Ernährung aktuell

Bei Nulldiät nicht ganz auf Null gehen

Das Prinzip des Heilfastens wird immer wieder kontrovers diskutiert. Als Methode zur Gewichtsreduktion wird es von Medizinern und Ernährungswissenschaftlern bereits seit langem abgelehnt. Zur Stärkung der seelisch-geistigen Kräfte und auch zur Beeinflussung verschiedener Erkrankungen hat es aber nach wie vor seinen Stellenwert. Aus ernährungsmedizinischer Sicht bewertete Prof. Dr. Werner O. Richter das Heilfasten im Rahmen der Veranstaltung "Ernährungstherapie – Update 2011", die vom WIPIG-Netzwerk Ernährung vor kurzem durchgeführt wurde. Sein Fazit: Ganz auf Null sollte man die Energiezufuhr beim Fasten nicht senken, sondern täglich eine kleine Menge Kohlenhy drate zuführen, um fastenbedingte Probleme zu vermeiden.

Ein Problem, das beim völligen Verzicht auf Kohlenhydrate bzw. auf Nahrungsenergie auftreten kann, ist Richter zufolge eine Hypokaliämie als Folge einer vermehrten Kaliumausscheidung. Im schlimmsten Fall kann es über den Abfall der Kaliumkonzentration zu Herzrhythmusstörungen kommen. Die vermehrte Kaliumausscheidung ist Richter zufolge nicht alleine durch das Trinken von kaliumreichem Mineralwasser zu kompensieren. Vermeiden lässt sie sich dagegen, wenn täglich eine Menge von nur ca. 75 g Kohlenhydraten zugeführt wird. Diese Kohlenhydratmenge kann man laut Richter z. B. in Form von etwas Honig zu sich nehmen, mit dem man den beim Heilfasten empfohlenen Tee süßt.

Eine weitere dadurch vermeidbare Komplikation des Fastens ist eine vermehrte Natriumausscheidung über den Urin, die Richter bei der Untersuchung von 24-h-Urin unter Nulldiät beobachten konnte. Das vermehrt ausgeschiedene Natrium zieht eine vermehrte Wasserausscheidung nach sich. Dieser Effekt wird von Fastenden zwar begrüßt, denn er bewirkt vor allem zu Beginn des Fastens einen deutlichen Gewichtsverlust. Allerdings führt er auch zu einem messbaren Blutdruckabfall, der sich in Schwindel und sogar in Ohnmachtsanfällen äußern kann. Richter wies darauf hin, dass sich die vermehrte Natriumausscheidung nicht bei allen Fastenden entsprechend stark auswirken muss, sie sollten jedoch auf die Möglichkeit hingewiesen werden und wissen, dass sich Schwindel und Schwächegefühl durch eine kleine Menge Kohlenhydrate vermeiden lassen.

Richter zeigte weiterhin auf, dass bei Patienten mit einem erhöhten Gichtrisiko absolutes Fasten einen Gichtanfall begünstigen kann. Hintergrund hierfür ist eine Abnahme der Harnsäureausscheidung bzw. ein Anstieg des Harnsäurespiegels unter Nulldiät als Folge einer Keton ämie. Dieser Aspekt lässt sich Richter zufolge nicht völlig durch die Gabe einer geringen Kohlenhydratmenge kompensieren, der Effekt wird jedoch abgemildert.

Auch im Hinblick auf den Abbau von Körpereiweiß ist die Zufuhr von kleinen Kohlenhydratmengen beim Fasten sinnvoll. Da Eiweiß über die Gluconeogenese zur Bildung von Kohlenhydraten im Körper herangezogen werden, ist bei einem totalen Verzicht auf Kohlenhydrate (und gleichzeitig Proteine) ein verstärkter Abbau von körpereigenen Proteinen zu erwarten. Statt der erwünschten Fettmassereduktion schrumpft die Skelettmuskelmasse und die Masse der Herzmuskulatur. Zwar macht sich auch der Muskelmasseabbau auf der Waage in Form einer Gewichtsreduktion bemerkbar, allerdings ist dies nicht erstrebenswert. Über einen längeren Zeitraum kann der Protein abbau negative Folgen wie Haltungsschäden und auch Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzversagen nach sich ziehen. Durch die Gabe von etwas Kohlenhydraten wird der Proteinabbau beim Fasten verlangsamt, sozusagen körpereigenes Eiweiß "gespart".

Insgesamt, so Richter, gibt es viele gute Gründe, Fastende dazu zu ermuntern, bei einer Nulldiät nicht ganz auf Null zu gehen. Wünschenswert sei eine Mindest energiezufuhr von 600 kcal pro Tag bzw. eine Mindestzufuhr an Kohlenhydraten von 75 g.


ral



DAZ 2011, Nr. 50, S. 90

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