Schule

Raucherprävention in der sechsten Klasse

Ein Projekt von Pharmaziestudierenden in Freiburg

Im Studienfach Klinische Pharmazie befassten sich Studierende der Universität Freiburg im Wintersemester 2009/10 mit dem Thema Sucht. Nachdem Dr. Ernst Pallenbach, Villingen-Schwenningen, in das Thema eingeführt und über die Entwicklung von Suchtkrankheiten referiert hatte, erarbeiteten die Studierenden ein Raucherpräventionsprojekt für eine 6. Klasse. Im Alter von etwa zwölf Jahren greifen viele Schüler zum ersten Mal zur Zigarette. Deshalb brauchen sie Aufklärung und Information. Es ist üblich, Schüler anhand von "Schockbildern" mit möglichen Spätfolgen des Rauchens zu konfrontieren, aber es ist effektiver, ihnen die Vorteile des Nichtrauchens aufzuzeigen. Aussichtsreiche Ansätze hierfür sind die drei Aspekte Fitness (mit Gesundheit und Kosmetik), Werbung und Geld.

Rauchen bedeutet für Jugendliche meistens "mitmachen" oder zeigen, dass sie "dazugehören". Der "Genuss" spielt hier meistens keine Rolle.
Foto: Barmer

Schockieren als wirksames Mittel?

Zu Beginn sprachen wir über eigene Erfahrungen mit derartigen Präventionsprojekten in unserer Schulzeit. Die typischen "Schockbilder" von Raucherlungen und amputierten Gliedmaßen kannte jeder. Doch erreicht man die Jugendlichen heutzutage noch mit dieser Art "Schocktherapie"? Aus Fernsehen, Internet und Computer sind solche Bilder vielen Jugendlichen schon bekannt und regen sie nicht mehr zum Nachdenken an, sondern werden einfach nur hingenommen und vergessen.

Wie erreiche ich die Jugendlichen?

Was interessiert heutzutage einen 12-Jährigen?

Sicherlich nicht in erster Linie sein möglicher Gesundheitszustand in 40 Jahren. Lungenkrebs ist also kein hinreichendes Argument. Dagegen beginnen Schüler in diesem Alter sich sehr für ihr Äußeres und das andere Geschlecht zu interessieren. Daher ist ein Ansatz über weniger drastische, aber schon nach kurzer Zeit auftretende negative Auswirkungen des Rauchens wie schlechte Haut, gelbe Zähne, Finger und Nägel begreifbarer und wirkungsvoller. Das Ausmaß dieser Veränderungen kann zudem per Computer-Animation sehr anschaulich per Zeitraffer dargestellt werden. Dabei wird ein Foto jedes einzelnen Schülers mittels Computerprogramm so bearbeitet, dass es sein Aussehen in naher Zukunft in zwei Varianten zeigt: einmal bei gesundem Lebensstil, einmal bei regelmäßigem Zigarettenkonsum.

Durch den Hinweis auf ihr eigenes Aussehen kann man den Jugendlichen die Folgen des Rauchens bewusst machen, auch wenn es zunächst nur um die Erkenntnis geht, dass man mit schlechter Haut weniger attraktiv aussieht. Diese direkte Konfrontation mit den Folgen des Rauchens kann bei den Jugendlichen zu einer persönlichen Betroffenheit führen. Leider sind diese Computer-Animationsprogramme nicht ganz kostengünstig. Alternativ könnten Fotos von unbekannten Personen gezeigt werden, die teils Raucher, teils Nichtraucher sind; die Schüler müssten sich dann überlegen, welche Personen rauchen und welche nicht. Auch auf diese Weise würden sie sich mit den "kosmetischen" Folgen des Rauchens auseinandersetzen.

Doch nicht nur die äußerlichen Veränderungen dürften die Jugendlichen interessieren, auch der unangenehme Geruch (Gestank) der Kleidung und des Atems von Rauchern ist nicht besonders anziehend.

Körperliche Fitness

Neben dem Aussehen spielt auch sportliche Fitness in diesem Alter eine wichtige Rolle. Viele Jugendliche sind in Sportvereinen aktiv. Ob Fußball, Schwimmen oder Turnen, wer möchte schon der Letzte sein? Leistungseinschränkungen wie Kurzatmigkeit, schnelle Erschöpfung und verminderte Ausdauer sind schnell auftretende Folgen des Rauchens. Es ist wichtig den Schülern zu zeigen, dass der Verzicht auf jede einzelne Zigarette sich lohnt, da gerade diese Beschwerden bereits kurze Zeit nach Beenden des Rauchens reversibel sind.

