Arzneimittel und Therapie

Escitalopram – gut fürs Herz?

Der Einfluss negativer Emotionen auf die Prognose kardiovaskulärer Erkrankungen wird seit einiger Zeit intensiv untersucht. Nun zeigt die REMIT-Studie einen protektiven Einfluss von Escitalopram auf die Entstehung von mental bedingten Myokard-Ischämien bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit.

Eine Herzischämie ist überwiegend die Folge einer unangemessenen Koronardurchblutung [1]. Die Minderversorgung mit Sauerstoff kann im Extremfall einen Herzinfarkt auslösen. Neben rein körperlicher Belastung stehen auch emotionale und psychosoziale Faktoren als potenzielle Auslöser kardiovaskulärer Ereignisse zur Diskussion. Um diesen Zusammenhang zu bestätigen, wurde versucht eine kardiale Ischämie unter kontrolliert experimentellen Versuchsbedingungen auszulösen. Standardisierte psychische Stresstests bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) provozierten mental bedingte Myokard-Ischämien (MSIMI, mental stress-induced myocardial ischemia) und bestätigten ein erhöhtes Risiko kardiovaskulärer Ereignisse, nicht nur nach physischer Belastung [2]. Antidepressiva vom Typ der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI) gelten als Therapieoption, um die komplexen emotionalen Faktoren bei KHK-Patienten zu verbessern und einer MSIMI vorzubeugen [3].

Ergebnisse zu Studienbeginn und nach sechswöchiger Behandlungsdauer [4].

abnormale
Wandbewegung
(Anzahl)
linksventrikuläre Auswurffraktion
(%)
körperliche
Belastungs-Ischämien (%)
Anzahl an Serotonin-Rezeptor-Transporter
(fmol/mg Protein)
Studienbeginn
Placebo
34
53,6
56,7
156,9
Escitalopram
32
56,3
49,2
165,0
Endpunkt (nach sechs Wochen)
Placebo
34
54,8
52,5
160,4
Escitalopram
27
57,4
45,8
139,7

Nun wurde die REMIT-Studie (Responses of Mental Stress Induced Myocardial Ischemia to Escitalopram Treatment) veröffentlicht, die von 2007 bis 2011 an der Duke University Health System (USA) durchgeführt wurde [4]. In dieser randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie wurden die Daten von 112 Patienten mit stabiler KHK ausgewertet, welche über einen Zeitraum von sechs Wochen entweder Placebo (n = 56) erhielten, oder mit Escitalopram 5 bis 20 mg/d (n = 56) therapiert wurden. Primärer Endpunkt war das Auftreten von mental bedingten Myokard-Ischämien während kontrollierter psychischer Stresstests. Nachgewiesen wurde dies entweder über eine Verschlechterung der abnormalen Wandbewegung des Herzens, einer Reduktion der linksventrikulären Auswurffraktion oder einer Absenkung der ST-Strecke im Elektrokardiogramm. Die mentalen Stresstests fanden einmalig zu Studienbeginn sowie nach sechswöchiger Behandlung statt und beinhalteten Kopfrechnen, visuell-motorische Koordination unter spiegelbildlicher Betrachtung (Spiegellabyrinth) sowie öffentliches Reden bei kritischer Beurteilung des Auditoriums. Der Einfluss auf körperliche Belastungs-Ischämien (ESIMI, exercise induced myocardial ischemia) wurde anhand von Laufbandübungen analysiert. Im Vergleich zum Studienbeginn blieben nach einer sechswöchigen Therapie bei 34% der Patienten mit Escitalopram-Behandlung die Symptome einer Myokard-Ischämie während der mentalen Stressperiode aus, wohingegen die Placebo-Gruppe mit nur 18% einen geringeren Effekt verzeichnete. Gegenüber Placebo zeigte Escitalopram somit unter kontrolliert experimentellen Versuchsbedingungen eine signifikante Überlegenheit, eine mental bedingte Myokard-Ischämie zu verhindern. Der präventive Einfluss auf physische Belastungs-Ischämien erreichte allerdings keine statistische Signifikanz. Neben den zentralen Effekten von Escitalopram diskutieren die Autoren auch die Verhinderung der Plättchenaktivierung durch SSRI als weiteren Mechanismus zur Beeinflussung der MSIMI [5]. Verglichen mit Placebo reduzierte Escitalopram die Anzahl an Serotonin-Rezeptor-Transportern in Thrombozyten und veränderte somit deren Serotoninaufnahme. Die Ergebnisse stützen die Vermutung, dass zentrale und periphere Effekte von SSRI die Symptomatik der koronaren Herzkrankheit positiv beeinflussen. Inwieweit negative Empfindungen die kardiovaskuläre Prognose direkt beeinflussen, wird Gegenstand zukünftiger Studien sein.


Quelle

[1] Dimsdale JE. Psychological stress and cardiovascular disease. J Am Coll Cardiol 2008; 51: 1237 -1246.

[2] Jiang W et al. Mental stress– induced myocardial ischemia and cardiac events. JAMA 1996; 21: 1651 -1656.

[3] Golding M et al. Effects of paroxetine on cardiovascular response to mental stress in subjects with a history of coronary artery disease. Psychopharmacology 2005; 3: 321 – 326.

[4] Jiang W et al. Effect of Escitalopram on Mental Stress-Induced Myocardial Ischemia: Results of the REMIT Trial. JAMA 2013; 20: 2139 – 2149.

[5] McCloskey DJ et al. Selective serotonin reuptake inhibitors: measurement of effect on platelet function. Transl Res 2008; 3: 168 – 172.


Apotheker André Said

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