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Sparen um jeden Preis?

HAMBURG (tmb). Sparen im Gesundheitswesen war das Ziel ungezählter Gesundheitsreformen. Doch zahlen sich diese Maßnahmen wirklich aus – oder wird dabei um jeden Preis gespart? Erfahrungen sprechen für erhebliche Nachteile vieler Sparmaßnahmen, wie sich beim 7. Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik am 27. Januar in Hamburg zeigte.
Hofft auf eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik: Prof. Dr. Matthias Augustin, Gastgeber des Eppendorfer Dialogs
Foto: Adriane Beck und Partner GmbH

"Müssen wir investieren statt sparen?" Diese Frage stellte Gastgeber Prof. Dr. Matthias Augustin, Hamburg. Er hoffe auf eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik, erklärte Augustin in Anspielung auf die Forderung nach evidenzbasierten Ergebnissen bei der Anerkennung von Heilverfahren. Die vielen Reformen der Vergangenheit müssten zu einer positiven Lernkurve und zu abnehmenden Fehlerzahlen in der Politik führen.

Wettbewerb ohne Preise

Roland Dieckmann, Vorstandsreferent bei der DAK, Hamburg, beklagte insbesondere die Diskrepanz zwischen dem politisch geforderten Wettbewerb und den Beschränkungen des Wettbewerbs durch die jüngeren Reformen. Dies sei politischer Etikettenschwindel. Der Gesundheitsfonds habe den Preis als Wettbewerbsparameter für die Krankenkassen abgeschafft, der Morbi-RSA verhindere die bedarfsgerechte Beitragserhebung in eigener Finanzhoheit. Das Finanzierungssystem solle berücksichtigen, dass die meisten Beitragszahler erst nach Jahrzehnten zu Nachfragern werden und erst dann die Qualität der Leistungen beurteilen können. Außerdem forderte Dieckmann an Qualität gebundene Honorierungssysteme, eine Effizienzdebatte, die sich an definierten Zielen orientiert, und mehr Versorgungsforschung. Das Wichtigste sei jedoch, dass die Politik Verlässlichkeit und Kontinuität in ihrem Handeln biete.

Teure Evidenz

Aus der Perspektive eines mittelständischen Pharmaunternehmens beklagte Marianne Boskamp, geschäftsführende Gesellschafterin der G. Pohl-Boskamp GmbH & Co. KG, die Forderung nach dem höchsten Evidenzniveau würde immer häufiger günstige und effiziente Lösungen zugunsten teurer und nur scheinbar innovativer Lösungen verdrängen. Die deutsche Gesetzgebung mache den Markterfolg kleiner Produkte und althergebrachter Wirkstoffe fast unmöglich. Forschung mit bekannten Wirkstoffen und galenischen Neuerungen seien kaum noch praktikabel, und mögliche positive Ergebnisse könnten aufgrund der regulativen Rahmenbedingungen nicht mehr vermarktet werden. Problematisch sei auch die fehlende Erstattungsfähigkeit bei gut wirksamen, nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Damit mache das System die Patienten zunehmend zu Selbstzahlern. Etablierte erfolgreiche Arzneimittelgruppen drohten in Vergessenheit zu geraten, folgerte Boskamp. Letztlich führe diese Entwicklung zu einer sehr teuren Arzneimittelversorgung – für die Krankenkassen und für die Privatzahler.

Doch die Diskussion über die besten Sparmöglichkeiten im Gesundheitswesen wird voraussichtlich noch lange andauern. Denn Prof. Dr. Peter Oberender, Bayreuth, machte deutlich, dass sich die äußeren Rahmenbedingungen durch die demografische Entwicklung und den medizinischen Fortschritt weiter zuspitzen werden. Doch die Politik gerate zunehmend in eine "Demokratiefalle", weil Entscheidungen gegen die Interessen der zahlenmäßig starken älteren Generation immer weniger durchgesetzt werden könnten.

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