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Komplementärmedizin: Gute Argumente für das Heilfasten

Jahreszeitlich bedingte Schwankungen im Nahrungsangebot gehörten in der gesamten Entwicklungsgeschichte zum natürlichen Lebensrhythmus des Menschen und haben seinen Stoffwechsel geprägt. Die Fähigkeit, sich den Schwankungen im Nahrungsangebot durch Depotbildung und deren Mobilisierung anzupassen, war Bedingung für das menschliche Überleben. Erst der moderne Mensch in den reichen Industrieländern muss nicht mehr regelmäßig hungern. Mit dem Heilfasten kehrt er gewissermaßen in diesen saisonal bedingten Urzustand zurück. Mit kompetenter medizinischer Betreuung kann Heilfasten Krankheiten vorbeugen oder eine Heilung unterstützen.

Deshalb ist die traditionelle Zeit des Heilfastens das Frühjahr. Zu dieser Zeit hatten unsere Vorfahren die Vorräte des Winters aufgebraucht und neue Nahrungsmittel standen noch nicht zur Verfügung. Heute ist das Fasten fester Bestandteil der Komplementärmedizin. Dabei ist Heilfasten mehr als "Nicht-Essen". Es soll Krankheiten vorbeugen und als Therapieverfahren bei chronischen Erkrankungen helfen. Dazu sollte es aber unter Anleitung eines erfahrenen Fastentherapeuten oder in einer Fastenklinik durchgeführt werden.

Heilende Wirkung

Heute wird das Fasten therapeutisch bei zahlreichen Krankheiten eingesetzt. Dazu gehören: metabolische Erkrankungen, chronisch-entzündliche Erkrankungen, Krankheiten des Verdauungssystems, kardiovaskuläre Erkrankungen und chronische Schmerzsyndrome. Auch bei der Behandlung und Vorbeugung von Erkrankungen aufgrund von Fehlfunktionen des Immunsystems soll das Heilfasten positiv wirken. Dazu gehören zahlreiche Autoimmunerkrankungen. Bei diesen teilweise sehr schweren Krankheiten richtet sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen und Gewebe.

Die daraus resultierenden Krankheiten zeigen je nach den beteiligten Autoantikörpern und dem betroffenen Gewebe unterschiedliche Symptome, zum Beispiel rheumatoide Arthritis, Typ-I-Diabetes, Colitis ulzerosa und Lupus erythematodes. Fasten kann bei diesen Erkrankungen zu einer Verbesserung der Immunfunktionen und der entzündlichen Aktivität führen, muss hier aber wegen der Gefahr von Fastenkrisen unbedingt unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden.

Prophylaxe für Gesunde

Ab dem vierzigsten Lebensjahr ist eine regelmäßige Fastenkur auch als Prophylaxe für Gesunde zu empfehlen. Während einer Fastenkur werden Risikofaktoren wie erhöhte Cholesterin-, Harnsäure- und Blutfettwerte gesenkt, und der Blutdruck kann sich normalisieren. Welche so genannten "Schlacken" abgebaut werden sollen, ist aus naturwissenschaftlicher Sicht hingegen völlig unklar.

Zum Abnehmen ist das Fasten weniger zu empfehlen: Eine dauerhafte Gewichtsreduktion erreicht nur ein Drittel der Faster, ein Drittel verändert sein Gewicht nicht dauerhaft, und ein weiteres Drittel nimmt nach dem Fasten sogar über das Ausgangsgewicht hinaus zu. Hier kann tatsächlich nur eine dauerhafte Ernährungsumstellung helfen. Bei Tuberkulose, bösartigen Tumoren, Leberzirrhose, Niereninsuffizienz, starker körperlicher Erschöpfung, Schilddrüsenüberfunktion sowie während Schwangerschaft und Stillzeit darf nicht gefastet werden.

Hungern und Fasten

Im Fasten senkt der Körper seinen Energiebedarf und deckt ihn aus seinen Vorräten. Obwohl die Stoffwechselvorgänge beim Hungern und beim Fasten Ähnlichkeiten aufweisen, unterscheiden sie sich darin, dass Hunger meist einen erzwungenen, chronischen Zustand darstellt, während Fasten freiwillig und zeitbegrenzt meist bei ausreichend ernährten Menschen durchgeführt wird.

