Aus Kammern und Verbänden

Bundestagsabgeordnete bekennen Farbe

Vier Mitglieder des Deutschen Bundestags waren einer Einladung des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg nach Stuttgart gefolgt und standen erst dem Moderator Elmar Esser, dann auch dem Publikum Rede und Antwort zu ihren gesundheitspolitischen Fragen. Das Thema lautete: "Rot, grün, schwarz, gelb – Farbe bekennen vor der Wahl: Welche Rezepte oder bitteren Pillen hat die Politik für Patienten und Apotheken?"
Moderator Elmar Esser und Biggi Bender Die Grünen-Politikerin trug gelassen ihre provokanten Ansichten zum künftigen Gesundheitswesen vor.

Foto: LAV Baden-Württemberg

Nachdem der EuGH in Luxemburg die Rechtmäßigkeit des deutschen Fremdbesitzverbots von Apotheken bestätigt hat, hat Deutschland sich ein gutes Stück Freiheit behauptet, sein Gesundheitswesen selbst zu regeln. Wie gehen die Politiker damit um, was steht demnächst auf der Agenda, wie sehen die langfristigen Ziele aus? Biggi Bender (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich überzeugt, dass das Thema "Apothekenketten" wieder auf die politische Tagesordnung kommen wird. Ihre Partei habe hierzu zwar keine explizite Aussage im Wahlprogramm gemacht, sie fordere aber generell mehr Wettbewerb der Leistungsanbieter im Gesundheitswesen; dazu gehöre auch ein Mix verschiedener Apothekenbetriebsformen, bei dem sich gute inhabergeführte Apotheken neben den Ketten behaupten könnten. Da wir nach Meinung von Bender derzeit ohnehin schon "heimliche Ketten" haben, wäre es im Sinne der Transparenz besser, die Ketten zu legalisieren. Mit dieser Position war Bender völlig isoliert auf dem Podium und ernte Proteste aus dem Publikum. Die Diskussion wechselte deshalb schnell zu einem anderen Thema: den neuartigen Vertriebsformen von Arzneimitteln, insbesondere durch den Versandhandel und die Pick-up-Stellen.

Pick-up …

Der SPD-Abgeordnete Peter Friedrich bedauerte zwar die Einrichtung von Pick-up-Stellen, sah aber nur geringe Chancen, sie wieder zu verbieten, nachdem ein höchstrichterliches Urteil ihre Rechtmäßigkeit bestätigt hat. Dagegen behauptete seine Kollegin Annette Widmann-Mauz (CDU), die SPD sei nicht bereit gewesen, das Problem noch in dieser Legislaturperiode durch ein Gesetz aus der Welt zu schaffen. Sie wandte sich entschieden gegen alle Formen von "Apotheke light" und forderte einen Ausbau der Beratungsqualität. Hier ergebe sich für die Apotheken eine Verpflichtung aufgrund ihrer Unabhängigkeit, für die sich ihre Partei weiterhin einsetzen werde. Der LAV-Vorsitzende Fritz Becker, der ebenfalls auf dem Podium saß, stimmte ihr zu, indem er sagte, dass die pharmazeutische Qualität der entscheidende Punkt im Wettbewerb der Apotheken sei. Die allseits geforderte Arzneimittelsicherheit gebiete es aber auch, die Pick-up-Stellen zu verbieten. Der FDP-Abgeordnete Ernst Burgbacher meinte dazu klipp und klar: "Pick-up muss weg!" Arzneimittel seien besondere Produkte, die deshalb nur in besondere Betriebe, nämlich in die Apotheken, gehören.

… und Versandhandel

Relativ einheitlich äußerten sich die Abgeordneten zum legalen Versandhandel mit Arzneimitteln. Das Bundeskriminalamt habe aufgrund seiner Erfahrungen nicht feststellen können, dass er die Arzneimittelsicherheit gefährde. Zu einem entsprechenden Ergebnis seien die Überwachungsbehörden gekommen, die laufend die Qualität der Versandhandelsapotheken prüfen und dabei keine überdurchschnittlich häufigen Beanstandungen aussprechen mussten. Die Politiker widersprachen auch unisono der Befürchtung der Apotheker, dass der Versandhandel die Existenz der Apotheken im ländlichen Raum untergrabe. Entscheidend für deren Existenz sei vielmehr, dass dort die Arztpraxen erhalten bleiben. Wichtig sei ein Gesamtkonzept für die flächendeckende Versorgung.

Wie viel Kaufmann soll der Apotheker sein?

Zwei Änderungen der Arzneimittelpreisbildung, nämlich die Einführung des Fixzuschlags bei Rx-Präparaten und die Aufhebung der Preisbindung bei OTC-Präparaten, haben sich nach Meinung der Politiker im Wesentlichen positiv augewirkt. Bender erinnerte an den Bußgeldbescheid, den das Kartellamt 2008 an den LAV wegen der Aufforderung zu Preisabsprachen im OTC-Markt verhängt hatte und der etwas Bewegung in den Markt gebracht habe – aber vielleicht noch nicht genug. Jedenfalls bedauerte Friedrich (SPD), dass Apotheken mit einem besonders hohen OTC-Anteil am Umsatz wirtschaftlich besser dastehen als Apotheken, die vor allem vom Rezeptgeschäft leben. Auch Widmann-Mauz (CDU) hält das gegenwärtige Modell zwar nicht für tadellos, aber für praktikabel. Ihrer Meinung nach gehört das Kaufmännische zum Heilberuf dazu. Wer sich mehr anstrengt, soll dafür auch belohnt werden.

