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Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern: An welchen Arzneimitteln werden Ärzt

ROSTOCK (tmb). Drei Themen standen auf dem Programm des Wirtschaftsseminars des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern am 19. September 2001 in Rostock: die derzeitige wirtschaftliche Lage der Apotheken im nordöstlichsten Bundesland (siehe Bericht auf Seite 35), das Internet-Angebot aponet.de der ABDA und die künftige Entwicklung der GKV-Verordnungen. Hierbei ging es insbesondere um die Auswirkungen der Zielvereinbarung zur Senkung der GKV-Arzneimittelausgaben für Mecklenburg-Vorpommern. Doch ergaben sich daraus auch grundsätzliche Probleme von Sparmaßnahmen im Arzneimittelbereich, die weit über das Bundesland hinaus Bedeutung haben (siehe auch Bericht in AZ 39).

Wohl nicht zuletzt angesichts der Aktualität dieser Thematik konnte Heiner Sellmann, stellvertretender Vorsitzender des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, zu der Veranstaltung etwa 100 Teilnehmer und damit mehr als ein Viertel der Mitglieder begrüßen. Den Hintergrund der Vorträge zur Steuerung der Arzneimittelversorgung bildet die am 1. August auf Landesebene abgeschlossene Zielvereinbarung, in der die Ärzte eine deutliche Absenkung der Arzneimittelausgaben in Aussicht stellen. Gegenüber den erwarteten 1052 Mio. DM Ausgaben für 2001 sollen 100 Mio. DM eingespart werden, was jedoch am Rande des Wirtschaftsseminars als kaum mehr realistisch eingestuft wurde.

Aus der Sicht des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Mecklenburg-Vorpommern stellte Dr. Jochen Seidel die Einsparmöglichkeiten bei Arzneiverordnungen dar. Es würden noch immer zu viele Arzneimittel verordnet, die nur begrenzt, d. h. nur bei bestimmten Indikationen erstattungsfähig sind. Dies betreffe insbesondere Verdauungsenzyme, durchblutungsfördernde Mittel und Mukolytika.

Noch mehr sparen mit Generika

Bei Generikaverordnungen bestehe in Mecklenburg-Vorpommern ein theoretisches Einsparpotenzial von 70 Mio. DM bei Verordnung des jeweils billigsten Generikums. Hiervon sollten 20 bis 30% kurzfristig realisierbar sein. Es sollten nicht alle Patienten mit bewährter Medikation umgestellt werden. Doch sollte dies bei "problembewussten" Patienten geschehen. Außerdem sollte dies bei Neueinstellungen bedacht werden, dies sei "ja nur ein administrativer Akt". Die provozierende Zusammenfassung "gleicher Wirkstoff, gleiche Darreichungsform, gleiche Galenik" löste eine lebhafte Diskussion über Arzneistoffe mit Bioverfügbarkeitsproblemen aus.

"Me too" als Kostentreiber

Mindestens ebenso kontrovers wurde über Me-too-Arzneimittel diskutiert. Diese seien "auch von der Bundespolitik als die großen Kostentreiber ausgemacht". Hierunter werden neue Arzneistoffe mit bekanntem Therapieprinzip und nur marginalen Unterschieden zu eingeführten Wirkstoffen verstanden. Doch ist umstritten, für welche Arzneimittel dies zutrifft. Seidel stellte einige Beispiele aus einem Konzept vor, das aus dem Arzneiverordnungsreport stammt und derzeit zwischen Krankenkassen und KBV diskutiert wird. Dort wird beispielsweise vorgeschlagen, anstelle von Glimepirid das altbekannte Glibenclamid und anstelle der prostataselektiven Alpha-Blocker Doxazosin zu geben. Auch die modernen schnell wirksamen Insuline werden dort als Me-too-Arzneimittel eingestuft.

