Arzneimittel und Therapie

Wenn Männer in die Jahre kommen

Nicht nur ältere Frauen, sondern auch ältere Männer spüren Hormonveränderungen. Beim alternden Mann macht sich die nachlassende Testosteronproduktion vor allem durch eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit bemerkbar. Weil viele physiologischen Vorgänge im männlichen Körper testosteronabhängig sind, profitieren Männer mit nachgewiesenem Testosteronmangel von einer Hormonersatztherapie. Diese muß sorgfältig kontrolliert werden, um etwaige Nebenwirkungen vor allem an der Prostata frühzeitig zu entdecken.


Unter der männlichen Menopause versteht man die altersbedingte Abnahme der Testosteronsekretion aus den Hoden. Studien zufolge nimmt zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr der Anteil des biologisch aktiven Testosterons jährlich um 1,2 % ab.
Damit gehen eine Reihe unerwünschter Wirkungen einher: Die Muskelkraft schwindet, die Knochendichte nimmt ab, die sexuelle Lust vergeht, und Übellaunigkeit macht sich breit.

Neuroendokrines System


Normalerweise regen folgende Vorgänge die Testosteronproduktion und -freisetzung in den Hoden an: Ein wichtiger Teil des neuroendokrinen Systems ist der Hypothalamus, in dessen Neuronen das Gonadotropin-releasing-Hormon (GnRH) gebildet wird. Verschiedene neuronale Reize und Neurotransmitter geben den Impuls für die Freisetzung des GnRH in das Gefäßsystem, die nicht gleichmäßig, sondern pulsartig verläuft. Über einen Pfortaderkreislauf ist der Hypothalamus mit der Hypophyse, der Hirnanhangsdrüse, verbunden. GnRH stimuliert im Hypophysen-Vorderlappen, der Adenohypophyse, unter anderem die Synthese und Sekretion von Luteinisierendem Hormon (LH), das als "Gonadotropin" in den Leydig-Zwischenzellen der Hoden die Freisetzung von Testosteron auslöst. Diese Testosteronsekretion verläuft sowohl in einem zirkadianen Rhythmus mit Spitzen in den frühen Morgenstunden als auch in einem ultradianen Rhythmus mit Ausschüttungen alle 90 Minuten.

Gestörter Regelkreis


Im Alter nimmt der Testosteronspiegel ab, weil der hormonelle Regelkreis von Hypothalamus, Hypophyse und Hoden durch verschiedene Faktoren beeinträchtigt wird:

  • Im Vergleich zu jungen Männern wird weniger GnRH freigesetzt. Die Ursache dafür vermutet man in einem Rückgang der neuronalen Impulsstärke, die für eine ausreichende GnRH-Ausschüttung notwendig ist. So läßt sich beispielsweise bei älteren Männern weniger nervenstimulierendes Neuropeptid Y nachweisen.
  • Das LH setzt bei älteren Männern weniger Testosteron frei als bei jüngeren Männern. Der altersabhängige Rückgang der Steroidgenese in den Hoden kann mit Stimulationstests gezeigt werden. Stimuliert man etwa die Hoden mit humanem Choriongonadotropin (hCG), das ähnlich wie LH wirkt, produzieren ältere Männer weniger Testosteron als jüngere. Zudem geht der zirkadiane Rhythmus der Testosteronausschüttung verloren.

Niedrige Werte durch Krankheiten


Krankheiten senken zusätzlich die Testosteronspiegel, weil die Ausscheidung von LH in der Hypophyse gedämpft wird. Zytokine wie das Interleukin-1 alpha reduzieren nämlich die Häufigkeit und die Stärke der LH-Sekretion und beeinträchtigen darüber hinaus auch die Freisetzung von GnRH im Hypothalamus. Ähnlich wirken die durch Krankheitsstreß aktivierten Hormone, zum Beispiel das Corticotropin-releasing-Hormon (CRH), oder Opioide.

Hormonsubstitution nur bei Testosteronmangel


Biologisch aktives Testosteron ist für zahlreiche Wirkungen verantwortlich. So setzt es im Gewebe Wachstumshormone frei, die eine Zunahme von Muskelmasse und Muskelstärke bewirken. Im Knochengewebe kommt es zu einer vermehrten Freigabe von Zytokinen, die den Knochenstoffwechsel anregen. Testosteron vermehrt die Zahl der Erythrozyten im Blut und beugt damit Androgenmangelanämien vor. Außerdem stärkt es die Sexualfunktion. Wird ein Testosteronmangel diagnostiziert, so kann die Hormonsubstitution die Lebensqualität älterer Männer spürbar verbessern. Die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt zu, die Gefahr von Stürzen und Knochenbrüchen nimmt ab.

Auf die Prostata achten


Zu den Risiken einer Testosteronsubstitution gehören vor allem nachteilige Effekte auf die Prostata. Durch die Therapie können Prostatakarzinome oder benigne Prostatahyperplasien entstehen. Unbegründet scheinen jedoch Befürchtungen zu sein, die Testosteronsubstitution begünstige die Entstehung koronarer Herzkrankheiten durch eine Erhöhung der Lipidwerte und eine gesteigerte Thrombozytenaggregation. In mehreren klinischen Studien konnte nämlich gezeigt werden, daß die Testosteronsubstitution die Konzentration des Gesamtcholesterins und des LDL-Cholesterins senkt. Kontraindiziert ist die Hormonsubstitution, wenn ein Prostatakarzinom oder eine benigne Prostatahyperplasie diagnostiziert worden sind.

Spritze, Tablette oder Pflaster?


Derzeit gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Testosteronsubstitution:

  • Das Hormon kann wöchentlich intramuskulär gespritzt oder
  • täglich als Tablette eingenommen oder
  • als transdermales oder transskrotales Pflaster appliziert werden.


Bei den Pflastern kommt der zeitliche Verlauf der Wirkstoffresorption dem zirkadianen Rhythmus der physiologischen Testosteronausscheidung nahe. Die Applikation ist aber nicht unproblematisch: Wird das Pflaster auf die Skrotalhaut geklebt, muß der Hodensack zuvor rasiert werden. Andere Präparate, die auf die Brust oder eine andere Körpergegend geklebt werden, können eine Kontaktdermatitis verursachen. Unabhängig von der Darreichungsform sollten die Patienten alle sechs Monate untersucht werden. Dazu gehören die Kontrolle des Blutbildes und des PSA-Wertes (prostataspezifisches Antigen) sowie ein sorgfältiges Abtasten der Prostata. Literatur
Mulligan, T., M. Godschalk: Male menopause. Drugs of Today 34, 455-461 (1998). Michael Stein, München

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