Arzneimittel und Therapie

Insulin inhalieren statt spritzen

Insulin per Inhalation – dieser Applikationsweg soll den Patienten das lästige Spritzen ersparen. Im März 2004 wurde nun eine inhalative Form des Insulins bei der europäischen Zulassungsbehörde eingereicht.

Das Epithel der Lunge hat eine Oberfläche von der Größe eines Tennisplatzes und eignet sich daher zumindest theoretisch gut für die Applikation von Wirkstoffen. Doch dieser Weg hat auch seine Grenzen: So können sich zum Beispiel bei Erkrankungen wie Bronchitis die Eigenschaften der Lungenepithels verändern. Auch der ständige Reiz durch das Rauchen beeinflusst die Resorptionseigenschaften.

Schwierige Resorption

Und schließlich kann nicht jede Substanz problemlos resorbiert werden: Teilchengröße und chemische Eigenschaften wie die Löslichkeit sind hier entscheidend. Beim inhalativen Insulin ist die Entwicklung jetzt so weit fortgeschritten, dass die Zulassung in Europa beantragt werden konnte.

Bisher waren alle Versuche gescheitert, Insulin in Form von Tabletten oder Kapseln zu verabreichen. Im Magen wird Insulin schnell durch die Magensäure und proteolytische Enzyme inaktiviert und abgebaut. Ebenso erfolglos war die intranasale Applikation mit einem Spray. Um eine nennenswerte Aufnahme zu erreichen, musste der Botenstoff mit einem Absorptionsverstärker gegeben werden, der jedoch die Nasenschleimhaut reizte.

Teilchengröße 2 Mikrometer

Das neue inhalative Insulin wird durch Sprühtrocknung in einen amorphen Zustand gebracht, aus dem es gut gelöst und resorbiert wird. Ein großer Vorteil: Es kann in dieser Form ohne Kühlung aufbewahrt werden. Bei der Sprühtrocknung kann die Teilchengröße durch Variationen im Lösungsmittel und bei der Trocknung beeinflusst werden. Mit einem Durchmesser von 1 und 3 Mikrometern gelangen die Teilchen in die Alveolen. Größere Partikel werden in der Schleimhaut von Mund, Rachenraum oder den größeren Bronchien deponiert. Partikel, die kleiner als einen Mikrometer sind, werden nicht durch die Schleimhäute aufgenommen, sondern wieder ausgeatmet.

Aerosol inhalieren

Vor der Applikation muss das Insulin in ein Aerosol umgewandelt werden. Nur in dieser Form gelangt es in die Lungenalveolen, wo es resorbiert und in die Blutbahn aufgenommen wird. Das Insulin-Trockenpulver wird in einem Blister in den Inhalator eingesetzt. Durch eine mechanische Aktivierung (Druckluftpuls) wird ein Aerosol als stehende Wolke erzeugt, das vom Patienten ganz einfach eingeatmet werden kann. Bei der Inhalation lagern sich jeweils ein Drittel der Substanz im Gerät sowie in Mund und Rachen ab, nur ein Drittel gelangt in die Lungen.

Rasche Blutzuckersenkung

Nach der Inhalation wird das Insulin schnell resorbiert, gelangt in den Blutkreislauf und kann rasch den Blutzucker senken. Die blutzuckersenkende Wirkung von inhalativem Insulin ist der subkutan applizierter Normalinsuline vergleichbar. Der Wirkung tritt so schnell ein wie bei kurz wirksamen Insulinanaloga. Ein "Spritz"-Ess-Abstand muss daher nicht eingehalten werden.

Vorteile für Typ-1- und Typ-2-Diabetiker

In zahlreichen klinischen Studien wurden Patienten mit Typ-1- und Patienten mit Typ-2-Diabetes mit inhalativem Insulin behandelt. Die Studiendaten belegen unter anderem, dass Patienten mit Typ-1-Diabetes unter einer Therapie mit inhalativem Insulin eine geringere Gewichtszunahme als unter subkutanem Normalinsulin aufweisen. Ein weiterer Vorteil zeigte sich bei Typ-2-Diabetespatienten mit unzureichend eingestelltem Blutzuckerspiegel, denen zusätzlich zu den oralen Antidiabetika prandial inhalatives Insulin verabreicht wurde. Bei dieser Gruppe zeigte sich eine eindrucksvolle Verbesserung des HbA1c-Wertes um etwa 2,3 Prozentpunkte, während die Vergleichsgruppe ohne inhalatives Insulin praktisch unverändert blieb.

In den klinischen Studien beeinträchtigte inhalatives Insulin die Lungenfunktion nicht. Häufig trat ein milder Husten auf, der im Zeitablauf schwächer wurde oder verschwand. Vor der Anwendung des inhalativen Insulins sollte die Lungenfunktion überprüft werden. Menschen mit schwerem Asthma bronchiale und Raucher dürfen es nicht anwenden.

 

Quelle
Prof. Dr. Werner Scherbaum, Düsseldorf; Prof. Dr. Claus Vogelmeier, Marburg; Dr. John S. Patton, San Carlos, USA; Presse-Hintergrundgespräch "Inhalatives Insulin –Update 2005", Berlin, 4. Mai 2005, veranstaltet von Pfizer, Karlsruhe. hel

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