Management

Paradigmenwechsel in der Führungsarbeit

Der Apotheker als Dienstleister der Mitarbeiter

Immer mehr Führungskräfte – und damit auch Apotheker – interpretieren ihre Führungsrolle als Dienstleister an der Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter. Allerdings darf dabei nicht der Nutzen der Apotheke in den Hintergrund rücken: die Apothekenziele müssen erreicht werden.

Leistungen quittieren

Ein Apotheker sollte Quittungen ausstellen – aber nicht im Kundenkontakt, sondern im Mitarbeitergespräch: "Vielen Dank, Frau Schmidt, das ist ein Hinweis, der uns alle weiterbringt." Oder auch: "Ich sehe, Herr Müller, Sie haben sich intensiv Gedanken gemacht, wie wir die Kundenorientierung verbessern können."

Positive Quittungen – der Begriff ist von dem Führungskräftetrainer Dieter Hohl in die Führungslehre eingeführt worden – sind Formulierungen, mit denen eine Führungskraft Mitarbeiteräußerungen auf eine zielführende Art und Weise quittiert und dem Mitarbeiter für seine Anregungen dankt. Mit anderen Worten: Der Mitarbeiter hat etwas "eingezahlt" und für die Apothekenentwicklung geleistet – der Apotheker quittiert diese Leistung, indem er eine Empfangsbestätigung für die erbrachte Leistung ausstellt.

Die Quittungen sind Bestandteil einer modernen Führungskultur, die davon ausgeht, dass der Apotheker einen aktiven Beitrag zur Weiterentwicklung und zum Wachstum des Mitarbeiters leisten will und kann.

Die ewige Frage nach dem angemessenen Führungsstil

Es ist und bleibt die Gretchenfrage der Mitarbeiterführung – was ist besser:

  • der mitarbeiterorientierte Führungsstil, der den Menschen grundsätzlich als eigenverantwortliches Individuum akzeptiert und ihm zutraut, sich motiviert und engagiert für die Apothekenziele einzusetzen?

  • oder der aufgabenorientierte Führungsstil, bei dem der Apotheker klare Anweisungen gibt und sich nicht scheut, dem Mitarbeiter auch einmal "den richtigen Weg" zu weisen, ihn also als jemanden sieht, den man zuweilen zu seinem Glück zwingen muss?

Eine abschließende Antwort gibt es nicht. Immerhin sieht sich der Apotheker jeden Tag mit sehr unterschiedlichen Führungssituationen konfrontiert, in denen mal der eine, mal der andere Führungsstil der zielführende ist. Entscheidend dabei ist, welchem Menschen er in einer konkreten Führungssituation gegenübersteht. Der Hintergrund: Nicht jeder Mitarbeiter ist reif genug für den offenen Führungsstil. Es gibt durchaus Mitarbeitertypen, die Kontrolle benötigen, während andere das Gefühl brauchen, der Apotheker vertraue ihnen voll und ganz. Beim dritten Mitarbeiter stellt eine Mischung aus Kontrolle und Vertrauen das rechte Maß dar.

Mitarbeiterwachstum als Ziel

Trotzdem bringt es die gesellschaftliche Entwicklung mit sich, dass es der rein aufgabenorientierte Führungsstil immer schwerer hat. Gerade die leistungsorientierten Mitarbeiter wollen als Individuen ernst genommen werden. Wer sie als bloße Funktionsträger und Aufgabenerfüller behandelt, darf nicht mit ihrem Engagement rechnen.

Gleich mehrere Studien belegen überdies die überwiegend positiven Auswirkungen des menschenorientierten Führungsverhaltens bzw. die negativen Folgen des aufgabenorientierten Vorgehens etwa für das Betriebsklima und die Arbeitsproduktivität.

Und darum gibt es immer mehr Apotheker, die ihre Führungsrolle als Dienstleistung an der Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter sehen. Natürlich geht der Apotheker mit solch einer Haltung ein gewisses Risiko ein. Wer jedoch glaubt, dass es so eher gelingen könnte, einerseits die Apothekenziele zu erreichen, andererseits die Mitarbeiter zu motivieren, ihr Bestes für die Apotheke zu leisten, darf sich nicht scheuen, seine Führungsentscheidungen unter das Primat des "Mitarbeiterwachstums" zu stellen.