Viele Jugendliche haben Sportler als Idole und möchten später selber einmal im Sport so erfolgreich sein wie diese, doch wer Leistung bringen will, muss Opfer bringen.

Schaut man sich Interviews mit Hochleistungssportlern an oder liest deren Biographien, so ist schnell klar, dass das Leben als erfolgreicher Sportler mit vielen Einschränkungen verbunden ist (gesunde Ernährung, nicht rauchen usw.). Den Schülern diesen Aspekt deutlich zu vermitteln ist ein weiterer wichtiger Schritt, um sie vom Rauchen abzuhalten.


Fit und attraktiv bleiben – das sind Argumente gegen das Rauchen, die auch Jugendliche überzeugen.
Foto: DAK/Wigger

Gesundheitliche Folgen

Allerdings dürfen auch die Folgeerkrankungen im Rahmen des Präventionsprojekts nicht völlig außer Acht gelassen werden. Sachliche Informationen über Lungenkrebs, auch illustriert mit Bildern, verdeutlichen noch einmal die Gefahren des Rauchens. Dabei kann den Schülern auch ein Text vorgelesen werden, in dem ein Patient über sein Leben mit Lungenkrebs berichtet. So ein persönlicher Erfahrungsbericht ist für die Jugendlichen weniger abstrakt und zeigt, dass ganz normale Personen wie sie selbst von den Folgeerkrankungen betroffen sind.

Manipulation durch Werbung

Neben der Fitness ist das Thema Werbung die zweite große Säule, auf der das Schulprojekt aufbaut. Jugendliche müssen lernen zu verstehen, in welcher Art und Weise Werbung die (potenziellen) Konsumenten manipuliert. Jeder kennt die Werbung einer bekannten Zigarettenmarke mit dem Cowboy und Pferden. Sie vermittelt ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit. Doch wieso sollten Zigaretten einem solch ein Gefühl vermitteln? Tatsache ist, dass gerade das Gegenteil der Fall ist. Der Konsum von Zigaretten nimmt einem die Freiheit, da man ein Opfer der Sucht wird und dem inneren Zwang zum Griff nach der nächsten Zigarette unterliegt.

Bei Jugendlichen muss das Bewusstsein geschaffen werden, zwischen Werbeinhalt und den beworbenen Produkten zu unterscheiden. Es soll deutlich werden, dass die Betrachter ganz bewusst von den Machern der Werbung manipuliert werden. Musik und Bilder sind gezielt so gewählt, dass sie beim Konsument ein positives Gefühl auslösen. Diese Werbung würde bei anderen Produkten genauso gut funktionieren, da exakt die gleiche Botschaft vermittelt würde. Im Rahmen des Präventionsprojektes könnte man den Schülern den Werbespot bis auf die letzten zehn Sekunden vorspielen und anschließend analysieren.

Zunächst sollen die Schüler den Inhalt und die Wirkung der Werbung auf sie selbst darlegen. Dann dürfen sie sich überlegen, für welche Produkte im genannten Spot geworben werden könnte, und mit diesen das Ende des Werbespots selbst gestalten. Die Schüler fügen also statt der Zigaretten ein Produkt ihrer Wahl in den Werbespot ein und erkennen somit, dass die Werbung auf ihr Produkt genauso gut passt wie auf die Zigaretten.

Cool sein über alles?

Zigarettenwerbung verdeutlicht auch, mit welchem Image das Rauchen assoziiert wird. Besonders für Jugendliche steht Rauchen für Coolness, Beliebtheit und Dazugehörigkeit zur Clique. Viele fühlen sich durch Rauchen selbstsicherer und erwachsener. Deshalb ist es pädagogisch wichtig, Rauchen vom "Coolness-Gefühl" zu entkoppeln. Was ist eigentlich "cool sein"? Stinken? Schlechter Atem? – Raucher küsst keiner gern!

Im Unterricht könnte im Vorfeld diskutiert werden, was Freundschaft ausmacht und welche Erwartungen man an einen Freund stellt. Freundschaft steht für Zusammenhalt, Vertrauen, gemeinsame Interessen und dafür, den anderen so zu akzeptieren, wie er ist. Freundschaften sollten nicht an Bedingungen geknüpft sein. Dies ist eine grundlegende Erkenntnis, um zu verstehen, dass man durch Rauchen keine wahren Freunde gewinnt und dass die Dazugehörigkeit zu einer Clique Freunde nicht ersetzen kann. Die Frage ist: Was bedeutet cool sein? Bedingungslos mitzumachen oder zu seiner Meinung zu stehen und sich dafür einzusetzen?

