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AMTS-Projekt ohne Apotheker

Barmer GEK freut sich über Fördermillionen aus dem Innovationsausschuss

BERLIN (ks) | Mehr Sicherheit bei der Arzneimitteltherapie – dafür sollen in den kommenden drei Jahren verschiedene Modellprojekte sorgen, die vom Innovationsfonds gefördert werden. Auch die Barmer GEK freut sich über eine Millionen-Spritze für ihr AMTS-Projekt „AdAM“. Dieses führt die Kasse unter anderem mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) durch. Nicht mit im Boot: die Apotheker.
Foto: Christian Schwier – Fotolia.com
Viele rudern mit – die Apotheker aber sind nicht mit im Boot.

AdAM („Anwendung für digital unterstütztes Arzneimitteltherapie- und Versorgungsmanagement“) ist ein Projekt, das sich der Polypharmazie und den durch die Komplexität der Therapie entstehenden vermeidbaren Risiken widmet. Denn den meisten Hausärzten fällt es schwer, hier den Überblick zu behalten. Und dem Patienten geht es nicht besser.

AdAM soll alles übersichtlicher und damit besser machen. In Westfalen-Lippe sollen Barmer-Versicherte, die mindestens fünf Arzneimittel benötigen, künftig von einer digitalen Zusammenführung ihrer Medikation profitieren. Starthilfe bekommt AdAM vom Innovationsfonds: 16 Millionen Euro sollen in den kommenden drei Jahren fließen. Ende 2019 soll das Projekt abgeschlossen sein, nach erfolgreicher Evaluation soll es in die Regelversorgung überführt werden.

„Enormes Potenzial”

Für Dr. Mani Rafii, Vorstand der Barmer GEK, hat AdAM das Potenzial, multimorbide Patienten in ganz Deutschland vor Medikationsfehlern zu schützen. Und nicht nur das: Die Barmer will auch Wirtschaftlichkeitspotenziale heben. Wenn inadäquate Verordnungen vermieden werden können, könnten bis zu 20 Prozent eingespart werden, sagte Rafii bei der Vorstellung des Projekts am 6. Dezember in Berlin. „Bei einer Überführung in die Regelversorgung lassen sich bei allen gesetzlichen Krankenkassen bis zu 2,75 Milliarden Euro einsparen“, prognostizierte der Barmer-Vorstand. Di eingesparten Mittel sollen nicht zuletzt den Ärzten zukommen: Teilnehmende Mediziner erhalten pro Patient 80 Euro im Jahr. Es können nochmal 40 Euro pro Jahr dazu kommen, wenn sie ein innerärztliches Konsil vornehmen, sich also mit ihren Kollegen absprechen. Laut Thomas Müller sollen rund 1400 Ärzte und 35.000 Patienten eingebunden werden.

Wie funktioniert AdAM?

Nachdem der Patient zur Teilnahme am Projekt eingewilligt hat, bekommt der Hausarzt von der Krankenkasse eine Liste über die verordneten Arzneimittel und behandlungsrelevante medizinische Informationen. Die Arzneimittel des Patienten gehen in dessen Medikationsplan ein, der auch die vom Patienten angegebene Selbstmedikation enthält. Dieser Überblick über die Gesamtmedikation, die auch Verordnungen aus dem stationären Bereich enthält, soll es dem Arzt ermöglichen, gefährliche Wechselwirkungen zu erkennen. Auch der Patient erhält über ein Portal Einblick in seine Gesamtmedikation. Weitere Projekt­elemente sorgen für eine automatische und patientenspezifische Information des Hausarztes bei neu beschriebenen Risiken von Arzneimitteln und der stationären Aufnahme seiner Patienten in ein Krankenhaus. Auch Sprachbarrieren bei Patienten mit Migrationshintergrund soll Rechnung getragen werden.

Apotheker bleiben außen vor

Neben den Kassenärzten beteiligen sich an AdAM mehrere Universitäten (Köln, Frankfurt/M., Bochum, Bielefeld) und die Uniklinik Köln. Hilfestellungen für den Arzt zum Management von Polypharmazie wird zudem die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin liefern. In dieser ist auch Prof. Dr. Daniel Grandt aus Saarbrücken aktiv – als Vorsitzender der Kommission „Arzneimitteltherapie-Management & AMTS“. Grandt, der zudem Vorstandsmitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und Mitglied der Koordinierungsgruppe AMTS ist, zählt laut Rafii zu den ­„geistigen Vätern“ von AdAM.

Außen vor blieben hingegen Apotheken. Rafii betonte zwar, dass Apotheker nach wie vor eine wichtige Rolle spielen. Doch auch sie hätten nicht alle Informationen zu rezeptfreien Arzneimitteln, weil Patienten schließlich in unterschiedlichen Apotheken einkauften. Und so müssen die Ärzte jetzt erst einmal auf die Angaben der Patienten zu ihrer Selbstmedikation vertrauen. |

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