In der Diskussion wurde dagegen angeführt, dass zwischen diesen Arzneimitteln nicht nur marginale Molekülvariationen, sondern relevante therapeutische Unterschiede bestehen. Seidel räumte ein, dass neue Arzneimittel in begründeten Einzelfällen verordnet werden könnten. Doch sollte nicht gleich jede Innovation in größerer Zahl verordnet werden, stattdessen sollten erst einmal Erfahrungen abgewartet werden. Er ließ aber offen, wie Erfahrungen entstehen sollen, wenn die Produkte kaum eingesetzt werden.

Dr. Heinz Weiß, Geschäftsführer des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, verwies zudem auf die wirtschaftlichen Vorteile der Me-too-Arzneimittel. So hätten nach Berechnungen des Wissenschaftlichen Institutes der Ortskrankenkassen (WIdO) die Analogpräparate mit marginalen Unterschieden zu eingeführten Wirkstoffen im Jahr 1998 pro Verordnung 115,96 DM gekostet, solche mit therapeutischen Verbesserungen 134,44 DM. Demgegenüber hätten Arzneistoffe mit neuem Therapieprinzip durchschnittlich 162,09 DM gekostet und alle Innovationen aus den Jahren 1986 bis 1998 im Durchschnitt immerhin noch 129,38 DM. Demnach machten die Molekülvariationen den pharmazeutischen Fortschritt eher bezahlbar und sorgten auch unter Neueinführungen für Wettbewerb.

Sparen mit Bedacht

Nach Auffassung von Dipl. med. Jutta Schilder, Mitglied des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Mecklenburg-Vorpommern sollten Ärzte nicht als "unwissenschaftliche Geldrausschmeißer" beschimpft werden. Sie erläuterte die schwierige Lage der Ärzte, die nicht nur bei den Arzneimitteln, sondern auch bei den eigenen Leistungen, Krankschreibungen, Überweisungen, stationären Einweisungen und Krankentransporten sparen sollten. Dabei reiße jede Sparmaßnahme an anderer Stelle ein Loch auf.

Als realistische Sparmaßnahme im Arzneimittelbereich führte sie eine sorgfältige Differenzialtherapie an. Teure Innovationen sollten nicht zur Ersteinstellung, sondern für die problematischen Fällen verordnet werden, die hiervon besonders profitieren. Zur kontroversen Diskussion über Me-too-Arzneimittel und Analogpräparate stellte sie fest, dass bisher keine verbindliche Einigung auf Bundesebene existiert, welche Arzneimittel hierunter zu verstehen sind. So seien Sparmaßnahmen unter diesem Begriff auf Landesebene schwer umzusetzen.

Verordnungsrückgänge seien aufgrund der Zielvereinbarung in Mecklenburg-Vorpommern bei Expektoranzien, Mukolytika, Antazida, Vasodilatatoren und Sedativa zu erwarten. Außerdem würden in den wichtigen und teuren Indikationsbereichen Hypertonie, Diabetes, Magen-Darm-Erkrankungen und Fettstoffwechselstörungen Verordnungen umgestellt.

Aufgrund der speziellen Situation in Mecklenburg-Vorpommern bestehe dort auch ein Einsparpotenzial bei Generika. Das Land weist mit 80,6% den bundesweit höchsten Generika-Verordnungsanteil auf. Dennoch liegen die Generikaverordnungen wertmäßig auf einem sehr ungünstigen 17. Platz unter den KVen. Offenbar werden in Mecklenburg-Vorpommern sehr viele, aber besonders hochpreisige Generika verordnet.

Um die gewünschten Einsparungen zu erzielen, sollen Ärzte in Mecklenburg-Vorpommern sowohl individuell als auch gruppenweise beraten werden. Dabei werden Beratungsärzte der KV, der Medizinische Dienst der Krankenkassen, die AOK und evtl. weitere Krankenkassen in der Beratung aktiv.

