Management

Wir sind ein Team!

Auf dem Weg zu erfolgreicher Zusammenarbeit

"Unser Team" – so heißt oft eine Schaltfläche auf den Internetseiten von Apotheken. Sieht man sich "Unser Team" genauer an, so finden sich dahinter meist die Bilder der einzelnen Angestellten der Apotheke.
Abbildung: Dynamik der Gruppenentwicklung (nach Tuckman 1965)

Das Team, das sind Apothekerinnen und Apotheker, PTA, PKA, manchmal auch Boten und Reinigungskräfte, also Einzelpersonen mit ihren ganz speziellen Eigenschaften, Eigenarten, Fähigkeiten, Wünschen und Erwartungen. Was macht diese Menschenansammlung zu einem Team? Wie wird aus diesen Personen eine Gruppe, die gut zusammen arbeitet und möglichst ein gemeinsames Ziel verfolgt? Und wie kommt es, dass auch bei Menschen, die schon lange zusammen arbeiten, manchmal das "Teamgefühl" verloren gehen kann?

Gruppenentwicklung – viele Einzelziele unter einem Hut

Jeder Mensch, jedes Teammitglied verfolgt im Arbeitsalltag zahlreiche Ziele. Typische Ziele sind zum Beispiel: Freundschaft zu Arbeitskollegen, ein schöner Arbeitsplatz, ausreichend Einkommen, glückliche Kunden, Zeit für Gespräche oder private Distanz zu anderen Menschen, höflicher Umgang, maximaler Kundenfluss, Perfektion in der Rezeptabrechnung, Sauberkeit, Ordnung, Pünktlichkeit. Sobald Menschen zusammenkommen, bringen sie unterschiedliche Ziele mit, die sie erreichen wollen. In einer Gruppe kommt so ein ganzer Pool von Zielen zusammen, die nicht immer ganz vereinbar sind.

Damit eine Gruppe arbeitsfähig wird, muss sich dieser Pool von Einzelzielen ordnen und organisieren. Dieser Prozess ist im Prinzip ein sich selbst organisierendes Geschehen, das trotz aller Komplexität nach einem gleichbleibenden Schema abläuft (s. Abbildung).

Die Gründungsphase eines Teams (Forming) beginnt mit einer Zeit, sich kennenzulernen, sich einzuschätzen und sich einzuordnen. In dieser Phase geht es zunächst nur darum, tragfähigen Kontakt herzustellen, um sich als Gruppe zu empfinden. Die Umgangsformen in dieser Zeit sind höflich und konventionell.

Sobald ein erster gemeinsamer Nenner gefunden wurde, beginnt eine Phase, in der die Unterschiede der einzelnen Teammitglieder deutlich werden und auch offen gezeigt werden (Storming). In dieser Zeit stehen Verhaltensweisen im Mittelpunkt, in denen es darum geht, sich zu zeigen, sich und seine Einstellungen zu vertreten und sich mit den anderen auseinanderzusetzen. Konflikte und Konkurrenzverhalten werden deutlich. Diese Phase heißt auch Streitphase. Aus dem Umgang mit diesem Streit entwickelt sich die Konfliktstruktur der Apotheke.

Wenn die Konflikte ausgetragen worden sind, kommt es zur Einigung auf Gruppenregeln, die alle Teammitglieder akzeptieren können. Diese Phase heißt Vertragsphase (Norming). In dieser Zeit geht es darum, sich festzulegen, sich abzufinden und sich zu einigen. Aus den unterschiedlichen und konkurrierenden Zielen werden die für alle verbindlichen gemeinsamen Apothekenziele ausgewählt.

Jetzt kann es endlich an die Arbeit gehen. Die folgende Arbeitsphase (Performing) schafft Möglichkeiten, sich einzubringen, sich zu engagieren und zu zeigen, was jeder leisten kann. Ein Gleichgewichtszustand ist erreicht, in dem ruhig und zielgerichtet gearbeitet werden kann.

