Arzneimittel und Therapie

Die Steuerung der Fruchtbarkeit beginnt im Gehirn

Der weibliche Zyklus und damit letztlich auch die Fruchtbarkeit der Frau werden von bestimmten Hormonen kontrolliert, den Gonadotropinen, die im Hypophysenvorderlappen synthetisiert werden. Gesteuert wird deren Produktion und Ausschüttung von Gonadoliberin, einem übergeordneten Hormon aus dem Hypothalamus. Jetzt konnte gezeigt werden, dass eine kleine Zellpopulation von nur etwa 1000 Gonadoliberin-Neuronen diesen Vorgang in besonderer Weise steuert. Durch diese Kenntnisse könnten neue Therapieansätze zur Behandlung von Unfruchtbarkeit entwickelt werden.
Etwa ein Drittel aller Fälle von Unfruchtbarkeit ist auf Fehlfunktionen von Kontrollmechanismen im Gehirn zurückzuführen. Die Aufklärung zur Wirkungsweise der GnRH-Neuronen könnte neue Therapieansätze liefern.
Foto: Wyeth Pharma GmbH

Das Hormon Gonadoliberin, auch Gonadotropin Releasing-Hormon (GnRH), luteinisierendes Hormon Releasing-Hormon (LH-RH) oder follikelstimulierendes Hormon Releasing-Hormon (FSH-RH) genannt, wird im Hypothalamus gebildet. Die GnRH-Neuronen an der Eminentia mediana, eine gefäßreiche Region im Bereich des Hypophysenstiels, geben das Hormon in Stößen von 90 bis 120 Minuten (pulsatil) ins Blut ab. Dieser Vorgang wird vom Nucleus arcuatus, ebenfalls im Hypothalamus, reguliert.

Das Hormon wird im Hypophysenvorderlappen an einen Rezeptor (gonadotropin-releasing hormone receptor) gebunden. Dessen Aktivierung wiederum führt über einen Anstieg des intrazellulären Spiegels an Calciumionen zur eigentlichen Hormonwirkung, der Bildung und Sekretion der Gonadotropine im Hypophysenvorderlappen. Auch in der Brustdrüse, den Lymphozyten, dem Eierstock und der Prostata ist der genannte Rezeptor vorhanden.

Die Besonderheit der neuronalen Interaktion

Bislang war unbekannt, wie die einzelnen GnRH-Neuronen untereinander synchron arbeiten und die Hormonausschüttung koordiniert wird. Der Mechanismus der pulsativen Freisetzung von Gonadoliberin ist jedoch ein kritischer Moment für die menschliche Fruchtbarkeit. Durch Untersuchungen an transgenen männlichen und weiblichen Mäusen konnten die Wissenschaftler zeigen, wie ein kleiner Zellverband von etwa 1000 Neuronen eine zentrale Funktion zur Regelung der Fruchtbarkeit ausübt. Durch verschiedene Färbungs- und Bildgebungstechniken konnten sie zeigen, dass die Neuronen auf verschiedene Weise miteinander verknüpft sind, mehr als 80% der GnRH-Neuronen darüber hinaus untereinander auf eine ungewöhnliche Weise: Im Gegensatz zu den meisten Neuronen, die über chemische Synapsen interagieren, sind die GnRH-Neuronen durch Dendriten, lange verzweigte Zellfortsätze, miteinander verbunden.

Kontrollierte Aktivität der GnRH-Neuronen

Etwa ein Drittel aller Fälle von Unfruchtbarkeit bei Frauen soll auf Fehlfunktionen von Kontrollmechanismen im Gehirn zurückzuführen sein. In diesem Zusammenhang wird Gonadoliberin bereits therapeutisch bei Fruchtbarkeitsstörungen bei Frauen eingesetzt, um die Funktion der Eierstöcke anzuregen. Dabei wird das Hormon stoßweise in Intervallabständen von 60 bis 90 Minuten über Injektionspumpen in das Blut gegeben. Bei optimaler Wirkung wird durch das Hormon im Eierstock der Eisprung herbeigeführt. Die Beobachtung, dass eine synchronisierte Ausschüttung des Gonadoliberins über verbundene Dendriten von GnRH-Neuronen führt, könnte zu einer Entwicklung neuartiger Therapieansätze bei einer Vielzahl von Frauen mit Unfruchtbarkeit führen, etwa durch den Einsatz von Wirkstoffen, die die gebündelte Aktivität in dem kleinen Zellverband der GnRH-Neuronen gezielt kontrollieren.

 

Quelle

Campbell R.E.; et al.: Dendro-dendritic bundling and shared synapses between gonadotropin-releasing hormone neurons. Proc. Natl. Acad. Sci. (2009) 106(26): 10835 – 10840.

 


Dr. Hans-Peter Hanssen

 

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