Aus Kammern und Verbänden

Gut beraten?

Die Zukunft der öffentlichen Apotheke hängt maßgeblich von der gebotenen Beratungsqualität ab. Apotheker müssen ihre Kompetenz als Arzneimittelexperten unter Beweis stellen und durch patientenorientierte Beratung Arzneimitteltherapiesicherheit gewährleisten. Doch wie sieht gute Beratung in der Apotheke aus – und wie kann man sie sichern und überprüfen? Über diese Fragen referierten und diskutierten auf dem Herbstseminar des Vereins Demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP) am 29. Oktober Vertreter aus Apothekerkammer, Apothekenaufsicht, Verbraucherschutz und Offizin.

Wie erreicht man gute Beratungsqualität?

Fortbildung wirkt – dies war die Grundaussage von Gabriele Overwiening, Präsidentin der Kammer Westfalen-Lippe; die Steigerung der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen sei entscheidend für die Verbesserung der Beratungsqualität. So hat die Kammer Westfalen-Lippe das E‑Learning-Angebot erweitert und ein Fortbildungsjournal mit anschließender Lernerfolgskontrolle entwickelt, um eine flächendeckende Verbesserung der Beratungsqualität zu erreichen.

In der Tat deuten Untersuchungen der Kammer auf einen Zusammenhang zwischen Testkaufnote und Fortbildungszertifikatquote hin. Weiterhin zeigten die Ergebnisse, dass die Mitarbeiterstruktur ebenfalls einen Effekt auf das Abschneiden bei der Überprüfung der Beratungsqualität hat. Overwiening betonte, dass eine erfolgreiche Qualitätsoffensive maßgeblich davon abhängt, dass die Kammer die Alltagsnöte der öffentlichen Apotheken wie die Belastungen durch die Rabattverträge und das AMNOG berücksichtigt.

Neues Konzept zur Prüfung der Beratungsqualität

Ein neues Konzept zur Überprüfung der Beratungsqualität wurde von der Apothekenaufsicht Berlin in Kooperation mit der dortigen Kammer entwickelt und durchgeführt. Statt eines Pseudo-Customer-Konzepts oder einer Beratungsgespräch-Simulation, so berichtete Katja Lorenz, wurden jeder untersuchten Apotheke fünf Fragen verschiedenen Schwierigkeitsgrades gestellt. Zur Beantwortung durften Literatur, Datenbanken und Kollegen in der Apotheke zu Rate gezogen werden. Die Ergebnisse zeigten, dass – trotz der erlaubten Recherchehilfen – im Schnitt nur 58% der möglichen Punktzahl erreicht wurden. Als mögliche Erklärungen nannte Lorenz veraltete Fachliteratur und Mängel bei den Datenbanken bzw. beim Umgang mit ihnen.

Ein wichtiges Fazit, so Lorenz, sei daher, dass bei zukünftigen Regelbesichtigungen auch das Vorhandensein von aktueller Fachliteratur sowie die Anwendungsfähigkeit von Datenbanken überprüft werden müssen.

Dialog mit dem Patienten statt Paternalismus

Die Erhebung von Beratungsqualität fokussiert meist auf den Wahrheitsgehalt und die Vollständigkeit der durch den Apotheker vermittelten Informationen. Christoph Kranich, Leiter der Fachabteilung Gesundheit und Patientenschutz in der Verbraucherzentrale Hamburg, regte an, das Verhältnis zwischen Apotheker und Patient in den Fokus zu rücken und zu reflektieren, da dieses eine wichtige Rolle für das erfolgreiche Verständnis und die Umsetzung der erhaltenen Informationen spielt. Wenig patientenorientierte – aber immer noch häufig angewendete – Beziehungsformen seien der benevolente Paternalismus (Patient als Objekt), das Business-Modell (Patient als Verbraucher) und der "informed consent" (Patient als Kunde). Als besonders an den Bedürfnissen des Patienten ausgerichtet, stellte Kranich das Konzept des "shared decision making" als partnerschaftlichen Entscheidungsprozess zwischen Apotheker und Patient vor. Außerdem sei es wichtig, zu beachten, welche Kompetenzen der Patient im Umgang mit seiner Krankheit und Arzneimitteln mitbringt.

In der späteren Podiumsdiskussion wurde betont, dass sich eine gemeinsame Entscheidungsfindung in der Apotheke nur im Bereich der Selbstmedikation vollständig umsetzen lässt.

Kollegiale Selbstkontrolle in der Offizin

Wie kann all dies im Apothekenalltag umgesetzt werden – und welche konkreten Hürden gibt es dort, die einer patientenorientierten Beratung im Wege stehen? Diesen Fragen ging Monika Gerth, Offizinapothekerin in der kollektiv geführten Hamburger Neptun-Apotheke, nach. In der Apotheke wurden zahlreiche Maßnahmen eingeführt, um den Patienten eine möglichst gute Beratung zu bieten. Dazu zählen die als Arbeitszeit bezahlten Betriebsbesprechungen, in denen auch interne Fortbildungen durchgeführt werden. Der Besuch weiterer Fortbildungen wird durch eine Beteiligung an den Kosten sowie kleine Bonuszahlungen unterstützt.

Als aktuelle Maßnahme zur Verbesserung der Beratung stellte Gerth die Einführung einer kollegialen Selbstkontrolle vor, bei der eine Mitarbeiterin jeweils eine Woche lang ihre Kolleginnen während der Beratungsgespräche beobachtet, die Verläufe anhand einer Kriterienliste dokumentiert und später die Beobachtungen mit den Kolleginnen auswertet. Von den Patienten gab es viele positive Rückmeldungen, während die Ergebnisse der Kammer-Testkäufe durchwachsen waren; dies wirft die Fragen auf, inwiefern diese Testkäufe als Momentaufnahme geeignet sind, die Beratungsqualität nachzuweisen, und ob sie als Ansporn zur stetigen Verbesserung dienen können.

Honorar allein für die Beratung?

Während der anschließenden Podiumsdiskussion wurde ein Beratungshonorar kontrovers diskutiert. Obwohl von vielen eingefordert, gaben skeptische Publikumsstimmen zu bedenken, dass ein qualitätsunabhängiges Honorar ohne weitere Maßnahmen in vielen Fällen nicht automatisch zu einer Verbesserung der Beratungsqualität führe. Antonie Marqwardt, die als Vertreterin der Apothekerkammer Hamburg an der Podiumsdiskussion teilnahm, verwies auf die Nützlichkeit von Qualitätszirkeln, um die Beratungsqualität zu verbessern.

Auch an der Forderung nach obligatorischen Fortbildungen, die von Ingeborg Simon eingebracht wurde, entzündete sich eine lebhafte Debatte. Marqwardt plädierte für eine Evaluierung der Fortbildungsverpflichtung bei den Ärzten, bevor dies für die Apotheker eingeführt wird.

Kranich betonte, dass bei allen Überlegungen immer die Patientenbedürfnisse im Mittelpunkt stehen müssen: "Es gehört unbedingt zu Ihrer Aufgabe auch einmal "nein" zu sagen! Wenn sie das nicht dürfen oder können und die Politik keine Anreize dafür setzt, ist das wirklich ein Problem und steht guter Beratung grundsätzlich im Weg." In der Zusammenfassung wurde die Wichtigkeit der Unabhängigkeit der Beratung in der Apotheke betont sowie die Qualitätskontrollen in der Beratung durch Kammern und Aufsichtsbehörden begrüßt.


Anne Paschke, Thomas Schulz



DAZ 2011, Nr. 45, S. 100

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