Dieses Gleichgewicht ist allerdings nicht von Dauer. Sich verändernde Bedingungen, Änderungen in den persönlichen Zielen einzelner Teammitglieder und vor allem ein Wechsel in der Zusammensetzung des Teams, bei Kündigung einer Kollegin oder Neuanstellung führen dazu, dass die Gruppe sich neu orientiert, Bilanz zieht und eventuell die Phasen der Gruppenentwicklung neu durchläuft (Re-Forming).

Es ist für die Entwicklung eines erfolgreichen, langlebigen Unternehmens wichtig, sich alle Phasen bewusst zu machen (siehe Tabelle) und sich für alle ausreichend Zeit zu nehmen. Wie kann ein Apothekenleiter die verschiedenen Prozesse erfolgreich begleiten?


Tabelle: Eigenschaften der Phasen der Gruppenentwicklung

Phase
Vorherrschende
Aktivitäten
Leistung
Entwicklung des
Miteinanders durch
Forming
(Gründungsphase)
  • Sich kennenlernen
  • Sich einschätzen
  • einordnen
Abgrenzung
Konventionen festsetzen
Storming
(Streitphase)
  • Sich vertreten
  • Sich auseinandersetzen
Zuspitzung
Offen mit Konflikten
umgehen
Norming
(Vertragsphase)
  • Sich festlegen
  • Sich abfinden
  • Sich einigen
Entscheidung
Vereinbarungen treffen
Performing
(Arbeitsphase)
  • Sich einbringen
  • Sich engagieren
  • Zusammen arbeiten
Bewährung
Kooperation erleben
Re-Forming
(Orientierungsphase)
  • Bilanzieren
  • Sich besinnen
Veränderung
Bilanzen ziehen
(nach Stahl: Dynamik in Gruppen. Beltz Verlag, Weinheim, 2007)

Forming – den Mitarbeitern die Hand reichen

Bei einer Neugründung einer Apotheke, aber auch bei einem Wechsel des Apothekenleiters, bei einer Kündigung einer langjährigen Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiterwechsel ist das Apothekenteam in Unruhe versetzt, in Bewegung, bei der noch niemand weiß, wo es hingeht. Der Apothekenleiter kann diesen Prozess unterstützen, indem er den Mitarbeiterinnen Sicherheit vermittelt und Gewissheit verbreitet über die gewünschten oder etablierten Konventionen, über die von ihm gesetzten Ziele und über die Zugehörigkeit zum Team.

Hilfreich ist es hier für den Apothekenleiter, Autorität wahrzunehmen. Nutzen Sie Ihre Autorität, um Konventionen und Strukturen zu etablieren. Übernehmen Sie Verantwortung, bestimmte Vorgehensweisen zu erklären und durchzusetzen. Geben Sie klare Arbeitsaufträge. Halten Sie sich an Ihre eigenen Vorgaben wie Pünktlichkeit, Arbeitszeiten, Regeln. Vermitteln Sie Ruhe und Sicherheit. Ein Coach kann hier als Katalysator dienen.

Storming – Individualität zulassen

Die im Forming erarbeitete Sicherheitsstruktur schafft einen gemeinsamen Nenner, mit dem ein gemeinsamer Arbeitsprozess gestartet werden kann. Sobald die Gruppe sich ausreichend sicher fühlt, trauen sich einzelne Mitglieder wieder, ihre persönlichen Ziele in den Vordergrund zu stellen. Die Teammitglieder grenzen sich voneinander ab und beharren auf ihrer Individualität. Es entstehen Konflikte. Nun erscheinen Streit und Konflikte zunächst unangenehm und kontraproduktiv, sie sind jedoch nicht zu vermeiden und Teil eines Gruppenlebens. Jede Apotheke profitiert von der Unterschiedlichkeit ihrer Mitarbeiter. Konstruktiv streiten ist eine Fähigkeit, die allerdings von vielen je nach eigener Biografie erst mühsam gelernt werden muss.