Außerdem unterscheidet sich der psychische Zustand von Hungernden und Fastenden grundsätzlich: Hunger tritt meistens in Zusammenhang mit Umweltkatastrophen, Kriegen und anderen stressvollen Situationen auf, die per se Angst, Unglück und Leid mit sich bringen. Der psychische Zustand kann nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch den physiologischen Ablauf des Fastens beeinflussen: unter anderem wird der Eiweißkatabolismus und der Verbrauch einiger Mikronährstoffe durch Stress beschleunigt. Beim Fasten kann dagegen durch den Neurotransmitter Serotonin ein Stimmungshoch hervorgerufen werden.

Verschiedene Methoden

Vor allem zwei Methoden werden eingesetzt: das Heilfasten nach Buchinger und das modifizierte Fasten nach F. X. Mayr. Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Methoden, unter anderem die Schroth-Kur. Dr. F. X. Mayr, ein österreichischer Arzt, entwickelte eine aus drei Stufen bestehende "Darmsanierungskur": Die erste Stufe besteht aus einem Tee-Wasser-Fasten, die zweite aus einer Milch-Semmel-Diät und die dritte aus einer "milden Ableitungsdiät". Charakteristisch für die F.X.-Mayr-Therapie ist die spezifische Diagnostik von Magen-Darm-Störungen sowie die ärztliche manuelle Bauchbehandlung.

Heilfasten nach Buchinger

Der Arzt Dr. Otto Buchinger (1878-1966) entwickelte ein multidisziplinäres Konzept für eine ärztlich betreute, stationäre Fastentherapie, in der Physio-, Bewegungs- und Ernährungstherapie mit einem gesundheitspädagogischen Programm verbunden sind. Das Heilfasten nach Buchinger wird durch Gemüsebrühe, Obst- oder Gemüsesäfte und Honig sowie reichlich Tees und Wasser modifiziert. Der Zusatz von Buttermilch ermöglicht längere Fastenzeiten. Das Optimum des therapeutischen Buchinger-Fastens liegt zwischen zwei und vier Wochen. Die sinnvolle Mindestdauer einer Fastentherapie beträgt acht bis zehn Tage plus ein Entlastungstag vorher und drei Aufbautage danach.

Kein Hungergefühl während des Fastens

Am Tag vor dem Fastenbeginn sollte bereits kalorienarm gegessen sowie keine Genussmittel (Kaffee, Alkohol, Nikotin) mehr konsumiert werden. Die ersten ein bis drei Fastentage bezeichnet man als Hungerphase. Hier werden Energiereserven im Körper wie Traubenzucker und Glycogen verbrannt. Dazu werden vermehrt Stresshormone ausgeschieden und das sympathische Nervensystem aktiviert. Wenn nach etwa drei Tagen am so genannten Umstellungstag die Kohlenhydrat-Reserven aufgebraucht sind, sinkt der Blutzuckerspiegel. Der Fastende fühlt sich dann etwas schwach. Dem kann aber schnell durch einen Tee mit einem Löffel Honig abgeholfen werden.

Die nun beginnende Plateauphase steht unter parasympathischer Kontrolle. Jetzt werden Fettvorräte abgebaut. Da Fettsäuren anstelle von Glucose verbrannt werden, kommt es zu einer sauren Stoffwechsellage, die durch Gemüsesuppen oder Brühe und alkalisierende Mineralpräparate (wie Basica) gemildert werden kann. Der Blutzucker im Serum bleibt weitgehend konstant, kann aber bei stärkeren körperlichen Anstrengungen absinken. Sportliche Höchstleistungen sollten daher während des Fastens vermieden werden.

Abführen ist notwendig

Zu Beginn des Fastens sollte abgeführt werden, um die Eigenperistaltik des Darmes zu reduzieren. Außerdem wird fortlaufend Galle im Verdauungstrakt sezerniert. Wird diese nicht ausgeschieden, kann sie rückresorbiert werden und Befindlichkeitsstörungen auslösen. Auch Magen- und Darmschleimhautzellen schilfern fortgesetzt ab und sollten ebenfalls gemeinsam mit den abgestorbenen Darmbakterien ausgeschieden werden.

