INTERPHARM 2014 - Schmerz

Analgetika auf dem Prüfstand

Was für die Selbstmedikation sinnvoll ist

hb | Schmerzmittel, sei es für die Selbstmedikation oder für die Therapie starker Schmerzen im rezeptpflichtigen Bereich, stehen heute in einer Vielzahl von Darreichungsformen zur Verfügung, vom althergebrachten Zäpfchen bis hin zu modernen Sublingualtabletten und Nasensprays mit ausgefeilten Galeniken. Prof. Dr. Werner Weitschies von der Universität Greifswald erläuterte, was wann am besten genommen werden sollte.
Prof. Dr. Werner Weitschies

Sogenannte „kleine Analgetika“, die als OTC-Präparate für verschiedene Arten von Schmerzen zum Einsatz kommen, enthalten im Wesentlichen die Wirkstoffe Acetylsalicylsäure (ASS), Paracetamol, Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen, bis auf Naproxen sämtlich bewährte Substanzen. Austauschbar sind sie keineswegs, denn jede hat ihre eigenen Wirkqualitäten und eine spezielle Pharmakokinetik (siehe Tabelle), die zusätzlich noch durch die galenische Zubereitung beeinflusst werden kann.

Acetylsalicylsäure ist wegen der schnellen Resorption besonders empfehlenswert beim Migräneanfall. Eine Neuentwicklung, die noch nicht im Handel ist, enthält mikronisierte ASS in Form eines Granulates. Sie kommt nach Weitschies´ Einschätzung der echten Lösung nahe. Bisher immer noch „unschlagbar“ sind für ihn die Brausetabletten.

Paracetamol eignet sich eher als Antipyretikum, wobei Suppositorien heute nicht nur bei Kindern immer noch eine interessante Darreichungsform darstellen.

Ibuprofen zeigt als Lysinat und in Weichkapseln einen schnellen Wirkungseintritt, Säfte wirken langsamer.

Diclofenac ist bezüglich des Blutspiegelanstiegs unzuverlässig. Selbst bei den schnell wirksamen Formen werden in der ersten Stunde quasi noch gar keine Spiegel gesehen. Als Ursache hierfür führte Weitschies die extrem schlechte Löslichkeit des Wirkstoffs im sauren Medium an. Es kann deswegen im Magen in großen Partikeln ausfallen, die in Phasen ohne Motilität einfach liegen bleiben und dann erst verspätet zur Resorption in den Gastrointestinaltrakt kommen. Für eine rasche Schmerzlinderung ist Diclofenac daher nicht ideal.

Naproxen, das als OTC noch nicht lange verfügbar ist, hat eine etwas längere Wirkdauer als die anderen Wirkstoffe. Es ist unter anderem indiziert bei Menstruationsbeschwerden, wirkt aber möglicherweise nicht schnell genug. Weitschies empfiehlt deshalb, für eine rasche Schmerzlinderung eventuell zuerst ASS oder schnell freisetzendes Ibuprofen zu geben und dann Naproxen als Folgemedikation.

Trinken für die „Magenstraße“

Publizierte Blutspiegeldaten sind fast immer Nüchternspiegel. Das realistische Anflutungsverhalten ist deshalb meist unbekannt. Im Übrigen ist der Magen ohnehin nur morgens nach dem Aufstehen leer. Insofern dürfte eine Einnahme auf nüchternen Magen zumindest tagsüber kaum möglich sein, meinte Weitschies. Wasser wird allerdings erheblich schneller als Speisebrei transportiert, auch – quasi auf der Überholspur - an diesem vorbei, ein Phänomen, das als „Magenstraße“ bezeichnet wird. Trinken in größeren Mengen sei aus diesem Grund der Schlüssel für einen schnelleren Transfer durch den Magen.

In der Speakers‘ Corner nutzten viele Teilnehmer die Möglichkeit, Prof. Dr. Werner Weitschies noch offen gebliebene Fragen zu stellen.

Biopharmazeutisch nicht „up to date“

Nicht alles, was auf dem Schmerzmittelsektor „modern“ ist, muss unbedingt besser sein. Dies verdeutlichte Weitschies an zwei Beispielen aus dem Bereich der rezeptpflichtigen Analgetika. Das Triptan Zolmitriptan steht als Schmelztablette zur Verfügung. Bei der Akutbehandlung der Migräne, wofür das Präparat ausgelobt wird, ist die Form nur dann sinnvoll, wenn der Wirkstoff durch die Mundschleimhaut ausreichend schnell absorbiert wird. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zolmitriptan Nasenspray schneidet diesbezüglich erheblich besser ab.

Als zweites Beispiel führte er ein Präparat auf, das einen magensaftresistenten Monolithen mit 500 mg Naproxen enthält, der von einem nicht-magensaftresistenten Überzug mit 20 mg Esomeprazol umgeben ist. Das Präparat soll zwei Mal täglich mindestens 30 Minuten vor einer Mahlzeit eingenommen werden. Weitschies hält diesen Abstand für viel zu kurz. Naproxen erreicht seinen maximalen Blutspiegel nach einer Einzeldosis ohnehin erst nach drei bis fünf Stunden, und die Nahrungsaufnahme führe zu einer weiteren Verzögerung von bis zu acht Stunden oder mehr. Esomeprazol wird dagegen nach der Magenpassage immer noch ganz ordentlich resorbiert. Magensaftresistente Monolithe hält er aus diesem Grund für verzichtbar, weil die Tabletten im Magen akkumulieren und dann in einem „Schwung“ entleert werden.

Fazit für die Therapie

Welche Art von Schmerz sollte womit angegangen werden?

  • Bei Migräne ist eine sehr schnelle Anflutung erforderlich, daher am besten mit ASS als Brausetablette.
  • Fieber am besten mit Paracetamol, idealerweise als Suppositorium.
  • Entzündungsschmerz bevorzugt mit Ibuprofen oder Naproxen.
  • Dauerschmerzen mit Diclofenac, allerdings nicht in der Selbstmedikation. 



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