Management

Kunterbuntes Führungsgeschäft

Wie man alte und junge, motivierte und frustrierte, fleißige und faule, engagierte und misstrauische Mitarbeiter führt

Als Apothekenleiter hat man es selten mit „der“ Mitarbeiterschaft zu tun. Deren Zusammensetzung ist bunt wie ein Kaleidoskop – auch, was Leistungsstärke und Motivation anbelangt. Hinzu kommen demographisch-physische Faktoren wie Alter, Geschlecht und Nationalität. Welches Führungsinstrumentarium ist notwendig, um als Chef diese Herausforderung zu bestehen?

Ein wichtiger Aspekt ist die Bereitschaft, sich flexibel auf unterschiedliche Menschen und Führungssituationen einzustellen. Denn natürlich hat die Apothekenleiterin es mit sehr unterschiedlichen Menschen zu tun: Da ist die reife PTA, die über einige Berufserfahrung verfügt und ihr Fachgebiet sowie die unterschiedlichen Optionen, in die Vorstellungswelt des Kunden einzutauchen, aus dem Effeff kennt. Und da ist die junge Apothekerin, die frisch von der Uni kommt und nun als Angestellte voller Enthusiasmus eigene Ideen umsetzen möchte.

Hinzu kommen der selbstbewusste Mitarbeiter, der stets die Diskussion sucht, und der eher schüchterne Mitarbeiter, der fast schon bewundernd zu „seinem Chef“ aufblickt, sowie der frustrierte Angestellte, mit dem der Apothekenleiter dringend ein Motivationsgespräch führen müsste.

Vielfalt als Chance ­wahrnehmen

Die Beispiele verdeutlichen: Als Chef muss man über eine Vielzahl an Kommunikations-, Motivations- und Führungstechniken verfügen, um das kunterbunte Führungsgeschäft bewältigen zu können. ­Entscheidend ist: Man sollte Vielfalt, Individualität, ja Exzentrizität nicht als Risiko, sondern als ­Chance wahrnehmen.

Der Hintergrund: Wenn mehrere, auch kulturell unterschiedlich geprägte Mitarbeiter an der Lösung eines Problems arbeiten, gelangt das Team häufig zu differenzierteren Lösungsmöglichkeiten. Denn jeder Mitarbeiter betrachtet das Problem durch „seine Wahrnehmungsbrille“, die durch seine ­Individualität geprägt ist.

Wenn wir die Mitarbeiter und ihre Vielfalt als „Input“ bezeichnen, heißt das: Vielfältiger Input führt zu vielfältigem Output. Die Anzahl kreativer Verbesserungsvorschläge erhöht sich, wenn möglichst viele Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Geschlechts und Alters gemeinsam an der Problemlösung in der Apotheke arbeiten.

Darum sind seitens des Apothekenleiters Flexibilität und die Fähigkeit gefordert, sich auf die Individualität der einzelnen Mitarbeiter einzulassen.

Persönlichkeitsstruktur der Mitarbeiter beachten

Sicherlich gibt es Chefs, die sich auf den Standpunkt stellen: „Wir sind kein Sozialverein, wir haben uns um die Kunden zu kümmern; auf die Befindlichkeit der einzelnen Mitarbeiter können wir keine Rücksicht nehmen.“ Dieser Standpunkt sollte der Vergangenheit angehören, allein deswegen, weil es letztendlich der Kunde ist, der unter einem düsteren Betriebsklima und frustrierten Mitarbeitern in der Apotheke leidet.

Es schadet daher nicht, wenn sich der Apotheker Gedanken zu seiner Menschenkenntnis macht. Immerhin fällt er tagtäglich Entscheidungen, deren Grundlage die Wahrnehmung und Beurteilung von anderen Menschen ist. Um angemessen mit Menschen umgehen zu können, sollte er nicht nur deren Persönlichkeitsstruktur und Verhaltensweisen kennen und verstehen lernen, sondern sich zudem Gedanken machen über die eigene Persönlichkeitsstruktur.

Doch wie erwirbt man Menschenkenntnis? Zum Beispiel durch genaues Zuhören, durch das Sich-Einlassen auf den Gesprächspartner, auch wenn dies natürlich viel Zeit kostet.

