Arzneimittel und Therapie

Verkehrsteilnahme ist ein wichtiger Risikofaktor

Belgische Epidemiologen werteten 36 Studien aus um herauszufinden, welche der bekannten Herzinfarkt-Risikofaktoren die größte Bedeutung haben. Sie stellten fest, dass Kokainkonsum zwar für den Einzelnen das größte Risiko darstellt, bezogen auf die Gesamtbevölkerung ist jedoch der Risikofaktor Straßenverkehr der Spitzenreiter.

Zu den bekannten und gut untersuchten individuellen Risikofaktoren für einen Herzinfarkt zählen beispielsweise Rauchen, Bewegungsmangel und Drogenkonsum sowie verschiedene Erkrankungen wie z. B. Diabetes oder Hypertonie. Belgische Epidemiologen wählten in einer kürzlich veröffentlichten Lancet-Studie einen anderen Ansatz: Zusätzlich zum relativen Risiko (Odds Ratio, OR) untersuchten sie für jeden Trigger den bevölkerungsbezogenen Anteil (population attributable fraction, PAF). Der PAF repräsentierte in der Studie den Prozentsatz an nicht tödlichen Herzattacken, die in der Bevölkerung vermeidbar wären, wenn der entsprechende Auslöser eliminiert werden könnte.

36 Studien analysiert

Die Forscher recherchierten in den Datenbanken PubMed und Web of Science im Zeitraum Januar 1960 bis Januar 2010 und fanden 36 auswertbare Studien. 13 Herzinfarkt-Risikofaktoren wurden in die Analyse einbezogen, und zwar: Alkohol-, Kokain-, Marihuana- und Kaffeekonsum, Ärger, positive Gefühle, negative Emotionen (darunter auch Stress am Arbeitsplatz), sexuelle Aktivität (Häufigkeit), Atemwegsinfektionen (z. B. Pneumonie, akute Bronchitis, Influenza), Teilnahme am Straßenverkehr, Luftverschmutzung, üppige Mahlzeiten und körperliche Überanstrengung. Der Zeitraum, in dem diese Risikofaktoren "wirkten", lag zwischen einer Stunde (z. B. für Kaffee- oder Kokainkonsum, Teilnahme am Straßenverkehr, sexuelle Aktivität) und zehn Tagen (z. B. Atemwegsinfektion) vor dem nicht tödlichen Herzinfarkt.

Straßenverkehr ist größter Risikofaktor

Der größte Risikofaktor für eine Herzattacke war mit einem PAF von 7,4% die Teilnahme am Straßenverkehr, sei es durch Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder das Führen eines PKWs, Motorrads oder Fahrrads. Danach folgten körperliche Überanstrengung (6,2%), Alkohol-und Kaffeekonsum (je 5,0%) und Luftverschmutzung (4,8%). Auch negative Emotionen (3,9%) und Ärger (3,1%) zählen zu den bedeutsameren Risikofaktoren, jedoch ebenso üppige Mahlzeiten (2,7%), positive Gefühle (2,4%) und sexuelle Aktivität (2,2%). Geringere PAF-Werte wurden für die übrigen Trigger Kokain (0,9%), Marihuana-Konsum (0,8%) und Atemwegsinfektionen (0,6%) ermittelt. Bei den individuellen Risiken stach insbesondere der Wert für den Kokainkonsum heraus: Kokain verstärkte das Risiko für einen Herzinfarkt um das 24-Fache (OR 23,7, 95% KI 8,1 – 66,3), Alkoholkonsum und Luftverschmutzung dagegen nur um das 3-Fache (OR 3,1 bzw. 2,9). Diese Differenzen kommen dadurch zustande, dass nur ein kleiner Anteil der Bevölkerung Kokain konsumiert, während unter Luftverschmutzung die gesamte Bevölkerung zu leiden hat.

Grenzen der Studie

Im Diskussionsteil der Studie beziehen die Autoren ausführlich zu deren Grenzen Stellung. So hatte man beispielsweise für einige Risikofaktoren (z. B. Alkohol- und Kokainkonsum) nur eine auswertbare Studie, für andere drei (z. B. sexuelle Aktivität) oder mehr (z. B. körperliche Überanstrengung) in die Analysen einbeziehen können. Einige wichtige Trigger wie das Passivrauchen konnten in der Studie überhaupt nicht untersucht werden, obwohl er nach Ansicht der Autoren sehr bedeutsam ist. Vermutlich wäre der Wert mit dem der Luftverschmutzung im Freien vergleichbar, zumal es Hinweise darauf gibt, dass ein Rauchverbot an öffentlichen Orten die Herzinfarkt-Rate um 17 Prozent senken könnte. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden Wechselwirkungen zwischen Risikofaktoren, die jedoch durchaus von Bedeutung sein könnte, wie z. B. die Interaktion zwischen Stress, körperlicher Aktivität und Luftverschmutzung.

Zwei Kommentatoren der Studie verweisen zudem darauf, dass einige Trigger schwierig abzugrenzen sind. So setzt sich beispielsweise der Risikofaktor Straßenverkehr eigentlich aus den drei Faktoren Luftverschmutzung, Lärm und fahrbedingtem Stress zusammen.

Weiterhin merkten sie an, dass von den 13 betrachteten Risikofaktoren nur sechs in mehreren Studien untersucht wurden, sodass weitere Untersuchungen nötig wären, um diese noch genauer charakterisieren zu können. Das große Verdienst der Studie ist ihrer Ansicht nach, dass sie davor warnt, vermeintlich moderate oder schwache Risikofaktoren, die in der Bevölkerung häufig auftreten, bei der Beurteilung des Herzinfarkt-Risikos zu übersehen.


Quelle

Nawrot, T. S.; et al.: Public health importance of triggers of myocardial infarction: a comparative risk assessment. Lancet (2011) 377: 732 – 740.

Baccarelli, A.; Benjamin, E. J.: Triggers of MI for the individual and the community. Lancet (2011) 377: 694 – 696.


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn



DAZ 2011, Nr. 23, S. 38

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