Arzneimittel und Therapie

Degarelix hemmt die Testosteronproduktion

Degarelix ist ein neuer Gonadorelin-Antagonist, der für die Behandlung des metastasierten Prostatakarzinoms entwickelt wird. Die Zulassung in Europa und in den USA ist beantragt, Degarelix soll im kommenden Jahr auf den Markt kommen.
Antagonisten von Gonadorelin (auch GnRH, Gonadoliberin oder LHRH) wie Abarelix und Degarelix blockieren sofort und kompetitiv die hypophysären LHRH-Rezeptoren. Dadurch kommt es zu einem schnellen und reversiblen Abfall der Gonadotropine und Androgene. Gonadorelin-Agonisten senken die ­Testosteronspiegel im Blut innerhalb weniger Tage auf ein Kastrationsniveau.
Foto: DAZ/Hammelehle

Der erste Gonadorelin-Antagonist zur Therapie des Prostatakarzinoms war Abarelix (Plenaxis®), das im Februar 2008 eingeführt wurde. Degarelix ist ein neuer Wirkstoff derselben Stoffklasse. Wie Abarelix ist es zur Einleitung einer hormonalen Kastration bei fortgeschrittenem oder metastasierendem, hormonabhängigem Prostatakarzinom indiziert, wenn eine Androgensuppression erforderlich ist.

Ein Drittel ist bereits metastasiert

Jedes Jahr erkranken in Deutschland mehr als 48.000 Männer an einem Prostatakarzinom, bei etwa einem Drittel der Patienten endet die Krankheit tödlich. Prostatakarzinome wachsen relativ langsam und verursachen oft erst Beschwerden, wenn die Erkrankung bereits weit fortgeschritten ist und nicht mehr geheilt werden kann. Bei Diagnosestellung haben etwa 20 bis 30% der Patienten bereits Metastasen.

Meist wird die Diagnose zufällig im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung oder der transurethralen Resektion eines benignen Prostataadenoms gestellt.

Die radikale Prostatektomie, also die Entfernung der Prostata, ist in den meisten Fällen die Therapie der Wahl, oft kann der Tumor auch mit einer Strahlentherapie geheilt werden.

Chemische Kastration stoppt das Zellwachstum

Neben der Operation und der Strahlentherapie kann beim Prostatakarzinom auch eine Absenkung des Testosteronspiegels dazu beitragen, das Wachstum der bösartigen Zellen zu begrenzen. Am einfachsten ist dies durch eine chirurgische Kastration zu erreichen, und früher war das neben der Therapie mit Östrogenen die einzige Behandlungsmöglichkeit. Heute stehen verschiedene medikamentöse Alternativen zur Verfügung, mit denen eine hormonale Kastration erreicht werden kann, die in ihren Auswirkungen, nämlich der Absenkung des Testosteronspiegels, mit der Entfernung der Hoden vergleichbar ist.

Eingriff in hormonellenRegelkreis

Die Bildung der Sexualhormone unterliegt einem dreistufigen Regelkreis, der unter anderem durch negative Rückkopplung reguliert wird. Das im Hypothalamus gebildete Gonadorelin (Gonadotropin-Releasing-Hormon, GnRH; auch LHRH oder Gonadoliberin) stimuliert im Hypophysenvorderlappen die Bildung und Sekretion des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und des luteinisierenden Hormons (LH). Diese regen in den Testes und Ovarien die Bildung von Testosteron, Estrogenen und Gestagenen an.

Die ersten Arzneimittel, die für die chemische Kastration eingesetzt wurden, waren synthetische Gonadorelin-Agonisten wie Leuprorelin, Buserelin oder Goserelin. Diese binden als sogenannte Superagonisten mit höherer Affinität als das natürliche Hormon an den Gonadorelin-Rezeptor. Die ständige Rezeptorstimulation führt zur Herunterregulierung der Rezeptorzahl in der Hypophyse. Dadurch nimmt die Freisetzung der Gonadotropine FSH und LH aus dem Hypophysenvorderlappen ab.

Als Folge sinkt die Testosteronproduktion in den Hoden. Die Prostatakarzinompatienten, die auf diese Weise behandelt wurden, lebten genauso lange wie Patienten, denen die Hoden entfernt worden waren. Allerdings erreichen 2 bis 12,5% der Patienten das Therapieziel von unter 50 ng/dl Testosteron im Serum nicht.

