Arzneimittel und Therapie

Nur ein toter H. pylori  ist ein guter H. pylori

Diskussion um ein allgemeines Bevölkerungsscreening und eine breit angelegte Eradikation

rr | Weltweit ist wohl mindestens jeder zweite Erwachsene mit Helicobacter pylori infiziert. Der Magenkeim führt zu einer chronisch aktiven Gastritis – mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen. Es stellt sich die Frage, ob es nicht besser wäre, die Bevölkerung zu testen und das Bakterium zu eradizieren, bevor es größeren Schaden anrichten kann. In Deutschland spricht einiges gegen eine solche Strategie.

Gastroduodenale Ulkuskrankheit, Magenkarzinome, MALT-Lymphome, Dyspepsie – die Besiedelung des Magens mit Helicobacter pylori bedeutet meist nichts Gutes. In der durch das Bakte­rium hervorgerufenen Gastritis sehen viele Experten eine Infektionskrankheit, unabhängig davon, ob Beschwerden oder Komplikationen bestehen. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch, wie genau ist noch unklar.

In Deutschland liegt die Prävalenz der H. pylori-Infektion zwischen 3% bei Kindern und 48% bei Erwachsenen. Bei Immigranten ist sie mit 36 bis 86% deutlich höher.

Unterschiede zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen sind die Folge einer unterschiedlichen Expositionsintensität gegenüber H. pylori, beispielsweise aufgrund sozioökonomischer Faktoren, Ernährungs- und Umweltfaktoren.

Die Infektionsrate nimmt in den westlichen Ländern seit Jahrzehnten kontinuierlich ab, was nicht zuletzt auch als ein Erfolg von Eradikationstherapien zu werten ist. Durch die Behandlung wird nicht nur nachweislich das Risiko für Magenkrebs gesenkt, es kommt danach auch nur selten ein zweites Mal zu einer Infektion. Könnte man mit einem breiten Screening der Bevölkerung H. pylori nicht einen Schritt zuvorkommen?

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Die Test-and-treat-Strategie kommt für Deutschland wegen der niedrigen und weiter abnehmenden Prävalenz von Helicobacter pylori derzeit nicht infrage. Hierzulande wird erst dann getestet und behandelt, wenn auch eine Indikation vorliegt.

Wer sucht, der findet

Um eine Antwort auf diese Frage geben zu können, muss man sich der Folgen eines solchen Screenings bewusst sein. Die aktuelle S2k-Leitlinie „Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit“ empfiehlt klar: Wird H. pylori nachgewiesen, muss auch behandelt werden. Dass ein positives Testergebnis ohne therapeutische Konsequenzen bleibt, ist dem Patienten schwierig zu vermitteln und ökonomisch nicht sinnvoll. Doch nicht alle Personen, die das Bakterium tragen, entwickeln auch Beschwerden, sodass die Gefahr einer Übertherapie besteht.

Es gibt Indikationen, bei denen grundsätzlich auf H. pylori untersucht werden sollte, dazu zählen Ulkus ventrikuli oder duodeni und das gastrale Marginalzonen-B-Zell-Lymphom des MALT. Empfohlen wird auch, Patienten mit Ulkus-Anamnese, die dauerhaft mit Acetylsalicylsäure (ASS) oder nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt werden sollen, auf H. pylori zu testen, ebenso Patienten, die unter dieser Medikation gastrointestinale Blutungen entwickeln. Unter präventiven Gesichtspunkten wird eine Testung ausschließlich bei Risikopatienten für Magenkarzinom empfohlen – zumindest in Deutschland.

Dyspeptische Beschwerden

Auseinander gehen die Meinungen in Sachen Reizmagen: Um herauszufinden, ob dyspeptische Beschwerden auf eine Besiedelung des Magens mit H. pylori zurückzuführen sind, ist eine Testung nötig. Der vor Kurzem erschienene 5. Maastricht/Florenz-Konsensreport empfiehlt die sogenannte Test-and-treat-Strategie für junge Patienten mit ungeklärter Dyspepsie. Dabei wird mit nicht-invasiven Methoden (z. B. Harnstoff-Atemtest) auf H. ­pylori geprüft und im Falle eines Keimnachweises eine Eradikationstherapie eingeleitet.

In Deutschland ist für den Nachweis von H. pylori eine invasive Testmethode plus Endoskopie erforderlich. Nicht-invasive Methoden werden nur zur Kontrolle des Erfolgs einer Eradikationstherapie erstattet, wenngleich sie prinzipiell zur Diagnostik geeignet wären. Nach Ansicht von Prof. Dr. med. Wolfgang Fischbach, Gastroenterologe am Klinikum Aschaffenburg und Autor der deutschen S2k-Leitlinie, ist das nicht der einzige Grund, weshalb die Test-and-treat-Strategie hierzulande nicht infrage kommt. „In Deutschland sprechen die niedrige und weiter abnehmende H.­- pylori-Prävalenz, die geringe Ulkusrate sowie die hohe Verfügbarkeit und die niedrigen Kosten der endoskopischen Diagnostik gegen ein Screening der Bevölkerung mit nicht-invasiven Methoden und eine breit angelegte Eradikation jedes positiv getesteten Individuums. Die Test-and-treat-Strategie ist bei uns nicht kosteneffizient. Zudem erhöht der erweiterte Einsatz von Antibiotika das Risiko für multiresistente Keime.“ Schon jetzt ist der Hauptgrund für das Versagen der Standardtherapie aus Clarithromycin und Amoxicillin/Metronidazol plus Protonenpumpeninhibitor (PPI) die Resistenzbildung gegen Clarithromycin.

Darüber hinaus ist eine Eradikation nicht frei von Risiken, und damit sind nicht nur die bekannten Nebenwirkungen von Antibiotika gemeint. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Eradikation von H. pylori die Entwicklung einer Refluxkrankheit bis hin zu einem ösophagealen Adenokarzinom begünstigt. Auch wenn kausale Zusammenhänge nicht belegt wurden, lässt sich derzeit nicht abschätzen, welche Auswirkungen eine breiter angelegte Eradikation hätte. Fischbach lehnt einen unkritischen Einsatz von Diagnostik und Therapie deshalb ab: „Eine Eradikation von Helicobacter pylori setzt nach wie vor den Nachweis der Infektion und eine Indikation voraus.“

Gerne würde man gleich ganz auf den unliebsamen Magenbewohner verzichten. Eine globale Eradikation stellt derzeit aber nicht nur eine unüberwindbare Aufgabe dar, sondern hat zudem auch keinen klaren Benefit. Die Hoffnungen ruhen auf der Entwicklung eines Impfstoffs. |

Quelle

S2k-Leitlinie „Helicobacter pylori und gastro­duodenale Ulkuskrankheit“, Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), Stand: 5. Februar 2016, AWMF-Registernummer 021 - 001

Kavitt RT et al. Management of Helicobacter pylori Infection. JAMA 2017;317(15):1572-1573

Malfertheiner P et al. Management of Helicobacter pylori infection - the Maastricht V/Florence Consensus Report. Gut 2017;66:6-30

Gisbert JP et al. Helicobacter pylori „Test-and-Treat” Strategy for Management of Dyspepsia: A Comprehensive Review. Clin Transl Gastroenterol 2013;4(3):e32

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