Aus Kammern und Verbänden

AK Hamburg: Freiberufler zwischen Wettbewerb und Selbstkontrolle

Dietrich Wersich, Staatsrat in der Hamburger Behörde für Wissenschaft und Gesundheit, hielt in der Hamburger Kammerversammlung am 14. Juni eine Rede zur allgemeinen Gesundheitspolitik, in denen er den Apothekern Mut machte, sich durch ihr Know-how sowohl fachlich als auch ökonomisch zu profilieren. Außerdem ging es bei der Versammlung um das pharmazeutische Institut in der Hansestadt, die künftige Zusammenarbeit der norddeutschen Apothekerkammern, das Qualifizierungsangebot für Apotheker und einen Apothekertagsantrag zum Umgang mit der "Pille danach".

Wersich (CDU), der selbst Allgemeinmediziner ist, betonte die große Bedeutung der freien Berufe: Sie zeichnen sich durch hohe Professionalität, Eigenverantwortung und Verpflichtung auf das Gemeinwohl aus, bieten Freiraum für neue Ideen und üben traditionell eine Selbstkontrolle aus. Er gestand ein, dass es für Apotheker schwierig ist, die Freiberuflichkeit zu bewahren und zugleich auf die Herausforderungen des europäischen Binnenmarktes zu reagieren.

Doch sollten sie den steigenden Wettbewerb annehmen und als Chance verstehen. Dies gelte auch für den begrenzten Mehrbesitz, der den Apotheken wirtschaftliche Vorteile bieten könne. Im Wettbewerb mit Versandapotheken sollten die Präsenzapotheken ihre Vorteile bei der Schnelligkeit und Sicherheit der Lieferung und bei der direkten persönlichen Beratung deutlich machen. Auch gegenüber Ärzten könnten sich die Apotheken als kompetente Dienstleister profilieren.

Neue Hoffnung für die Hamburger Pharmazie

An der Hamburger Universität droht die Schließung des Instituts für Pharmazie. Wie Wersich darlegte, ist es das Ziel der Hamburger Hochschulpolitik, die begrenzten Mittel stärker zu konzentrieren und sich mehr mit anderen norddeutschen Universitäten abzustimmen. Dies könne auch die Pharmazie treffen, zumal für die Zukunft ein geringerer Bedarf an Apothekern erwartet werde. Die Entscheidung liege aber bei der Universität und sei noch nicht gefallen. Derzeit gebe es Pläne der Fakultät und des Universitätspräsidiums, den Pharmaziestudiengang in Hamburg mit verringerter Kapazität weiterzuführen.

In der anschließenden Diskussion machten die Versammlungsteilnehmer deutlich, dass die künftigen Anforderungen an die Arzneimittelversorgung den Bedarf an Apothekern eher erhöhen dürften und die Ausbildung daher nicht vernachlässigt werden sollte.

Hinsichtlich des Versandhandels wurde der unfaire Wettbewerb kritisiert. Kammerpräsident Rainer Töbing verwies auf Veröffentlichungen der Hanseatischen Ersatzkasse (HEK), die von manchen Versicherten (fälschlicherweise) so interpretiert werden, als müssten sie künftig ihre Arzneimittel von Versandapotheken beziehen. Außerdem bedauerte Töbing die neue Kooperation zwischen einer Versandapotheke und der Drogeriemarktkette dm. Die Aufsichtsbehörden seien gefordert, solche Entwicklungen aufmerksam zu beobachten.

Darüber hinaus wurde beklagt, dass das europäische Recht des freien Warenverkehrs und das nationale Sozialrecht nicht aufeinander abgestimmt sind. Nach Einschätzung von Wersich wird die Angleichung des Sozialrechts aber noch lange dauern. Die Apotheken müssten mehr Freiheiten erhalten, um sich dem Wettbewerb stellen zu können.

Wettbewerb als Selbstzweck

Kammerpräsident Töbing beklagte im Bericht des Vorstandes, dass rot-grüne Politiker den Wettbewerb um seiner selbst willen fordern und dabei andere Ziele übersehen. Während bei der BSE-Diskussion "jedes Schnitzel seinen Futtermittellieferanten nennen musste", spiele der Verbraucherschutz bei Arzneimitteln eine völlig untergeordnete Rolle. Durch zunehmenden Wettbewerb könnten 8000 Apotheken vom Markt verschwinden, dann sei die Versorgung in der Fläche nicht mehr gewährleistet.

