Feuilleton

Apotheker und die schönen Künste

Ein Streifzug von Goethe bis zur Bigband*

* Frau Prof. Sontraud Speidel, der gefeierten Pianistin und begnadeten Klavierpädagogin, in Bewunderung ihrer Erfolge und in freundlicher Verbundenheit zum 70. Geburtstag gewidmet.

„Bad news are good news“ – ich verabscheue unnötige Anglizismen in unserem Kulturgut Sprache ebenso wie die negative Aussage dieses Spruches: Was nicht schlecht, nicht übel, nicht böse oder nicht kriminell ist, wird (nach Meinung von Medienexperten) nicht gelesen oder nicht wahrgenommen – und das ist nicht gut fürs Geschäft, für den Umsatz, für die Popularität, die Auflagenhöhe oder die Einschaltquote.

Apotheker in der Kunst

Wen wundert’s, wenn heute auch die Arzneimittel sogar von Menschen, die ihnen ihr Leben oder die Qualität ihres Weiterlebens zu verdanken haben, verteufelt werden und der Apotheker, der Fachmann für Arzneimittel, lächerlich gemacht wird? Deshalb erscheint es mir angebracht, auch einmal Positives über den Apotheker zu berichten, wobei ich den Schwerpunkt auf die schönen Künste legen möchte. Fragen wir also nach Dichtern und Musikern, die dem Apotheker wohl gesonnen waren und dies auch zum Ausdruck brachten.

Wer darf dabei in einem deutschen Essay nicht fehlen? Natürlich Johann Wolfgang Goethe, der in seiner idyllisch-epischen Dichtung „Hermann und Dorothea“ den Apotheker als einen der Honoratioren, als klugen, wissenden, hilfsbereiten Menschen in Hexametern gezeichnet hat. Goethe hat die Apotheker in seiner Umgebung geschätzt und sie übrigens auch in naturwissenschaftlichen Fragen oft um Auskunft gebeten.

Was haben die Komponisten Joseph Haydn und Carl Ditters von Dittersdorf mit den Apothekern zu tun?

Josef Haydn hat etwa 120 Symphonien, aber auch einige Opern komponiert. Eine seiner vier heiteren Opern, die heute noch in Reclams Opernführer genannt werden, ist „Der Apotheker“, eine komische Oper in einem Akt.

Carl Ditters von Dittersdorf hatte seinen größten musikalischen Erfolg mit „Doktor und Apotheker“, einer Opera buffa in zwei Akten, die nach Ansicht seiner Zeitgenossen damals sogar Mozarts „Hochzeit des Figaro“ überflügelte. Beide Opern wurden im selben Jahr und in derselben Stadt uraufgeführt, 1786 in Wien.

Welche Pharmazeuten wurden von den Musen geküsst?

Immer wieder hat sich eine Muse bemüßigt gefühlt, einem naturwissenschaftlich erzogenen und dem nüchternen Broterwerb ausgelieferten Apotheker unter die Arme zu greifen oder ihm die Flügel des Pegasus zu verleihen. Beginnen wir mit den Literaten (in chronologischer Reihenfolge):

Von Dante Alighieri (1265–1321), über dessen Vita kaum gesicherte Daten vorliegen, weiß man nur, dass er in Florenz der Zunft der Ärzte und Apotheker angehörte.

John Keats (1795–1821) hatte eine abgeschlossene Lehre bei einem Arzt und Apotheker in einem Londoner Krankenhaus aufzuweisen, als er sich mehr literarischen Studien zuwandte und schließlich zu einem Romantiker der zweiten Generation mutierte.

Ludwig Bechstein (1801–1860) war nach Abschluss einer Apothekerlehre in Arnstadt noch drei Jahre bis 1824 als Gehilfe tätig. In dieser Zeit veröffentlichte er schon die Thüringer Volksmärchen. Dann war er in Meiningen und bis 1828 in der Schwan-Apotheke in Salzungen als Provisor tätig. Da ihm diese Tätigkeit nicht gefiel, studierte er Philosophie, Geschichte und Literatur. Er wurde zu einem patriotischen Lyriker, dessen historische Erzählungen und Romane heute nur noch von Fachleuten geschätzt werden.

Theodor Fontane (1819–1898) war zuerst Apotheker in Leipzig und von 1842 bis 1849 in Berlin. 1852 ging er als Korrespondent nach London, später war er Kriegsberichterstatter und dann als Theaterkritiker für die Vossische Zeitung tätig. Seine wichtigsten erzählerischen Werke schrieb er erst im Alter. Sein bekanntester Roman, Effi Briest, wird heute noch gern gelesen.

Henrik Ibsen (1828–1906) absolvierte von 1844 bis 1850 nach Verarmung seines Vaters eine Apothekerlehre in Grimstad (Norwegen), studierte später Medizin in Oslo, wurde Theaterdichter und schuf Bühnenwerke, Dramen und Tragödien. Weltruhm brachten ihm die Dramen „Nora oder Ein Puppenheim“ (1879) und „Hedda Gabler“ (1890).