Mitarbeiter nach ­Reifegrad leiten

  • Der Telling-Ansatz geht von einem eher niedrigen Reifegrad aus – der Apotheker führt primär mit konkreten Vorgaben.
  • Bei einem mittleren Reifegrad ist ein integriertes Führungsverhalten angemessen: Der Selling-Ansatz weist darauf hin, die Meinung des Mitarbeiters durchaus zu berücksichtigen – allerdings: Der Apotheker behält sich die letztendliche Entscheidungsbefugnis vor.
  • Der Participating-Ansatz geht von einem vorangeschrittenen Reifegrad aus. Der Mitarbeiter soll und darf etwa bei Entscheidungsfindungen und der Aufgabenbearbeitung eine aktive Rolle spielen – der Apotheker gibt Unterstützung und Hilfestellung.
  • Beim Delegating-Ansatz liegt ein hoher Reifegrad vor. Der Apotheker überträgt dem Mitarbeiter die Aufgabe, die für die Bearbeitung notwendigen Kompetenzen und auch die Verantwortung.

Führungswissen ­kontinuierlich erweitern

Zudem kann der Apotheker konsequent an der Erweiterung seines Führungsrepertoires arbeiten. Entsprechende Lektüre und der Besuch von Qualifikationsmaßnahmen sind geeignete Mittel, die Führungskompetenz kontinuierlich zu erweitern. Indem er sich verschiedene Führungs- und Kommunikationsmethoden aneignet, ist er in der Lage, sich flexibel auf unterschiedliche Führungssituationen einzustellen.

Ein Apotheker darf sich nicht nur als pharmazeutischer Experte begreifen, sondern muss überdies als Führungskraft überzeugen. Denn das ist wohl einer der größten Führungsfehler: Die Führungskraft vertraut einem Führungsstil und wendet ihn ausnahmslos und unterschiedslos auf alle Mitarbeiter an.

Darum gilt: „Räumen Sie der Mitarbeiterführung eine höhere Priorität ein und erwerben Sie die Kompetenz, Ihre Mitarbeiter individuell zu führen – etwa, indem Sie ihren Reifegrad berücksichtigen.“

Fachkompetenz und ­Motivation ins Kalkül ziehen

Die Reifegradtheorie der Führung nutzt den Reifegrad des Mitarbeiters als Kriterium für die Wahl des effektivsten Führungsverhaltens. Der Reifegrad wird vor allem durch die Fachkompetenz und die Motivation bestimmt – ein Beispiel: Die Fachkompetenz des Azubis ist wahrscheinlich noch ausbaufähig, der Apotheker wird vorzugsweise mit Anweisungen führen. Bei dem langjährigen Mitarbeiter wäre dies wahrscheinlich kontraproduktiv.

Die Erfahrung allein ist aber kein ausreichendes Kriterium, um den Reifegrad zu bestimmen. Hinzu kommt der Leistungswille: Es kann durchaus sein, dass der langjährige Mitarbeiter immer wieder einen motivatorischen Anstoß braucht, weil der Ausprägungsgrad seiner Eigenmotivation niedrig ist.

Ein weiteres Reifegradkriterium ist die psychologische Reife: Ist der Mitarbeiter willens und in der Lage, zum Beispiel Eigenverantwortung zu übernehmen? All dies sollte der Apotheker bei seiner Führungsarbeit berücksichtigen – sofern es sein Ziel ist, nicht alle Mitarbeiter gleich zu behandeln und zu führen, sondern ihrer Individualität gerecht zu werden.

Führungsverhalten dem ­Reifegrad anpassen

Der Reifegrad eines Mitarbeiters kann mit Grundtypen des Führungsverhaltens in Verbindung gebracht werden. Die Führungslehre unterscheidet vier Typen – die Führungs-Kunst besteht darin, zunächst den konkreten Mitarbeiter in den Blick zu nehmen und schließlich zu überlegen, welcher Führungsansatz der effektivste sein könnte (s. Kasten „Mitarbeiter nach Reifegrad leiten“).

Diese Führungshinweise stellen lediglich einen Handlungsrahmen dar. Der Apotheker muss seine Handlungsweise stets auf den einzelnen Menschen abstimmen. Hinzu kommt: Jeder Mitarbeiter entwickelt sich weiter, der Reifegrad verändert sich. Der Apotheker sollte die Bewertung seiner Mitarbeiter darum regelmäßig hinterfragen und prüfen, ob eine Neueinschätzung notwendig ist. |

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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