Über das Gesundheitswesen werde nach Einschätzung von Töbing in keinem Industrieland so kritisch wie in Deutschland diskutiert, doch sei die Versorgungsqualität besser, als vielfach behauptet wird. Das gelte auch für die Apotheken.

Zusammenarbeit der norddeutschen Kammern

Töbing berichtete über die umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit der Kammer und ie Kontakte zu Medien, Politikern, zur Industrie- und Handelskammer und zum Hamburger Apothekerverein. Mit den Kammerpräsidenten aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein habe er über eine wenigstens teilweise Zusammenarbeit gesprochen. Zunächst wollen die drei Kammern einen gemeinsamen E-Mail-Newsletter anbieten. Langfristig sei vielleicht eine gemeinsame Kammer mit drei Geschäftsstellen vorstellbar.

Qualifizierungsangebote der Kammer

Die Vizepräsidentin Antonie Marqwardt gab eine Übersicht über die Qualifizierungsangebote der Apothekerkammer Hamburg. Zuvor wies sie darauf hin, dass das GMG die Ärzte (nicht aber die Apotheker) zur zertifizierten Fortbildung und zur Einführung von Qualitätsmanagementsystemen (QMS) verpflichtet. Die in Hamburg erst vor kurzem eingeführte freiwillige zertifizierte Fortbildung, die mit dem VisiCheck-System dokumentiert wird, werde sehr gut angenommen.

Bis zum Jahresende sei mit einer Beteiligung von 90% der Kammerangehörigen zu rechnen. Nach dem Vorbild der Apothekerkammer Niedersachsen solle auch eine freiwillige zertifizierte Fortbildung für das übrige pharmazeutische Personal konzipiert werden. Die Weiterbildungsangebote werden dagegen noch zu wenig wahrgenommen. Marqwardt appellierte an die Arbeitgeber, von ihren Angestellten die Weiterbildung zu fordern und sie bei der Entlohnung zu berücksichtigen.

Wie Marqwardt weiter ausführte, wird das QMS-Konzept der Kammer Hamburg gut angenommen, bisher seien 85 Apotheken danach zertifiziert. Dagegen haben sich erst etwa ein Prozent der Apotheken für das neue Pseudo-Customer-Projekt der Bundesapothekerkammer angemeldet. Dieses Vorgehen habe sich im Ausland sehr gut bewährt, sei zudem kostengünstig und sollte daher eine weite Verbreitung finden. In einem weiteren Projekt der Kammer soll der Apothekennotdienst effektiver gestaltet werden. Dazu wird derzeit eine Fragebogenaktion durchgeführt, mit der die Arbeit innerhalb der Notdienstgruppen abgestimmt werden soll.

Umgang mit der "Pille danach"

Beim diesjährigen Deutschen Apothekertag in München wird die Apothekerkammer Hamburg einen Antrag zur strukturierten und dokumentierten Abgabe der "Pille danach" einbringen. Darin wird die ABDA zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe aufgefordert, die bis zum Jahresende die nötigen Beratungsinhalte formulieren soll, weil die Freigabe zum 1. Januar 2005 wirksam werden dürfte. Außerdem sollten Schulungsmaßnahmen für das abgebende Personal angeboten werden.

Die Abgabe der "Pille danach" sollte anonym an eine zentrale Stelle gemeldet werden, um mögliche Häufungen erkennen zu können. Der Aufwand solle über eine Pauschalgebühr, analog zu BtM, durch die Patientinnen oder die Krankenversicherung honoriert werden. Die Beratung in der Apotheke dürfe keine moralische Bewertung enthalten, sondern solle allein der sachgerechten Arzneimittelanwendung dienen. Denn das Recht auf selbstbestimmte Reproduktion wurde vom Europäischen Parlament ausdrücklich anerkannt.

Die Apotheker könnten durch eine solche Regelung ihre Verantwortung im Rahmen der präventiven Gesundheitsberatung unterstreichen. Sie sollten ihr Konzept unbedingt vor der Freigabe präsentieren und nicht erst später auf die veränderte Rechtslage reagieren. Übrigens haben die Gynäkologen ihre anfänglichen Bedenken gegen die Freigabe inzwischen ausgeräumt.

Als Delegierte für den Deutschen Apothekertag wählte die Kammerversammlung Petra Kolle, Daniela Haverland, Manuela Jockel, Sebastian Schulz und Ralf K. Wagner. Die nächste Hamburger Kammerversammlung wird am 16. November 2004 stattfinden.

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