Abschreckend wirkt möglicherweise auch der konsequente Gebrauch des Begriffs "Droge", wenn von Zigaretten oder Nicotin die Rede ist. Zigaretten gelten vielleicht als cool, aber mit Drogen wollen die meisten dann doch nichts zu tun haben.

Vorbildfunktion der Eltern

Auch in vielen Elternhäusern wird geraucht. Für Kinder, die in solchen Familien aufwachsen, gehört das Rauchen zum Alltag. Besonders in diesen Familien haben die Eltern wenig Einfluss darauf, ihre Kinder vom Rauchen abzuhalten, denn ein Verbot ist wenig glaubwürdig, wenn der Verbietende selber das Tabu bricht. Daher ist es gerade bei diesen Kindern wichtig, dass sie von anderer Seite (von Mitschülern, durch Präventionsprojekte in der Schule) vom Nichtrauchen überzeugt werden.

Zigaretten sind teuer!

Der dritte wichtige Aspekt, der besonders die Schüler in diesem Alter betrifft, ist das Geld, denn Zigaretten sind teuer. Häufig sprengen die Ausgaben für Zigaretten das Taschengeldbudget eines 12-Jährigen. Oder er müsste sein durch kleine Jobs wie Babysitten und Zeitung austragen mühsam verdientes Geld dafür ausgeben. In der Schule könnte man dies verdeutlichen, indem man den Schülern ein bestimmtes Budget zur Verfügung stellt, das dem Geldbetrag entspricht, den ein Jugendlicher im Durchschnitt pro Monat für Zigaretten ausgibt. Anhand von Werbeprospekten mit für diese Altersgruppe attraktiven Artikeln (DVDs, Schminkutensilien, Sportartikel) kann man den Schülern bildlich zeigen, was sie sich stattdessen leisten könnten. Außerdem wird den vielleicht schon vorhandenen Rauchern verdeutlicht, was sie sich durch das Rauchen alles nicht mehr leisten können. Besonders beeindruckend ist es, den Geldbetrag für Zigaretten auf ein Jahr hochzurechnen. Solche Rechnungen können den Schülern einen weiteren Anreiz für das Nichtrauchen geben, da es sie in ihrer jetzigen Situation persönlich betrifft und ihnen aufzeigt, dass es auch für sie zweckmäßig ist, nicht zu rauchen.

Schwierige Entwöhnung

Vielen Jugendlichen ist das Suchtpotenzial von Zigaretten nicht bewusst. Sie denken, dass ein, zwei Zigaretten oder auch ein paar mehr so schlimm nicht sein können und dass sie jederzeit problemlos wieder aufhören können zu rauchen. An dieser Stelle kann man mit den Schülern das Thema Sucht und Suchtverhalten diskutieren. Es sollte deutlich gemacht werden, dass es eben nicht mit dem Vorsatz mit dem Rauchen aufzuhören getan ist, sondern dass auch das vermeintlich harmlose Rauchen eine schwerwiegende Sucht ist und der Beschluss aufzuhören durch Entzugserscheinungen erschwert wird, weswegen es eine sehr hohe Rückfallquote gibt.

Erwähnt werden sollte in diesem Kontext auch, dass so ein "Nicotinentzug" nicht nur zwei Wochen dauert, sondern dass es viele ehemalige Raucher auch noch nach Jahren manchmal nach einer Zigarette gelüstet und es schwierig für sie ist, in einem Raum mit Rauchern zu sein und selbst nicht zu rauchen. Dies könnte auch anhand von Erzählungen einzelner Personen verdeutlicht werden, die schon oft versucht haben, mit dem Rauchen aufzuhören, es aber trotz großer Anstrengung nicht geschafft haben. Als Fazit sollte den Schülern bewusst werden, dass es viel einfacher ist, gar nicht erst mit dem Rauchen zu beginnen als es sich später wieder mühsam abzugewöhnen.

