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Ersetzt das Internet künftig die Heilberufe?

Eppendorfer Dialog betont menschliche Aspekte

HAMBURG (tmb) | Ob das Internet die Heilberufe ersetzen wird, war das Thema des 16. Eppendorfer Dialogs am 13. November in Hamburg.
Foto: DAZ/tmb
Referenten des 16. Eppendorfer Dialogs (von links): Walter Plassmann (Vorsitzender der KV Hamburg), Dr. Werner Bartens (Arzt und Publizist), Gastgeber Prof. Dr. Matthias Augustin (Versorgungsforscher), Dr. Johannes Wimmer (Arzt und Videoblogger), Kai-Peter Siemsen (Präsident der AK Hamburg).

Gastgeber Prof. Dr. Matthias Augustin, Dermatologe und Versorgungsforscher am Uniklinikum Eppendorf, und seine Gäste waren sich einig, dass Patienten die persönliche Begleitung durch Heilberufler brauchen.

Dr. Johannes Wimmer, der mit seinen medizinischen Videos im Internet als „Dr. Johannes“ bekannt geworden ist, warb allerdings für mehr Engagement der Ärzte im Internet. Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, warnte vor unseriösen Angeboten im Internet.

Cyberchondrie – krank durchs Internet

Dr. Werner Bartens, Arzt, Buchautor und Leitender Redakteur im Wissenschaftsressort der Süddeutschen Zeitung, beklagte, die Inhalte im Internet seien durch ökonomische Interessen geleitet, und Treffer seien zufällig. Dennoch sei nicht die Internetmedizin, sondern das Gesundheitssystem „krank“ und zu stark marktwirtschaftlich organisiert. Um mehr Leistungen zu erbringen, würden diagnostische Grenzwerte gesenkt, neue Krankheiten erfunden und nutzlose Untersuchungen veranlasst. Dies alles verunsichere die Patienten, die daher Informationen im Internet suchen, dort aber nur eine Scheinsicherheit finden.

Für Walter Plassmann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, sind solche Probleme nicht neu. Schon früher habe es nach Gesundheitssendungen im Fernsehen viele „Patienten“ mit den dort beschriebenen Krankheitssymptomen gegeben. Daraus sei nun eine „Cyberchondria“ geworden. Plassmann beklagte, dass allein die Information aus dem Internet dem Patienten nicht hilft, räumte aber ein, dass der vorinformierte Patient eher ein Gespräch auf Augenhöhe mit dem Arzt führen könne.

Sein Fazit: Die ärztliche „Kunst“ kann nicht digitalisiert werden.

Chancen für Ärzte

Dr. Johannes Wimmer startete vor etwa einem Jahr im Internet einen medizinischen Blog und bietet Videos zur Erklärung medizinischer Sachverhalte an. Die große Nachfrage danach zeige, wie wichtig leicht verständliche Kommunikation zu grundlegenden medizinischen Themen ist. Das Interesse der Patienten an medizinischen Informationen im Internet erklärt Wimmer mit ihrer ständigen Verfügbarkeit, denn „Dr. Google“ ist immer da.

Die meisten Ärzte seien dagegen online nicht ansprechbar und scheuen ein Engagement im Internet, weil sie rechtliche Probleme oder den Gesichtsverlust innerhalb der fachlichen Community fürchten. Doch mit den richtigen Inhalten auf ihrer Website könnten sich die Ärzte ihre Arbeit erleichtern, weil ihre Patienten dann besser vorbereitet sind, wenn sie in die Praxis kommen.

Menschlichkeit unverzichtbar

Kai-Peter Siemsen beschrieb das Internet als „Segen und Fluch zugleich“. Die Apotheker seien der Technik gegenüber aufgeschlossen, und das Internet unterstütze die intelligente Vernetzung der Heilberufler. Doch für die Patienten gehe die gesuchte Information oft unter, weil sich Suchmaschinen nur an der Zugriffshäufigkeit orientieren können. Das Internet erleichtere die Verbreitung unseriöser Informationen, die der Patient nicht erkennen könne.

Außerdem kritisierte Siemsen die Rezeptausstellung bei ausländischen Internetärzten, denn eine Diagnose erfordere mehr als ein Frage-Antwort-Spiel. Im Zusammenhang mit der individuellen Beratung verwies Siemsen auch auf das Medikationsmanagement als neue Leistung der Apotheker.

Als Resümee formulierte Professor Augustin: In Zukunft sind Arzt und Apotheker plus Internet gefragt, aber das Internet kann die persönliche Beziehung mit Vertrauen und Zuwendung nicht ersetzen. 

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