Arzneimittel und Therapie

Antipsychotika bei Alzheimer

Rückfallrisiko beim Absetzen von Risperidon

Patienten mit Alzheimer sind oft aggressiv oder sehr erregt. Der Einsatz von Neuroleptika bei diesen Symptomen ist zwar umstritten, sie werden jedoch häufig verordnet. Die Einnahme von Risperidon (Risperdal®) unterliegt strengen Auflagen der FDA und wird auch bei uns wegen des erhöhten Schlaganfallrisikos kritisch beurteilt. Es wird empfohlen, die Antipsychotika nicht länger als sechs Monate einzunehmen. Eine Studie deutet nun darauf hin, dass bei Alzheimer-Patienten, die auf Risperidon ansprechen, das Risiko für den Rückfall in aggressiv-psychotisches Verhalten nach Absetzen einer Behandlung mit Risperidon erhöht ist.

Sprechen Patienten auf Risperidon an, so sollte man mit dem Absetzen vorsichtig sein. Das Risiko von extrapyramidalen Nebenwirkungen unter der Medikation sollte sorgfältig gegenüber dem von Rückfällen nach Beendigung der Therapie abgewogen werden, denn möglicherweise erhöht das Absetzen von Risperidon das Rückfallrisiko.  Foto: Peter Atkins – Fotolia.com

Für die Durchführung der Studie wurde ein Vorgehen in zwei Schritten gewählt. Zunächst wurden 180 Patienten mit der Diagnose Alzheimer-Demenz über 16 Wochen unverblindet mit Risperidon behandelt (mittlere Dosis 0,97 mg Risperidon pro Tag) und überprüft, ob der Wirkstoff den gewünschten beruhigenden Effekt auslöst. 112 Patienten sprachen auf die Medikation an, letztlich wurden dann 110 Patienten in die Studie eingeschlossen und doppelverblindet und randomisiert in drei Patientengruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe erhielt über weitere 32 Wochen Risperidon, die zweite Gruppe für weitere 16 Wochen Risperidon und im Anschluss daran für 16 Wochen Placebo, während die dritte Gruppe über den gesamten Zeitraum nur mit einem Placebo behandelt wurde. Die Umstellung von Risperidon auf Placebo erfolgte in allen Fällen ausschleichend.

Primäres Ziel war die Zeit bis zum Auftreten einer Psychose oder von Agitiertheit. Es wurde die Häufigkeit von Rückfällen zwischen der Gruppe, die bereits zu Beginn Placebo erhielt, mit der Gruppe, die erst ab der 16. Woche auf Placebo umgestellt war, verglichen. Außerdem wurde als sekundärer Endpunkt ein Assessment auf extrapyramidale Symptome durchgeführt, tardive Dyskinesien und das Auftreten weiterer körperlicher Symptome erfasst. Während der Studie war unter Berücksichtigung des jeweils individuellen Gesundheitszustandes der Teilnehmer die Einnahme von SSRI, niedrig dosierten Hypnotika und zur Behandlung der extrapyramidalen Nebenwirkungen Cholinesterase-Inhibitoren und Memantin erlaubt. Bei Patienten mit extrapyramidalen Nebenwirkungen wurde zudem die Risperidon-Dosis gesenkt. Insgesamt zeigten sich bei den Patienten unter Risperidon und unter Placebo ähnliche Nebenwirkungen.

Risperidon


Der Wirkstoff Risperidon ist ein selektiver monoaminerger Antagonist mit einer hohen Affinität für serotonerge 5-HT2- und dopaminerge D2-Rezeptoren. Er ist zugelassen zur

  • Behandlung von Schizophrenie,

  • Behandlung mäßiger bis schwerer manischer Episoden assoziiert mit bipolaren Störungen,

  • symptomatischen Kurzzeitbehandlung (bis zu sechs Wochen) bestimmter Aggressionsstörungen bei Kindern und Jugendlichen und

  • zur Kurzzeitbehandlung (bis zu sechs Wochen) bei anhaltender Aggressivität für Patienten mit mäßiger bis schwerer Alzheimer-Demenz.

Allerdings ist der Einsatz atypischer Neuroleptika nicht unumstritten: In einer AMK-Meldung vom März 2003 wurde darauf hingewiesen, dass unter Anwendung von Risperidon bei Demenz-Patienten ein erhöhtes Risiko von zerebrovaskulären Erkrankungen mit zum Teil tödlichem Ausgang beobachtet wurde. Vor der Anwendung sollte – vor allem bei Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren – eine strenge Risiko-Nutzen-Abwägung vorgenommen werden und engmaschig auf mögliche Anzeichen zerebrovaskulärer Ereignisse geachtet werden.

Nur Trend wegen geringer Probandenzahlen erkennbar

Eine Schwäche der Studie – dies räumt die Studiengruppe selbst ein – ist die kleine Patientenzahl, die keine Rückschlüsse auf schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen oder Mortalität zulässt. In der Gruppe, die während der gesamten Studiendauer mit Risperidon behandelt wurden, traten bis zur 16. Woche 14 Rückfälle und zwischen der 16. und 32. Woche ein Rückfall auf. Wegen Tod, unerwünschter Arzneimittelwirkungen und anderer Gründe brachen weitere zwölf Teilnehmer dieser Gruppe die Studie ab. Lediglich zehn Patienten waren während der gesamten Dauer rückfallfrei. Genauso viele Patienten der reinen Placebogruppe waren am Ende ebenfalls ohne Rückfall. In dieser Gruppe traten bei den 40 Patienten 23 Rückfälle bis zur 16. und zwei weitere bis zur 32. Woche auf. Neun Patienten beendeten die Studie aus diversen Gründen nicht. In der Gruppe, die nur in den ersten 16 Wochen Risperidon erhielt und danach mit Placebo weiter behandelt wurde, traten in den ersten 16 Wochen acht Rückfälle auf und nach dem Absetzen von Risperidon weitere 13. Lediglich sechs Patienten schieden aus anderen Gründen aus. Hier waren nach Beendigung der Studie 14 Patienten rückfallsfrei.

Trotz dieser geringen Teilnehmerzahlen sehen die Autoren eine Tendenz, wonach Patienten, die über einen Zeitraum von 16 bzw. 32 Wochen mit Risperidon behandelt wurden, ein signifikant erhöhtes Rückfallrisiko nach Absetzen des Präparates haben. Dieses Risiko muss gegenüber möglicherweise auftretenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen – die in der Studien wegen der geringen Teilnehmerzahl nur unzureichend beurteilt werden konnten – abgewogen werden. Um daraus eine allgemeine Therapieempfehlung zu entwickeln, so die Autoren, sind umfangreichere und prospektive Studien notwendig.


Quelle

Devanand, D. P. et al.: Relapse Risk after Discontinuation of Risperidone in Alzheimer’s Disease. N Engl J Med (2012) 367: 1497 – 1507.

AMK-Meldung vom 23. März 2003: Rote-Hand-Brief: Risperidon (Risperidal®).


Apothekerin Dr. Constanze Schäfer MHA



DAZ 2012, Nr. 50, S. 47

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