Auf den Einstieg kommt es an

Alle diese Informationen müssen mit der richtigen Methodik vermittelt werden, sonst kommt bei den Zuhörern nicht viel an. Ein guter Einstieg in dieses Thema wäre zum Beispiel ein Quiz, bei dem die Schüler ihr Wissen testen können. Dafür würden sich Schätzfragen eignen wie zum Beispiel:

Um wie viele Minuten verkürzt eine Zigarette die Lebenserwartung? (10 min)

Wie viele krebserregende Inhaltsstoffe sind in einer Zigarette enthalten?

Wie viele Menschen sterben jährlich an den Folgen des Rauchens? (110.000)

Wie viel Geld gibt ein Raucher im Leben für Zigaretten aus?

Anhand solcher Fragen entwickeln sich gleich zu Beginn offene Diskussionen im Klassenverband, welche durch reines Aufzählen der Fakten per Frontalunterricht nicht zustande kommen. Die Schüler setzen sich somit aktiv mit den schädlichen Folgen des Rauchens auseinander.

Zum Schluss des Projekts und als kleine Zusammenfassung können die Schüler selbst noch einmal die Vor- und Nachteile des Rauchens erarbeiten. Dies könnte anhand des Bildes einer Waagschale geschehen, die je nach Anzahl der genannten Aspekte in die jeweilige Richtung "pendelt". Natürlich wird hier die Waagschale mit den Nachteilen des Rauchens überwiegen.

Der Apotheker als Gesundheitserzieher – berufspolitische Aspekte

Um die Vorteile des Nichtrauchens den Schülern nahezubringen, wäre es von Vorteil, wenn das Projekt nicht vom Klassenlehrer geleitet wird, sondern von einer außenstehenden, dafür geschulten und unabhängigen Person. Dadurch wird ein besseres Verhältnis zwischen den Schülern und der vortragenden Person geschaffen, sodass bei den Schülern die Hemmungen abgebaut werden, Fragen zu stellen, und sie auch über eigene Erfahrungen berichten.

Um bei den Schülern Interesse zu wecken, sollte die vortragende Person bei den Schülern "cool" oder "lässig" ankommen. Am besten wäre es, wenn dieser Projektleiter selber Erfahrungen mit dem Rauchen gemacht hat. Dies wirkt erstens authentischer, und zweitens kann er dann auch darüber berichten, was ihn dazu veranlasst hat, mit dem Rauchen aufzuhören.

Diese Rolle könnte sehr gut von einem Apotheker übernommen werden. Das nötige Fachwissen und somit die Kompetenz ist vorhanden. Dies würde auch den Vorteil mit sich bringen, dass der Apotheker einer "neuen" Klientel bekannt wird. Damit wird er auch Jugendlichen als Fachperson bewusst und vielleicht von ihnen kontaktiert, wenn sie Fragen haben. Durch eine solche aktive Teilnahme an der Gesundheitserziehung und Prävention außerhalb der Apotheke würde der Berufsstand des Apothekers eine neue Bekanntheit und somit Bedeutung gewinnen und aufgewertet werden. Somit ist ein solches Engagement auch aus berufspolitischer Sicht sehr begrüßenswert.

Fazit und Zusammenfassung

Als Fazit ist festzuhalten, dass es vor allem wichtig ist, den Schülern auf anschauliche und interessante Art solche Aspekte des Rauchens zu vermitteln, die für ihre momentane Lebenssituation interessant erscheinen. Den Schülern sollten in dem Präventionsprojekt vor allem die Vorteile des Nichtrauchens verdeutlicht werden. Dabei sollte nicht vernachlässigt werden, dass gerade ein nichtrauchender vermeintlicher Außenseiter mehr Selbstbewusstsein besitzt als der Mitläufer in der Clique. Genauso wichtig ist es, die persönliche Betroffenheit der Jugendlichen hervorzurufen, was durch Frontalunterricht und "Schocktherapie" nicht ausreichend erreicht wird, sondern eher durch anschauliche Beispiele und Diskussionen. Ein Apotheker als Projektleiter könnte nicht nur einen aktiven Beitrag zur Gesundheit der Schüler leisten, sondern auch selbst davon profitieren.


Danksagung

Die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg hat das Raucherpräventionsprojekt im Rahmen der Klinischen Pharmazie an der Universität Freiburg gefördert.


Autoren

Andrea Böhler, Luisa Böhler, Vanessa Fischer, Anne Gärtner, Christina Haidas, Marina Kroneder, Kathrin Schwab, Bettina Siedle, Sarah Zähringer, Dr. Ernst Pallenbach


Kontaktautorin

Luisa Böhler

luisa.boehler@gmx.de

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