Georg Trakl (1887–1914) schloss eine Apothekerlehre in Salzburg ab, studierte Pharmazie in Wien und war ab 1912 Apotheker am Garnisonsspital in Innsbruck. Der literarisch sehr produktive Trakl zählt zu den bedeutendsten Frühexpressionisten deutscher Sprache. Leider konsumierte er exzessiv Drogen und Alkohol und starb mit 27 Jahren an einer Überdosis Cocain in einem Krakauer Garnisonsspital.

Agatha Christie (1890–1976) war eine Krankenschwester, die während des Ersten Weltkrieges in einer englischen Apotheke gelernt und gearbeitet hat, wobei sie sich fundierte Kenntnisse über Gifte aneignete. Später schrieb sie populäre Kriminalromane, in denen sie – im Gegensatz zu vielen anderen Schriftstellern dieses Genres – den Einsatz und die Wirkung von Giften stets realistisch und wissenschaftlich korrekt beschrieb.

Unter den bildenden und darstellenden Künstlern, die in ihrem Berufsleben etwas mit der Pharmazie zu tun hatten, seien genannt:

Lucas Cranach d.Ä. (1472–1553). Er hatte von seinem Landesherrn, dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen von Sachsen, ein Privileg für den Betrieb einer Apotheke in Wittenberg erhalten. Cranach war Hofmaler und hat nie den Apothekerberuf erlernt. Die Apotheke ließ er deshalb durch einen „Gesellen“ führen. „Alles schon mal dagewesen“, möchte man da im Hinblick auf gewisse aktuelle Bestrebungen sagen: Geschäftstüchtige Unternehmer wollen Apothekenketten betreiben, ohne je an einem Reagenzglas geschnuppert oder eine Arzneibuchmonografie gelesen zu haben …

Carl Spitzweg (1808–1885). Er zeichnete schon als Kind, besuchte nie eine Kunstakademie, schloss das Studium der Pharmazie mit Auszeichnung ab und arbeitete als Apothekergehilfe, widmete sich aber allmählich der Malerei als Hauptberuf. Sein bekanntestes Bild ist „Der arme Poet“.

Erich Ponto (1884–1957) hat in München Pharmazie studiert, wandte sich dann der Schauspielerei zu und war auf verschiedenen Bühnen und in einigen Filmen sehr erfolgreich. Wer kennt nicht seine Rolle als ChemieProfessor in der „Feuerzangenbowle“?

Zu den lebenden Apothekern, die sich als Maler und Grafiker künstlerisch betätigen, gehört Baldur „Giovanni“ Kohm, der frühere Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. Seine Frau Barbara, die ebenfalls einen pharmazeutischen „Hintergrund“ hat, zeichnet für die Deutsche Apotheker Zeitung regelmäßig Karikaturen zu aktuellen Themen.

Gibt es auch Musiker unter den Apothekern? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir keine kulturellen Ikonen bemühen. Im Jahr 2000 wurde die Deutsche Apotheker Bigband gegründet. Sie besteht aus 19 Instrumentalisten und einer Sängerin. Die Band mit Stilrichtung Swing kann bei jeder anspruchsvollen Gelegenheit auftreten und tut dies auch auf höchstem Niveau.

Wenn wir nach Komponisten fragen, finden wir beispielsweise den Berliner Apotheker Heinz Höhne. Er komponierte 1922 das Lied „Hoch auf dem gelben Wagen“, das der ehemalige Bundespräsident Walter Scheel gern mit kräftiger Stimme gesungen hat. Zu erwähnen sind hier auch einige österreichische Apotheker, die sich als Walzer- und Polka-Komponisten hervorgetan haben: Firbas, Doppelbauer, Dreweny, Kotschy, Lucerna, Rücklinger, Sedlacek, von Waldheim.

Von der Wissenschaft zur Kunst

Abschließend sei an drei Pharmazeutische Hochschullehrer erinnert, die sich – weit über ihren wissenschaftlichen Tellerrand blickend – künstlerisch betätigen:

Mit dem Namen Max Wichtl verbindet jeder Pharmazeut sein Standardwerk „Teedrogen und Phytopharmaka“. Dass der Emeritus für Pharmazeutische Biologie die deutsche Übersetzung der über 600 Seiten umfassenden Mozart-Biografie von Maynard Solomon verfasst hat, ist nur wenigen bekannt.

Ein anderer Vertreter desselben Faches, Gerhard Franz, hat zahlreiche Pflanzenporträts hoher Qualität gemalt, um die ihn Profis beneiden.

Hermann J. Roth, Emeritus für Pharmazeutische Chemie und Verfasser dieses Essays, hat jahrelang kolorierte Radierungen als DAZ-exclusiv-edition publiziert und den Begriff „Molekulare Ästhetik“ geprägt. Notabene, 2011 fand im ZKM (Zentrum für Kunst und Medientechnologie) in Karlsruhe ein internationales Symposium mit diesem Titel statt.

Fazit: Pharmazeuten brauchen ihr künstlerisches Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. 

Autor

Prof. Dr. rer. nat. Dr. h.c. Hermann Roth, Friedrich-Naumann-Str. 33, 76187 Karlsruhe

www.h-roth-kunst.com

info@h-roth-kunst.com

 

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