society for Pediatric Infectious Diseases evidence-based guidelines for the management of acute gastroenteritis in children in Europe: update 2014. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2014;59(1):132-152; doi: 10.1097/MPG.0000000000000375

[19] Akute infektiöse Gastroenteritis im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. S2k-Leitlinie, AWMF-Registernr. 068-003, Stand: März 2019, gültig bis Mai 2023

Autorin

Dr. Ines Winterhagen ist Fach­apothekerin für Offizinpharmazie, Homöo­pathie und Naturheilkunde. Sie schreibt für die DAZ und den Deutschen Apotheker Verlag.

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