Initialer Anstieg des Testosteronspiegels

Der Nachteil dieser Behandlungsmethode: Zu Beginn kommt es zu einer vermehrten Ausschüttung von LH und FSH. Dieses initiale Phänomen dauert in der Regel zehn bis 20 Tage. Dabei wird die Testosteronproduktion angeregt und das Wachstum der Krebszellen stimuliert. Als Folge kann es bei Patienten mit Metastasen zu Schmerzen des Skeletts, urethalen Obstruktionen und Rückenmarkskompressionen kommen.

Um diesem initialen Anstieg entgegen zu wirken, müssen Gonadorelin-Agonisten zu Beginn mit nichtsteroidalen Antiandrogenen kombiniert werden.

Chemische Kastration mit Gonadorelin-Antagonisten

Gonadorelin-Rezeptorenblocker wie die synthetischen Dekapeptide Abarelix und Degarelix bieten eine neue Möglichkeit der chemischen Kastration. Sie blockieren die Gonadoreli-Rezeptoren kompetitiv, bewirken die schnelle Senkung der Serumspiegel von LH und FSH und senken damit die Testosteronwerte innerhalb von einer Woche auf Kastrationsniveau.

Im Gegensatz zu den Gonadorelin-Agonisten kommt es dabei nicht zu einer initialen Testosteron-Anflutung, eine Kombination mit Antiandrogenen ist daher nicht nötig.

Da die Rezeptoren bei der Behandlung nicht verändert werden, normalisieren sich die Testosteronwerte rasch nach Absetzen der Therapie. Dadurch klingen auch die durch die Hormontherapie bedingten Begleiterscheinungen, wie Hitzewallungen, rasch wieder ab.

Injektion einmal monatlich

Degarelix wird einmal monatlich subkutan gespritzt. Nach der Injektion bildet das Peptid ein Hydrogeldepot, das den Wirkstoff über mehrere Wochen gleichmäßig freisetzt. Die Dosierungs-Empfehlungen für die Ein-Monats-Anwendungen betragen als Starterdosis 240 mg, gefolgt von einer monatlichen Erhaltungsdosis von 80 mg. Ein Drei-Monatsdepot für Degarelix befindet sich zur Zeit in der klinischen Entwicklung. Abarelix wird monatlich in einer Dosis von 100 mg als intramuskuläre Injektion mit einer zusätzlichen Injektion an Tag 15 verabreicht.

Degarelix unterdrückt Testosteronproduktion

Degarelix wird derzeit in mehr als 20 klinischen Studien untersucht. In einer Phase-III-Studie wurde die monatliche Verabreichung von Degarelix mit der monatlichen Gabe von 7,5 mg des Gonadorelin-Agonisten Leuprorelin in einer zwölfmonatigen randomisierten offenen Studie mit parallelen Gruppen an Patienten mit Prostatakarzinom verglichen. Im Vergleich zu Leuprorelin bewirkte Degarelix eine deutlich raschere Unterdrückung des Serum-Testosterons und des prostataspezifischem Antigens. Darüber hinaus konnten diese niedrigen Werte mit Degarelix während der gesamten zwölfmonatigen Studie gehalten werden.

Degarelix senkte Testosteron bei 96% der Patienten innerhalb von drei Tagen auf Kastrationsniveau, auf weniger als 50 ng/dl. Unter der Behandlung mit Leuprorelin konnte das bei keinem Patienten erreicht werden. Bis zum Tag 14 war dieser Testosteronwert bei allen der Patienten, die Degarelix erhalten hatten, erreicht, hingegen nur bei 18,2% der Leuprorelinpatienten.

Nach einer Behandlungsdauer von 14 Tagen waren die PSA-Werte bei den mit Degarelix behandelten Patienten um 64% (Medianwert) gesunken, bei den mit Leuprorelin behandelten Patienten dagegen nur um 18%. Beide Therapien wurden gut vertragen und zeigten ähnliche Nebenwirkungen. Die Nebenwirkungen kommen vor allem durch den Testosteronentzug zustande. Dazu gehören Hitzewallungen, Impotenz, Schlafstörungen, Minderung der sexuellen Triebkraft, Depressionen sowie Kraftlosigkeit, Schwäche und ein Anschwellen der Brustdrüsen.


Quelle

Prof. Dr. med. Thomas Ebert, Fürth; Prof. Dr. med. Jürgen Gschwend, München; Prof. Dr. med. Maurice Stephan Michel, Mannheim: Symposium "Hormontherapie und Prostatakarzinom: What’s known, what’s new, what’s next?” im Rahmen des 60. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Urologie, Stuttgart, 25. September 2008, veranstaltet von der Ferring Arzneimittel GmbH, Kiel.


hel

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