Gesundheitspolitik

Kammern testen mehr Apotheken

Mystery Shopping, Pseudo-Customer-Besuche, Rezeptur-Überprüfungen

STUTTGART/HANNOVER/MÜNCHEN (diz/tmb/wes) | Die Apothekerkammern weiten ihre Aktivitäten der Qualitätsüberprüfung in den Apotheken aus. Die Apothekerkammer Niedersachsen will dieses Jahr noch in 50 Apotheken die Beratungsbereitschaft überprüfen, in Bayern wurde bereits in gut der Hälfte der Apotheken die Rezepturherstellung getestet und Baden-Württemberg will nächstes Jahr doppelt so viele Pseudo-Customer-Besuche durchführen wie dieses Jahr.
Foto: AZ/Schelbert
Auf jeden Fall beraten, auch wenn der Kunde einen Präparatewunsch so äußert, als wisse er bestens Bescheid. Die Beratungsbereitschaft wird getestet.

Etwa 50 Apotheken in Niedersachsen werden noch im Dezember Besuch von Testkäufern im Auftrag ihrer Apothekerkammer erhalten. Anfang 2015 werden Tests in weiteren 150 Apotheken folgen. Anders als bei den sonst üblichen Tests der Kammern werden keine fachlich qualifizierten „Pseudo-Customer“, sondern fachunkundige „Mystery-Shopper“ von einer externen Agentur eingesetzt. Es geht also nicht um die eher schwer beurteilbare Beratungsqualität, sondern um die einfach feststellbare Beratungsbereitschaft.

In einem Info-Fax, das die Kammer an alle Apotheken in Niedersachsen geschickt hat, wird die deutliche Regelung der Beratungspflicht in der Apothekenbetriebsordnung als Begründung angeführt. Bedauerlicherweise würden die Apotheken mit ihrer Kernleistung der Arzneimittelberatung immer wieder in negative Schlagzeilen geraten, heißt es darin. Schlechte Beratungsqualität sei eine berufspolitische Flanke für Gegner der Apotheken. Als Institution der Selbstverwaltung gehöre es zu den Aufgaben der Apothekerkammer, die hohe Qualität der pharmazeutischen Leistung durch Angebote der Fortbildung und Qualitätssicherung sowie durch Überprüfungen zu gewährleisten. Ein vor einigen Monaten durchgeführter Pre-Test habe leider ein enttäuschendes Ergebnis erbracht.

Einfaches Angebot gefragt

Auch von Tests anderer Apothekerkammern ist immer wieder zu hören, dass das Apothekenpersonal klar geäußerte Präparatewünsche nicht immer hinterfragt, weil in diesen Fällen unterstellt wird, der Kunde sei gut informiert und eine Beratung daher überflüssig. Die Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Beratung in der Selbstmedikation sieht aber keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Beratungsszenarien mit und ohne Präparatewunsch vor, sondern fordert stets zu hinterfragen, ob die Wahl des Arzneimittels für den jeweiligen Verwender zumindest plausibel erscheint. Darum sollen in Niedersachsen nun Testkäufer prüfen, ob nach einem Präparatewunsch aktiv eine Beratung angeboten und die entscheidenden Fragen gestellt werden, also beispielsweise für wen das Arzneimittel bestimmt ist.

Ob nach den ersten 200 Tests auch die übrigen Apotheken in Niedersachsen besucht werden, soll erst später entschieden werden. In ihrem Info-Fax betont die Kammer, es gehe nicht darum, die Apotheken weiter zu belasten, sondern sie zu unterstützen.

