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Rauchen – Akzeptiert aber nicht akzeptabel (Außenansicht)

Obwohl inzwischen auch der Letzte wissen müsste, dass Rauchen nicht gerade gesundheistförderlich ist, wird kräftig weiter geraucht. Um Rauchern die Aufgabe des Rauchens zu erleichtern, wurde unter dem Motto "Rauchfrei 2004" vom deutschen Krebsforschungszentrum eine Kampagne durchgeführt, in der möglichst viele Raucher dazu bewegt werden sollten, mindestens vier Wochen lang (vom 1. bis zum 31.5., dem Weltnichtrauchertag) nicht zu rauchen. In Arztpraxen, bei Krankenkassen und in Apotheken lagen Teilnahmescheine aus und es winkten schöne Preise.

Es ist in der Tat bemerkenswert, wie es dem Produkt Zigarette gelungen ist, trotz zunehmenden Risikobewusstseins alle Diskussionen und Kontroversen relativ schadlos zu überstehen. Und dies, obwohl die Beweislast erdrückend ist, dass das freiwillig in Kauf genommene Risiko des Rauchens nicht irgendein Risiko darstellt, sondern das größte in unserem Leben überhaupt. Rauchen hat sich zur unbestreitbar wichtigsten einzelnen Krankheits- und Todesursache entwickelt. Die Zigarette ist der größte Gesundheitsfeind des Menschen.

Von allen Todesursachen werden Rauchen und AIDS weltweit in den nächsten Jahren am stärksten zunehmen. Tragischerweise handelt sich dabei um Risiken, die weitgehend vermeidbar sind. Rund 40 Prozent der 12 bis 25-Jährigen rauchen regelmäßig oder gelegentlich, der Anteil der Raucher, die vor dem 20. Lebensjahr begonnen haben, liegt bei 80 Prozent. Das durchschnittliche Einstiegsalter beträgt 11,6 Jahre (!).

Also muss man den Anfängen wehren, was leichter gesagt ist als getan. Immer neue Vorschläge werden gemacht, wie das Rauchen einzudämmen sei: Einschränkung bzw. Verbot der Zigarettenwerbung, Aufklärungsbroschüren, Kino- und Fernsehspots, gesundheitsbezogene Warnhinweise und neuerdings visuelle Gesundheitswarnungen auf den Zigarettenpackungen. Mit Sätzen wie "Rauchen kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen" will man aufrütteln, mit Bildern von sterbenden Krebspatienten und vom Krebs zerfressenen Lungen vor allem die Jugendlichen schockieren.

Aber das hat schon bei den AIDS-Kampagnen nicht funktioniert, Jugendliche sind so leicht nicht zu schocken. Wenn den Menschen (besonders den jungen) etwas Spaß macht, fällt es eben leicht, die damit verbundenen Risiken außer Acht zu lassen, um so mehr, wenn, wie beim Rauchen, zu erwarten ist, dass sich die gesundheitlichen Konsequenzen erst eines fernen Tages einstellen werden.

Wenn David Byrne, der für die Gesundheit zuständige EU-Kommissar, meint, es sei schon etwas damit getan, der Öffentlichkeit drastisch vor Augen zu führen, dass 50 Prozent aller Raucher an den Folgen des Tabakkonsums sterben, dann irrt er (leider). Denn die für solche Botschaften Unempfänglichen (und dies gilt nicht nur für Jugendliche) fühlen sich doch der Gruppe der anderen 50 Prozent zugehörig, so, wie die meisten Autofahrer glauben, dass sich das Risiko des Autofahrens auf die anderen Verkehrsteilnehmer, und nicht auf sie selbst bezieht.

Und denen, die das Rauchen aufgeben wollen, nützen die Botschaften auch nichts, denn sie haben sie schon verstanden, können sie nur leider nicht umsetzen: Zirka 70 Prozent der Abhängigen wollen mit dem Rauchen aufhören, 40 Prozent versuchen es jährlich. Im Kampf gegen das Rauchen verspricht man sich viel vom Tabakwerbeverbot, das EU-weit eingeführt werden soll, an dem sich die Bundesrepublik aber nicht beteiligen will. Auch wenn die Befürworter eines Werbeverbots auf Studien verweisen, die einen Rückgang des Rauchens bei Jugendlichen zeigen, wird das Verbot an der Situation nicht viel ändern.

Jugendliche fangen doch nicht mit dem Rauchen an, weil sie den Marlboro-Cowboy cool finden. Sie müssen auch nicht meilenweit für eine Camel gehen, sondern nur bis zum nächsten Zigarettenautomaten, und der ist in Deutschland nicht weit (die Bundesrepublik ist weltweit das Land mit der höchsten Automatendichte). Jugendliche fangen mit dem Rauchen an, weil es andere auch tun und sie nicht abseits stehen wollen, weil sie damit das Gefühl bekommen, endlich zu den Erwachsenen zu gehören, und Mädchen wissen, dass die Zigarette ein wirksames Schlankheitsmittel ist.

Es ist doch nicht nur die Tabakindustrie, die mit ihrer Werbung verführt. Film und Fernsehen, die Magazine und Journale, die Mode- und die Freizeitindustrie, die Formel-Eins-Fahrer und die Fußballtrainer am Spielfeldrand, und nicht zuletzt die rauchenden Eltern führen jungen Menschen das Rauchen als einen coolen Genuß vor. Und so lange sie Rauchen als ein positives und zur Gesellschaft gehörendens Verhalten darstellen, werden Jugendliche zu rauchen anfangen und es auch weiterhin tun.

Nein, will man wirklich etwas erreichen, helfen nicht einmal Erhöhungen der Tabaksteuer, sondern nur strikte Verbote. Erst wenn die Gelegenheiten zum Rauchen (und für Jugendliche die Möglichkeiten zum Erwerb von Rauchwaren) drastisch reduziert werden, wird auch das Rauchen reduziert. Amerika ist mit strikten Rauchverbotsgesetzen vorangegangen, und mit Erfolg: Die Zahl der Herzinfarkte beginnt bereits zurückzugehen. Und in der EU hat Irland kürzlich Europas schärfstes Rauchverbotsgesetz in Kraft gesetzt.

Rauchen wird nicht durch Gedenktage, Broschüren und Apelle eingedämmt, sondern nur duch strikte regulatorische Maßnahmen.

Klaus Heilmann

Prof. Dr. med. Klaus Heilmann beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Risikoforschung, Krisenmanagement und Technikkommunikation. In der DAZ-Rubrik "Außenansicht" befasst sich Heilmann mit Themen der Pharmazie und Medizin aus Sicht eines Nicht-Pharmazeuten vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen.

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