Rabattverträge

Die bei Apothekern und Patienten ungeliebten Rabattverträge stellten die Politiker nicht zur Disposition, mit Ausnahme von Burgbacher (FDP). Er behauptete, der mit ihnen verbundene Aufwand sei höher als die mit ihnen erzielten Einsparungen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht werde mit den Rabattverträgen Geld verbrannt. Becker hieb in diese Kerbe und kündigte an, dass der Deutsche Apothekerverband vom Bundesgesundheitsministerium schriftlich um Aufklärung bitten werde, wie viel Ausgaben die Krankenkassen aufgrund der Rabattverträge gespart haben. Als Alternative nannte er die von den Apothekerverbänden in der Vergangenheit wiederholt vorgeschlagenen Zielpreisvereinbarungen. Zugleich betonte er, dass die Apotheken kooperativ sind und die Rabattverträge so gut wie möglich umsetzen. Allerdings müsse die Apotheke die Möglichkeit haben, unter einer Mindestanzahl von Präparaten – beispielsweise drei – auszuwählen.

Widmann-Mauz kritisierte zur Freude der Anwesenden, dass die Aut-idem-Regelung nun auch für Präparate mit uneinheitlichen Indikationen gelten soll. Mancher Patient werde glauben, dass er ein falsches Arzneimittel erhalten hat, und es nicht einnehmen. Doch die falsche oder unterlassene Einnahme von Arzneimitteln könne hohe Kosten nach sich ziehen. Dieses von den Apothekern immer wieder vorgetragene Argument der Non-Compliance hat demnach zumindest bei einigen Politikern Gehör gefunden.

Bender betonte, dass die Rabattverträge zur Verringerung der Krankenkassen beigetragen haben, was eine durchaus wünschenswerte Begleiterscheinung sei; kleine Kassen seien nämlich überfordert, diese überaus komplexen Verträge auszuarbeiten und zu verhandeln. Ansonsten forderte Bender die Apotheker auf, sich stärker in der integrierten Versorgung zu engagieren. Durch die Verzahnung der Leistungsanbieter lasse sich viel Geld einsparen.

Brauchen wir mehr oder weniger Staat?

Brauchen wir mehr oder weniger staatliche Einflussnahme im Gesundheitswesen? Burgbacher behauptete, dass der Staat den Leistungsanbietern zu viele Vorgaben macht. Deshalb fühlen sich die Heilberufler überwacht, und darunter leide die Qualität ihrer Arbeit. Der Staat solle klare Regeln für den Markt aufstellen und dann den Akteuren das Feld überlassen, anstatt immer wieder einzugreifen. Becker nannte hier konkret die von den Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband im November 2008 beschlossene Kürzung des Zwangsrabatts von 2,30 Euro auf 1,70 Euro, die das Gesundheitsministerium verhindert hat.

Friedrich vertrat hierzu die entgegengesetzte Position. Das Gesundheitsministerium sei die oberste Aufsichtsbehörde und müsse Verträge, die die Marktteilnehmer untereinander schließen, im Hinblick auf ihre Auswirkungen prüfen. Letzten Endes sei die Regierung für die Versorgungssicherheit verantwortlich.

Wird Hecken Minister?

Widmann-Mauz musste herbe Kritik wegen des Verhaltens ihrer saarländischen Parteikollegen Peter Müller und Josef Hecken, der als künftiger Gesundheitsminister gehandelt wird, einstecken, weil sie einer DocMorris-Kettenapotheke die Betriebserlaubnis erteilt hatten. Sie hielt dem entgegen, dass die CDU als große Volkspartei auch ein breites, oft widersprüchliches Meinungsspektrum umfasse, dass aber für alle gewählten Abgeordneten der nächsten Legislaturperiode das Wahlprogramm verbindlich sei, in dem sich die CDU gegen Kettenapotheken ausgesprochen habe. Daher müssen auch Politiker, die persönlich eine andere Meinung haben, die Parteilinie vertreten, selbst wenn sie ein Ministeramt erhalten sollten. Einen Apotheker, der während der Veranstaltung demonstrativ seinen CDU-Parteiausweis zurückgab, forderte Widmann-Mauz auf, seinen Schritt noch einmal zu überdenken.

Im Schlusswort forderte Becker die Politiker auf, im Gesundheitswesen nicht dem Geld die oberste Priorität zu geben, sondern vor allem das Wohl der Patienten im Blick zu haben.

cae

Gespannte Aufmerksamkeit Etwa 200 Apothekerinnen und Apotheker folgten der politischen Diskussion.

Foto: LAV Baden-Württemberg
Annette Widmann-Mauz und Fritz Becker Die CDU-Politikerin nimmt das aus der Aut-idem-Regelung resultierende Compliance-Problem ernst.

Foto: DAZ/cae
Uneins darüber, wo der Staat in den Gesundheitsmarkt eingreifen darf und soll: Ernst Burgbacher, FDP (links), und Peter Friedrich, SPD.

Foto: DAZ/cae

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