Arzneimittel und Therapie

Hoffnungsvoller Neuanfang?

Nach der Marktrücknahme von Exubera® 2008 ist es um inhalative Insuline still geworden. In den Forschungslaboren pharmazeutischer Hersteller scheint dieser Ansatz aber weiter verfolgt zu werden. Eine Studie stellte die Kombination von schnellwirksamem, inhalativem Insulin zu den Mahlzeiten mit Basalinsulin zur Nacht im Vergleich zu einer intensivierten Therapie bei schlecht eingestelltem Typ-2-Diabetes auf den Prüfstand. Das Studienziel der Nicht-Unterlegenheit wurde dabei erreicht.

Im Verlauf der Therapie des Typ-2-Diabetes stellt der Übergang von der rein oralen Therapie auf subkutane Insulininjektionen eine Hürde dar und wird daher häufig verzögert durchgeführt. Die Unannehmlichkeiten des Spritzens von Insulin und das damit verbundene Stigma stellen die Adhärenz der Patienten auf eine harte Probe, was wiederum eine Vielzahl von schlecht eingestellten Patienten mit Diabetes Typ 2 zur Folge hat. Die vorliegende herstellergesponserte Studie untersucht die Wirksamkeit von inhalativem Insulin bei dieser Patientenpopulation.

Schlechte Blutzuckereinstellung

Einschlusskriterien waren ein unter laufender Insulintherapie schlecht eingestellter Typ-2-Diabetes mit einem HbA1c -Wert zwischen 7 und 11% und eine intakte Lungenfunktion bei Patienten zwischen 18 und 80 Jahren. Die 677 Studienteilnehmer wurden in zehn internationalen Studienzentren in zwei gleichstarke Gruppen randomisiert. Die Verumgruppe erhielt inhalatives Insulin zu den Mahlzeiten sowie ungefähr die Hälfte der täglichen Insulindosis als Basalinsulin Glargin zur Nacht. Die Kontrollgruppe wurde mit zwei Injektionen Mischinsulin (70% Insulin Aspart-Protamin/ 30% Insulin Aspart) pro Tag behandelt. Primärer Studienendpunkt war die Veränderung im HbA1c -Wert nach 52 Wochen Studiendauer. Als sekundäre Endpunkte wurden verschiedene Parameter des Glucosestoffwechsels sowie der Anteil der Patienten, die einen HbA1c -Wert unter 7,0% erreichen konnten, erhoben. Eine orale Therapie mit Metformin oder Thiazolidinen konnte weitergeführt werden.

Langzeitzucker gesenkt

Nach 52 Wochen Studiendauer konnten 211 Probanden der Verumgruppe und 237 Teilnehmer der Kontrollgruppe nach Protokoll ausgewertet werden. In der Gruppe, die inhalatives Insulin erhielt, wurde eine Senkung des HbA1c -Wertes um 0,68% (95% Konfidenzintervall – 0,83 bis 0,53) erreicht, im Therapiearm, der mit Mischinsulininjektionen behandelt wurde, eine Senkung um 0,76% (95% KI – 0,13 bis 0,27). Der Unterschied zwischen den Gruppen betrug 0,07%, womit das Studienziel der Nicht-Unterlegenheit erreicht war. Die Bioverfügbarkeit des inhalativen Insulins wurde auf ungefähr 25% geschätzt. Aus Sicherheitsgründen wurden fünf Einheiten schnellwirksames Alt-Insulin in der Dosistitrationsphase durch 15 Einheiten inhalatives Insulin ersetzt. Die mittlere verabreichte Tagesdosis am Studienende betrug 47 Einheiten, die aus Einmaldosisbehältern zu 15 bzw. 30 Einheiten appliziert wurden. Der Anteil der Patienten, der einen HbA1c -Wert von unter 7% erreichte, unterschied sich in beiden Gruppen nicht signifikant (22% inhalatives Insulin; 27% Mischinsulin). Der mittlere Anstieg des Körpergewichtes war in der Verumgruppe mit median 0,9 kg signifikant geringer als in der Kontrollgruppe mit 2,5 kg. Dieser Wert korrespondiert mit der etwas geringeren Wirkung auf den HbA1c -Wert, sollte aber für die Population der Studienteilnehmer, die bereits zu Studienbeginn einen medianen Body-Mass-Index (BMI) von ca. 31 (BMI 30 bis 40 = adipös) hatten, nicht außer acht gelassen werden.

Die Lungenfunktion im Fokus

Im Therapiearm unter inhalativem Insulin plus Insulin Glargin wurden bei 31% Episoden von Hypoglykämie registriert, in der Kontrollgruppe bei 49% der Probanden. Die geringfügig verringerte Anzahl von Hypoglykämien führen die Autoren auf die ihrer Ansicht nach günstigere Kinetik der Inhalation zurück, die durch rascheres Anfluten und kürzere Wirkung gekennzeichnet ist. Ferner sehen sie in der Vermeidung von Hypoglykämien die therapeutische Nische für das getestete Produkt. Im Bereich der Sicherheitsendpunkte wurden vor allem Auswirkungen auf die Lungenfunktion unter die Lupe genommen. Bei ungefähr einem Drittel der inhalativ versorgten Patienten traten intermittierende oder vereinzelte Hustenepisoden auf, die in der Mehrzahl in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Inhalation standen und deren Inzidenz sich im Laufe der Behandlung verringerte. Diese waren allerdings für die Hälfte der Studienabbrüche in dieser Gruppe verantwortlich. Unterschiede im Bereich der Lungenfunktionsparameter wurden nicht festgestellt. Interessanterweise berichteten auch 14% der ausschließlich mit subkutanem Insulin versorgten Patienten über Hustenepisoden. Ergebnisse, die die Kommentatoren des Lancet zu der optimistischen Aufforderung "proceed with caution" veranlassen. Die gebotene Vorsicht bezieht sich dabei auf Verdachtsmomente, die unter dem Produkt Exubera® auf einen Anstieg der Häufigkeit an Lungenkrebs hindeuteten.

Quelle Rosenstock, J.; et al.: Prandial inhaled insulin plus basal insulin glargine versus twice daily biaspart insulin for type 2 diabetes: a multicentre randomised trial, Lancet (2010) 375: 2244 – 2253. Bailey, C.J.; et al.: Inhaled insulin: new formulation, new trial, Lancet (2010) 375: 2199 – 2201.


Apotheker Peter Tschiersch

Technosphere® Inhalationssystem


Beim Technosphere® Inhalationssystem wird rekombinantes Humaninsulin auf ein pulverförmiges Trägermedium aufgebracht, das aus Fumaryl-Diketopiperazinkristallen aufgebaut ist. Das Trägermedium ist auch als Carrier für die transpulmonale Applikation weiterer Proteine in der Erprobung. Die pH-sensitiven Trägerpartikel lösen sich in Kontakt mit der Lungenschleimhaut auf, das Insulin geht rasch in Lösung und wird resorbiert. Die maximale Plasmakonzentration ist nach etwa 15 Minuten erreicht. Die Wirkdauer beträgt ungefähr zwei bis drei Stunden. Bereits 30 Minuten nach der Inhalation sind nur noch 0,3% der Insulin- bzw. 0,4% der Konzentration an Fumaryldiketopiperazin in der Lunge nachweisbar. Eine Eigenschaft, die vermutlich zur guten Verträglichkeit der Formulierung beiträgt. Der Kommentar des Lancet schreibt dem Hersteller weitere Untersuchungen zum Mechanismus des transalveolaren Transportes ins Pflichtenheft.

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