Problematische Zahlen für den Osten

Nach Auffassung von Dr. Jürgen Grümmert, Hauptgeschäftsführer der KV Mecklenburg-Vorpommern, könne eine zu intensive Beratung der Ärzte aber gerade den gewünschten Effekt verhindern. Einsparungen in Mecklenburg-Vorpommern seien allerdings notwendig. Denn im ersten Halbjahr 2001 stiegen die gesamten Leistungsausgaben der GKV um 3,3% in den alten Bundesländern und 4,8% in den neuen Ländern. Die Ausgaben für ambulante ärztliche Leistungen stiegen nur um 1,7% bzw. 0,5%. Die Arzneimittelausgaben nahmen dagegen um 10,6% bzw. 12,4% zu.

Die Einkünfte der Ärzte liegen im Osten bei nur 76,5% der westlichen Kollegen und damit noch unter dem Wert von 1995 (79,5%). Die Arzneimittelausgaben belaufen sich dagegen weitgehend unverändert auf 113,4% des Westniveaus. Durch die steigenden Sätze des BAT-Ost kommen im Krankenhaussektor in Zukunft weitere Kostenerhöhungen auf die Krankenkassen im Osten zu.

Bei den Zahlenvergleichen ist zudem die sinkende Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns zu bedenken. Die Zahl der Einwohner unter 30 Jahren nimmt ständig ab. So steigen die Ausgaben pro Versichertem besonders stark an. Eine Prognose für 2001 ergibt Arzneimittelkosten von 642,28 DM pro Versichertem im Vergleich zu 571,91 DM im Bundesdurchschnitt. Demnach weist nur noch das Saarland höhere Arzneimittelausgaben je Versichertem aus. In den letzten drei Jahren sind die Arzneimittelausgaben pro Versichertem nur in Rheinhessen und Thüringen noch stärker gestiegen als in Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings sei nicht zu erwarten, dass sich dieser extreme Trend weiter fortsetzt, da hier teilweise eine umgekehrte Entwicklung der Vergangenheit ausgeglichen worden sei.

Internetangebot für Apotheken

Ein weiterer Schwerpunkt des Wirtschaftsseminars war die Präsentation von Diana Vasapollo, ABDA, die das Internetangebot aponet.de der ABDA vorstellte. Über diese Internet-Seite können Verbraucher Apotheken in ihrer Nähe finden, sich über deren Serviceleistungen informieren und Arzneimittel bestellen, die sie später in der Apotheke abholen können. Vasapollo zeigte, wie von der Apotheke aus die eigenen Daten gepflegt werden können. Unter 14 möglichen Beratungs- und Servicegebieten können die sechs wichtigsten Angebote für die Präsentation ausgewählt werden. Die Apotheke kann sich auf einer relativ einfach gestalteten, aber kostenlosen Portal-Homepage präsentieren oder einen Link auf eine selbstgestaltete Homepage setzen. Als weiterer Service wird ein Flyer angeboten, mit dem die Apotheke auf ihr Angebot aufmerksam machen kann.

Kunden, die den Vorbestellservice nutzen wollen, müssen das gewünschte Arzneimittel aus dem Artikelstamm der Lauertaxe auswählen und in einer speziellen Abfragemaske einige Fragen zur Person beantworten. Die Antworten werden nicht gespeichert. Vasapollo räumte ein, dass der Bestellvorgang von den Patienten als umständlich empfunden werden kann. Es werde an Vereinfachungen gearbeitet, doch würden die Gestaltungsmöglichkeiten durch die strengen rechtlichen Rahmenbedingungen stark eingeschränkt.

Bis zu diesem Tag hätten sich 5350 Apotheken für den Vorbestellservice angemeldet. Es seien etwa 2000 Vorbestellungen abgewickelt worden, darunter vermutlich viele Testbestellungen. Doch könne die Akzeptanz bei den Verbrauchern bei dem gerade erst begonnenen Angebot noch nicht bewertet werden.

Eindeutig positiv zu werten seien dagegen die Zugriffszahlen auf die Adresse aponet.de mit etwa 100 000 Besuchern im August. Hier sind neben dem Apothekenfinder diverse Informationsangebote der ABDA für Verbraucher, Journalisten und Fachkreise zu finden. Als Beispiel verwies sie auf eine Heilpflanzendatenbank der Universität Greifswald mit 170 positiv monographierten Arzneipflanzen.

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