Feuilleton

Die Farnwälder Neuseelands

Neuseeland ist ein Land mit einer beeindruckenden Vegetation. Es trennte sich vor etwa 90 Millionen Jahren vom Urkontinent Gondwana, und so hat sich in der Abgeschiedenheit des Pazifischen Ozeans eine Pflanzenwelt erhalten, die einzigartig auf der Welt ist. Vier Fünftel der Pflanzenarten und fast 90% der Insekten sind endemisch. Auffällig sind die vielen Farne, Bärlappgewächse, Moose und Flechten, die in der Vegetation der Kontinente großenteils von den evolutionsgeschichtlich jüngeren Samenpflanzen verdrängt worden sind.
Fotos: Heuer
Abb. 1: Nierenfarn Trichomanes reniforme. Die dekorativen Blätter können zwischen den Zellschichten Wasser speichern.

Auf einer überschaubaren Fläche – Neuseeland ist nur etwas größer als Großbritannien – sind die unterschiedlichsten Landschaftsformen zu finden. Die Nordinsel besteht aus vulkanischem Gebirge, hügeligem Grasland, mächtigen Sanddünen und vielen kleineren Inseln.

Auf der Südinsel erstrecken sich in Nord-Süd-Richtung die Neuseeländischen Alpen mit dem Mount Cook (3764 m) als höchster Erhebung. Ganz im Südwesten, im Fjordland, findet man tief eingeschnittene Landzungen und im Südosten weites, fruchtbares Flachland.

Die Niederschlagsmengen sind unterschiedlich verteilt; an der Westflanke der Alpen können jährlich unglaubliche Mengen von über 5000 mm Niederschlag bei fast täglichem Regen fallen, östlich davon ist es trocken mit weniger als 400 mm Niederschlag. Dementsprechend abwechslungsreich ist die Vegetation. Subtropischer Regenwald, immergrüner Bergwald, Grasland, alpine und typische küstennahe Vegetation liegen relativ dicht beieinander.

Abb. 2: Farne, Moose, Flechten prägen die Vegetation der meisten Wälder.

In fast allen Landesteilen beeindruckt die Vielfalt und vor allem die Menge der Farngewächse. Knapp die Hälfte der insgesamt fast 200 Arten ist endemisch. Ihr Spektrum reicht von zarten, durchsichtig wirkenden Zwergpflanzen bis zu imposanten, fast 20 Meter hohen Baumfarnen. Farne sind in allen Vegetationszonen anzutreffen. In den Alpen gedeihen der Rippenfarn Blechnum montanum und der Blasenfarn Cystopteris tasmanica. Auf der Nordinsel und auf der Westseite der Südinsel wächst der wunderschöne, nicht unbedingt sofort als Farn zu erkennende Nierenfarn Trichomanes reniforme (Abb. 1), der nur in Neuseeland vorkommt und sich durch eine Frühform von Sukkulenz auszeichnet. Die Wedel bestehen aus einigen Zellschichten übereinander, in denen sie Wasser speichern können. Sie bevorzugen zwar feuchte Standorte, können dadurch aber auch trockene Perioden überstehen. Der Streifenfarn Asplenium bulbiferum hingegen bildet Klone am Blatt, sogenannte Brutknospen, die unter geeigneten Bedingungen dort Wurzeln schlagen, wo sie hinfallen. Der "Pellefarn" Pellaea rotundifolia ist in Deutschland eine beliebte Zimmerpflanze; er enthält ein als Fraßgift wirkendes "pflanzliches Insektenhormon" (Phytoecdyson).

Abb. 3: Baumfarn Cyathea smithii Das Mark des Stammes wurde von den Maori gekocht und gegessen.

Am eindrucksvollsten sind die Baumfarne, die auf beiden Inseln in bis zu 1000 Metern Höhe sehr häufig vorkommen und oft landschaftsprägend sind (Abb. 5). Der Stamm mancher Arten (z. B. Dicksonia squarrosa) verrottet nur langsam und findet daher als Zaun Verwendung. Das Mark hingegen vergeht schnell (Abb. 7) und ist bei manchen Baumfarnen essbar (Cyathea spp., Abb. 3 und 4).