Was jedoch heißt das konkret – "Mitarbeiterführung als wachstumsorientierte Dienstleistung an Apotheke und Mitarbeiter"? Nach dem bereits erwähnten Trainer Dieter Hohl (siehe dazu sein Buch "Führung als Dienstleistung ‚er’leben") bedeutet es zuallererst, dass ein Apotheker sein Menschenbild reflektiert und sich fragt, ob er gewillt ist, sich tatsächlich als "Dienstleister" zu sehen, der den Mitarbeiter wie einen Kunden behandeln und dessen Wünsche und Erwartungen entgegenkommen will.

Allerdings: Es wäre ein fatales Missverständnis, wenn der Apotheker nun bei allen Entscheidungen die Belange der Mitarbeiter einseitig in den Vordergrund schieben würde. Worum es geht, verdeutlicht das folgende Beispiel: Im Konfliktfall sollte der Apotheker auch die Perspektive des Mitarbeiters einnehmen, sich in dessen Lage versetzen und dessen Anliegen in die Entscheidung einfließen lassen. Der Konfliktfall wird auch als Gelegenheit zur Weiterentwicklung des Mitarbeiters aufgefasst.

Langfristige Wirkungen

Wachstumsorientierte Dienstleistung fokussiert darauf, die Weiter-entwicklung des Mitarbeiters nicht außer Acht zu lassen, ihn so zu fordern und zu fördern, dass er sich fachlich und menschlich weiterentwickeln kann – zu seinem Vorteil und zum Nutzen der Apotheke. Eine Konsequenz ist etwa, dem Mitarbeiter verantwortungsvolle Aufgaben zu übertragen, ihm zuzutrauen und auch zuzumuten, Aufgaben zu bearbeiten, bei denen er an seine Kompetenzgrenzen stößt – nach Friedrich Schiller wächst der Mensch mit seinen Aufgaben.

Diese Haltung mag dem einen oder anderen naiv erscheinen. Fest steht, dass sie am ehesten in Apotheken realisierbar ist, in denen ohnehin ein gutes Betriebsklima und ein positives Verhältnis zwischen Mitarbeitern und Apotheker herrschen. Dies darf jedoch kein Argument dafür sein, sich von vornherein von der wachstumsorientierten Mitarbeiterführung zu verabschieden.

Geben und Nehmen

Das Konzept ist langfristig angelegt. Apotheker, die ein solches Führungsverhalten vorleben, üben oft eine Sogwirkung auf die entsprechenden Mitarbeiter aus, ziehen also Menschen an, die den Arbeitsplatz in der Apotheker als Chance und Möglichkeit sehen, sich eigeninitiativ dafür einzusetzen, Apothekenziele zu verwirklichen.

Letztlich ist es ein Geben und Nehmen, ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis, das darauf beruht, dass sich Menschen zusammenschließen, um gemeinsame Ziele zu erreichen.

Die Weiterentwicklung der Mitarbeiter steht stets im Dienst des Wachstums des gesamten Teams und der Apotheke. Notwendige Voraussetzungen sind:

  • Auf Mitarbeiterseite ist die Einstellung förderlich, den Job nicht als Beruf, sondern als Berufung anzusehen.

  • Auf Apothekerseite bedarf es spezifischer Führungskompetenzen – vor allem sollte der Apotheker in der Lage sein, auch in kritischen Situationen konstruktives Feedback zu geben, das dem Mitarbeiter selbst bei krassem Fehlverhalten zukunftsorientierte Lösungsmöglichkeiten aufzeigt: "So kannst du aus dem Fehler lernen, ihn beim nächsten Mal vermeiden und es besser machen!"

Lebenslange Weiterbildung

Wachstum hat immer mit Aus- und Weiterbildung zu tun. Darum ist eine weitere Folgeerscheinung der wachstumsorientierten Mitarbeiterführung der ständige Austausch mit dem Mitarbeiter, welche Kompetenzlücken er hat und wie diese sich schließen lassen. Der Apotheker führt dazu Qualifikationsgespräche mit dem Mitarbeiter – am besten in regelmäßigen Abständen. Dabei wird die Frage beantwortet, ob der Mitarbeiter durch externe Weiterbildungsmaßnahmen oder interne Aktivitäten Fähigkeiten erwerben sollte, um etwa die neu formulierten Apothekenziele im Bereich des Qualitätsmanagements zu realisieren.


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater



AZ 2012, Nr. 16, S. 4

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