In der Regel werden am Morgen des ersten Fastentages 30 bis 40 g Glaubersalz (Natriumsulfat) in 0,5 bis 0,75 l Wasser aufgelöst und innerhalb von 20 Minuten getrunken. Rund 30 Minuten nach dem Trinken der Glaubersalzlösung wird 0,5 bis 1 l Wasser oder Tee nachgetrunken, damit genügend Flüssigkeit zur Verfügung steht, um das nicht resorbierbare Glaubersalz im Darmlumen zu verdünnen und so durch erhöhten Druck gegen die Dickdarmwände die Peristaltik anzuregen und damit die Darmentleerung auszulösen.

Beim Fasten werden Abführmaßnahmen in der Regel jeden zweiten Tag durchgeführt, üblicherweise mit einem Einlauf mit körperwarmem Wasser, gegebenenfalls mit Kamillenzusatz. Alternativ kann auch mit 1 bis 2 Teelöffeln Bittersalz (Magnesiumsulfat) in 0,25 Liter Wasser abgeführt werden oder mit einer Colon-Hydro-Therapie. Die Lebertätigkeit wird durch tägliche Leberwickel (z. B. heiße Wärmflasche im feuchten Leinentuch), üblicherweise während der Mittagsruhe über etwa 30 Minuten gefördert.

Zufuhr von Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen

Während des Fastens wird auch das Eiweiß der Muskulatur angegriffen, was unterschiedlich beurteilt wird: Während Kritiker des Fastens vor dem Eiweißabbau warnen, weisen Befürworter darauf hin, dass ausreichende körperliche Aktivität diesen Abbau verhindern kann und die körperliche Leistungsfähigkeit sogar steigt. Eine grundsätzliche Eiweiß-Supplementierung während des Fastens ist nicht notwendig. In Einzelfällen kann eine Eiweißzufuhr mit naturbelassenen Produkten (Buttermilch, Joghurt, sonstigen Milchprodukten bzw. Mandel- oder Sojamilch) sinnvoll sein.

Für eine Fastendauer von 2 bis 4 Wochen ist bei Menschen mit ausgewogenem Ernährungsstatus eine zusätzliche Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen nicht unbedingt notwendig. Viele Menschen haben jedoch einen erhöhten Vitamin- und Mineralstoffbedarf. Bei chronisch Kranken werden Mikronährstoffe supplementiert, außerdem naturbelassene essentielle Fettsäuren der Form cis-cis (kaltgepresstes Sonnenblumen-/Leinöl).

Fastenende und "Aufbauzeit"

Das so genannte Fastenbrechen geschieht am letzten Fastentag. In der Regel wird mittags ein gut reifer Apfel langsam und lange kauend gegessen oder Apfelkompott. Am Abend gibt es eine Kartoffelsuppe. Als Aufbaukost eignet sich eine leichte, ovo-lacto-vegetarische Kost, faserstoffreich (Vollgetreide, Backpflaumen, gegebenenfalls Leinsamen) nach individueller Verträglichkeit, mehr ungesättigte Fette (kaltgepresste Pflanzenöle), wenig gesättigte Fette. Nach der Fastentherapie und dem Kostaufbau sollte eine fettmodifizierte und frischkostbetonte Vollwerternährung angestrebt werden.

Die Fähigkeit, sich jahreszeitlich bedingten Schwankungen im Nahrungsangebot durch Depotbildung und deren Mobilisierung anzupassen, war über Jahrhunderte hinweg Bedingung für das menschliche Überleben. Erst der moderne Mensch in den reichen Industrieländern muss nicht mehr regelmäßig hungern. Mit dem Heilfasten kehrt er gewissermaßen in diesen saisonal bedingten Urzustand zurück. Mit kompetenter medizinischer Betreuung kann Heilfasten Krankheiten vorbeugen oder eine Heilung unterstützen. 

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