Wie weit trauen Sie sich und Ihrer Apotheke zu, offen mit Konflikten umzugehen? Geben Sie Ihrem Team Raum, Konflikte zu bearbeiten. Ein Konflikt ist ein Zeichen dafür, dass Ihre Mitarbeiterinnen sich persönlich beteiligen und nicht nur Dienst nach Vorschrift machen wollen. Greifen Sie Hinweise auf unterschwellige Konflikte auf und teilen Sie es in der Gruppe mit. Versuchen Sie, Gedanken und Gefühle der Mitarbeiterin im Ausdruck zu unterstützen, zum Beispiel durch aktives Zuhören. Und gehen Sie beim Umgang mit Konflikten mit gutem Beispiel voran. Zum Einüben eines guten Konfliktmanagements und bei Konflikten, in denen Sie als Leiter persönlich sehr betroffen sind, ist es hilfreich, einen externen Coach als Klärungshelfer einzuschalten.

Norming – realistische Ziele ins Auge nehmen

Nach einer erfolgreichen Streitphase können jetzt Vereinbarungen getroffen werden, wie gemeinsam weitergearbeitet werden kann. Vereinbarungen können unterschiedlich verlaufen: quasi monarchisch von oben herab für alle verbindlich, autonom jeder für sich selbst, demokratisch als Mehrheitsentscheidung, mit Einstimmigkeit. Erst wenn eine gemeinsame Vereinbarung akzeptiert wird, tritt Versöhnung, Erleichterung oder auch Ernüchterung ein.

Überlegen Sie gemeinsam, wie bei Ihnen Vereinbarungen getroffen werden und welches Ausmaß an Übereinstimmung Sie suchen. Sprechen Sie offen Widerstand gegenüber Vereinbarungen an und nehmen Sie ihn als Kritik ernst. Ein Coach kann hier die Rolle eines Moderators, Schlichters und Notars übernehmen.

Performing – endlich arbeiten!

Im Arbeitsalltag wird die Gruppenstruktur nun einem Praxistest unterzogen. Für die einzelnen Mitglieder bringt diese Arbeitsphase Klarheit, wie nützlich der einzelne für die Gruppe und umgekehrt die Gruppe für den Einzelnen ist. Wenn sich während der allgemeinen Arbeitsprozesse noch Unklarheiten ergeben, können Regeln meist kurzfristig angepasst werden.

Lassen Sie Ihr Team ruhig laufen. Schaffen Sie Möglichkeiten, regelmäßig Mitarbeiterbesprechungen durchzuführen, um Rückmeldung vom Team zu erhalten.

Re-Forming – ständige Verbesserung

Will eine Gruppe aus vergangenen Erfahrungen lernen, wird sie immer wieder Bilanz ziehen und die Einzelziele neu sortieren. Dringlich wird es, wenn ein Einzelner Störsignale sendet, z. B. Desinteresse zeigt, Unmut äußert oder unzuverlässig wird oder wenn das Gruppenklima sich verschlechtert.

Dann ist es an der Zeit, sich wieder einmal zusammenzusetzen und zu überlegen:

  • Was ist eigentlich in der Zwischenzeit alles geschehen?
  • Was konnten wir erreichen – und was nicht?

  • Stimmen unsere Absprachen noch?

  • Fühle ich mich noch wohl?

  • Was sind meine aktuellen Ziele und kann ich sie erreichen?

Der Gruppenprozess der Teamentwicklung ist ein ewiger Kreislauf. Dabei drehen wir uns jedoch nicht im Kreis auf der Stelle, sondern entwickeln uns weiter wie auf einer Spirale: ständige Anpassung an sich ändernde Bedingungen, Weiterentwicklung in der Zeit, ein Prozess kontinuierlicher Verbesserung, der allen Qualitätskriterien entspricht.



Literatur

Stahl, E.: Dynamik in Gruppen. Handbuch der Gruppenleitung. Beltz Verlag, Weinheim, 2007.

Thomann, Schulz von Thun: Klärungshilfe 2. Rororo Sachbuch, Rowohlt, Reinbek, 4. Aufl. 2010.


Autorin:

Dr. Kirsten Lennecke, Apothekerin und Coach E.C.A.,www.lennecke-coaching.de



AZ 2011, Nr. 27, S. 6

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