Fossilien – z. B. in der Stein- und Braunkohle – zeigen, dass früher auch in Mitteleuropa Baumfarne wuchsen, als hier ein tropisches bis subtropisches Klima herrschte. Generell tolerieren Baumfarne keine andauernde Trockenheit, und nur wenige Arten, wie zum Beispiel Dicksonia antarctica, überleben milde Frostperioden.

Farne waren schon für die ersten Bewohner Neuseelands als Werkstoffe von Bedeutung; von den Maori wurden sie auch volksmedizinisch verwendet. So wurde der Aufguss vom Rhizom der Streifenfarne Asplenium bulbiferum und A. obtusatum bei Hautproblemen und Augenentzündungen angewendet, der Saft des schwarzen Baumfarns Cyathea medullaris (Abb. 4) gegen Würmer und Durchfall, und der Rippenfarn Blechnum fluviatile wurde bei Mundentzündungen gekaut. Blechnum filiforme enthält β‑Sitosterol, das auch in einigen Pflanzenölen vorkommt und wegen seiner leichten Cholesterol-senkenden Wirkung einigen diätetischen Lebensmitteln zugesetzt wird.

Abb. 4: Baumfarn Cyathea medullaris Der Saft wirkt anthelminthisch und antidiarrhoisch.

Etwa ein Drittel der Fläche Neuseelands steht unter Naturschutz, zu großen Teilen als Nationalparks, in denen es meist ein gut ausgebautes Netz von Wanderwegen gibt (Abb. 1). Wer auf der Coromandel-Halbinsel, im Abel-Tasman-Nationalpark oder an der Westküste der Südinsel durch einen Farnwald wandert, fühlt sich in eine märchenhafte Wunderwelt oder in die Vegetation früherer Erdepochen versetzt (Abb. 8). Die bestens in Stand gehaltenen Wanderwege – auch in der tiefsten Wildnis – sind gut ausgeschildert und werden von Hinweistafeln gesäumt, die Besonderheiten der Vegetation und der Geologie erklären. In ausreichenden Abständen findet man saubere sanitäre Anlagen am Wegesrand, und für mehrtägige Wanderungen stehen gemütliche Hütten zum Übernachten zur Verfügung. Neuseeland ist damit für Natur- und Wanderfreunde ein Paradies.


Abb. 5: Baumfarne können bis 20 m hoch werden. Hier stehen sie an einer Steilküste im Abel-Tasman-Nationalpark.
Abb. 6: Regenschirmfarn Sticherus cunninghamii – ein Beispiel für die Schönheit und Vielfalt der Farne.
Abb. 7: Querschnitt eines ehemaligen Baumfarns – das Mark ist schnell vergänglich und bei einigen Arten essbar.
Abb. 8: Märchenwald bei Haast (Südinsel).

Literatur

[1] Crowe A. A Mini Guide to the Identification of New Zealand Native Ferns. Penguin Natural History, 2007.

[2] Metcalf L. A Photographic Guide to Alpine Plants of New Zealand. New Holland Publishers, Auckland 2006.

[3] Stanley G, et al. Economic Native Plants of New Zealand. Economic Botany 1989;43(1):79 – 106.

[4] Dinan L, Lafont R. Compilation of the Literature Reports for the Screening of Vascular Plants, Algae, Fungi and non-Arthropod Invertebrates for the Presence of Ecdysteroids, Version 2: Date of last update: 15/10/07.

[5] Cambie RC, Parnell JC. A New Zealand Phytochemical Survey: Part 8. Constituents of Some New Zealand plants. New Zealand J Sci 1970;13: 108 – 16.

[6] The Extra Pharmacopoeia. 27th ed. The Pharmaceutical Press, London.

[7] www.terrain.net.nz > friends of Te Henui > ferns.


Autorin

Apothekerin Heike Heuer Am Krausberg 31, 41542 Dormagen



DAZ 2011, Nr. 32, S. 60

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