Linz sieht positive Resonanz

Gegenüber der AZ berichtete Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, sie habe „überwiegend positive Rückmeldungen“ auf die Ankündigung erhalten. „Ich bin stolz auf meine Niedersachsen“, so Linz. Ihre wichtigste Forderung für die Beratung ist: „Ein Satz geht immer“ – und darum gehe es bei den angekündigten Tests. Linz betonte, dass nicht die Beratungsqualität, sondern allein die Beratungsbereitschaft der Apotheken geprüft werde. Es sei eine aktive Ansprache der Kunden gefragt, so Linz. Daher rückt Linz auch nicht mögliche Sanktionen für schlechte Ergebnisse in den Vordergrund – darüber sei noch gar nichts beschlossen. Vielmehr erklärte sie: „Wir wollen sensibilisieren.“ Mit Blick auf die schlechten Erfahrungen mancher Apotheker mit anderen Tests sicherte Linz eine faire Vorgehensweise zu: „Wir tricksen nicht.“ Linz betrachtet die Sicherung der Beratungsqualität als Zukunftssicherung für alle Apotheker. Doch letztlich gehe es um die Patienten. „Die Patienten sollen zu Recht Vertrauen haben, dass die Qualität anständig ist“, so Linz gegenüber der AZ.

Baden-Württemberg verdoppelt Tests

Auch für die Landesapothekerkammer (LAK) Baden-Württemberg ist die Verbesserung der Beratungsqualität ein zentrales Anliegen. Daher hat der Vorstand der Kammer beschlossen, die Anzahl der Pseudo-Customer-Besuche in Apotheken im nächsten Jahr zu verdoppeln. Wie Dr. Günther Hanke, Präsident der LAK Baden-Württemberg, auf der Vertreterversammlung am vergangenen Mittwoch verkündete, sollen im kommenden Jahr 400 Pseudo-Customer-Besuche in baden-württembergischen Apotheken durchgeführt werden. Damit werden die unangemeldeten Tests zur Überprüfung der Beratungsqualität im Vergleich zu diesem Jahr verdoppelt.

Ziel der Tests ist es, die Beratungsqualität weiter zu verbessern und bei festgestellten Beratungsmängeln und Schwachstellen in der Beratung intensiv nachzuhaken. Nicht zuletzt zeigten auch Fernsehsendungen wie der jüngste Beitrag des NDR „Die Tricks der Ärzte und Apotheker“, dass es bei der Beratung in Apotheken noch Verbesserungsbedarf gebe.

Wie die in den vergangenen Jahren durchgeführten Testkäufe in den Apotheken gezeigt hätten, sei jedoch die Bereitschaft zur Beratung gewachsen, wie Hanke berichtete, und „PKA im Handverkauf wurden seltener erwischt“. Mehr Beratung sei notwendig, „wir müssen weg vom Schächtelesverkäufer“, so Hankes Credo.

Bayern testet Rezepturqualität

Die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) hat einen anderen Schwerpunkt gewählt, sie überprüft aktuell die Qualität der Rezepturherstellung. Bereits gut die Hälfte der 3300 bayrischen Apotheken seien getestet worden, berichtete BLAK-Präsident Thomas Benkert auf der Delegiertenversammlung seiner Kammer am letzten Dienstag. Die Rezepturen von 1164 der überprüften 1528 Apotheken entsprachen dabei den Vorgaben, 264 Apotheken waren „durchgefallen“. Für Empörung unter den Delegierten und beim Vorstand sorgte, dass 100 Apotheken die Herstellung der Rezeptur verweigert hatten. „Das kann nicht sein“, sagte Benkert und kündigte Konsequenzen für die Verweigerer an.

Beim allergrößten Teil der „durchgefallenen“ Rezepturen (206 von 264) stimmte die Einwaage des Wirkstoffs nicht, bei 29 der untersuchten Rezepturen war die Wirkstoffverteilung in der Grundlage das Problem. 25 Apotheken „rissen“ die Toleranz bei Einwaage und Verteilung, eine Apotheke hatte den falschen Wirkstoff, drei die falsche Grundlage verarbeitet.

Der Geschäftsführer Pharmazie der BLAK, Dr. Volker Schmitt, berichtete, dass in vielen Fällen, in denen die Rezeptur durchgefallen war, die Herstellungsanweisung in der Apotheke nicht präzise genug formuliert sei. Neben der Verwendung einer ungeeigneten Waage sei dies der Hauptgrund für Beanstandungen gewesen.

Welche Rezepturen überprüft wurden und wie groß die Toleranzen bei der Untersuchung waren, wollte die BLAK auf Anfrage der AZ nicht verraten: Man habe erst die Hälfte der Apotheken überprüft, wenn nun bekannt werde, welche Rezepturen verwendet werden, könne dies das Ergebnis verfälschen. 

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