Gesundheitspolitik

Pick-up-Stellen und Großhandelsspanne bleiben ungeregelt

Bundestag gibt grünes Licht für die 15. Novelle des Arzneimittelgesetzes

Berlin (ks). Der Bundestag hat am 18. Juni in 2./3. Lesung den Entwurf für das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften ("15. AMG-Novelle") beschlossen. Tags zuvor hatte der Gesundheitsausschuss des Bundestages noch eine Reihe von Änderungsanträgen durchgesetzt. Dabei fiel auch die umstrittene Neuregelung der Großhandelsspanne aus dem Gesetzestext. Besiegelt wurde zudem, dass es bis auf Weiteres keine gesetzliche Regelung geben wird, um Arzneimittel-Pick-up-Stellen zu unterbinden oder an Bedingungen zu knüpfen.

Bis zuletzt hatten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD um Änderungsanträge zur Großhandelsspanne sowie Pick-up-Stellen gerungen – einigen konnten sie sich jedoch nicht. Eine Regelung zu den Arzneimittel-Abholstellen hatte es bislang ohnehin noch nicht in den Regierungsentwurf geschafft. Aber auch der in diesem Entwurf bereits enthaltene Auftrag an die Bundesministerien für Gesundheit und Wirtschaft, einen Vorschlag zur Neugestaltung dieser Großhandelsvergütung vorzulegen, wurde nun gestrichen. Die ursprünglich auf Grundlage eines Vorschlags des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) geplante Umstellung der Großhandelsspanne auf einen prozentualen Höchstzuschlag auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und einen Fixzuschlag wird somit nicht realisiert. Noch wenige Tage vor der abschließenden Beratung des Gesetzes wurden die unterschiedlichsten Kombinationen von Fix- und prozentualem Zuschlag diskutiert – die Vorstellung des Phagro von 93 Cent pro Packung plus 3 Prozent Aufschlag waren bereits aufgegeben. Die Großhändler hätten sich mit weit geringeren Spannen zufrieden geben müssen, wäre es zu einer Einigung gekommen – und das hätte mit Sicherheit auch spürbare Folgen für die Apotheken gehabt.

Beim Phagro zeigte man sich von der kurzfristigen Änderung enttäuscht. "Dies scheint der Tatsache geschuldet, dass diese Entscheidung mit weiteren Forderungen und Bedingungen verknüpft wurde, die aus Sicht des Phagro und unserer Marktpartner, offensichtlich aber auch nach Meinung des Gesetzgebers nicht akzeptabel sind", sagte Vorstandschef Thomas Trümper. Offenbar gab es Forderungen, die Rabatte an Apotheken noch weiter zu beschränken, als es ohnehin bereits vorgesehen war – denn auch im Phagro-Vorschlag sollte nur der variable Aufschlag Rabatten zugänglich sein. Zur Debatte stand etwa, dass die Apotheken den Großhandelszuschlag auch an die Kassen abzuführen hätten, wenn sie die Arzneimittel im Direktvertrieb beziehen. Im Grunde sei er jetzt froh, dass es nun nicht zu einer verschärften Anpassung der Vergütung und der damit verbundenen Bedingungen kommt, so Trümper. "Denn diese wären weder für uns noch für unsere Marktpartner akzeptabel gewesen".

Bestand hatte dagegen der – vor allem von den Pharmaverbänden stark kritisierte – Belieferungsanspruch des Großhandels gegenüber Arzneimittelherstellern. Er wurde jedoch dahingehend konkretisiert, dass für bestimmte Arzneimittel, für die im AMG ein besonderer Vertriebsweg vorgesehen ist oder die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht über den Großhandel ausgeliefert werden können, dieser Lieferanspruch nicht gilt.

Für einige Apotheken von Relevanz ist zudem die erfolgte Klarstellung zu Fertigarzneimitteln, die in Zubereitungen verwendet werden und nun aus der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ausgeschlossen sind: Liegt keine Vereinbarung über abrechnungsfähige Preise für diese Fertigarzneimittel vor, dürfen Apotheken höchstens die Apothekeneinkaufspreise berechnen, die sich bei Anwendung der AMPreisV ergeben hätten. Überdies bestimmt eine bis zum 11. Dezember 2011 befristete Übergangsregelung die Höhe der abrechnungsfähigen Fest- und Rezepturzuschläge für die Zubereitung von Stoffen in der Apotheke. Sie gelten nur so lange, bis entsprechende Vereinbarungen zwischen Apothekerverband und Krankenkassen über Apothekenzuschläge vorliegen. Die CDU-Gesundheitspolitiker Annette Widmann-Mauz und Wolf Bauer zeigten sich mit der nun gefundenen Lösung zufrieden: Man habe "Regelungen getroffen, die Transparenz und Wettbewerbsgleichheit zwischen Apotheken, Krankenhäusern und Herstellbetrieben schaffen".

Enttäuschung über Uneinigkeit bei Pick-ups

Bauer und Widmann-Mauz bedauern allerdings, "dass es in der Koalition bis zuletzt nicht gelungen ist, Einigkeit über die Notwendigkeit eines Verbots des Rezeptsammelns in Gewerbebetrieben zu erreichen, mit dem man den Auswüchsen des Versandhandels durch Pick-up-Stellen hätte wirksam entgegentreten können". Auch die SPD-Abgeordnete Marlies Volkmer zeigte sich enttäuscht. Keiner der vorgeschlagenen Wege habe eine Mehrheit finden können: weder ein Verbot des Rx-Versandhandels noch ein Verbot des Rezeptsammelns in Gewerbebetrieben oder der Pick-up-Stellen selbst. Volkmer sieht skeptisch in die Zukunft: "Wenn ein Arzneimittel auch in einem Blumenladen oder an einer Tankstelle bestellt werden kann, geht das Bewusstsein über die damit verbundenen Risiken und Nebenwirkungen verloren". Zudem seien Verbote umso schwieriger umzusetzen, wenn sich die neuen Marktteilnehmer erst einmal etabliert haben. Selbst die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender, hielt der Großen Koalition vor, bei Qualitätskriterien für Pick-up-Stellen des Arzneimittelversands "zerstritten und ohne Vorschlag" geblieben zu sei. Dass auch jegliche gesetzliche Vorgaben zur Umstellung der Großhandelsspanne entfallen sind, ist für Bender "eine politische Bankrotterklärung der Regierungskoalition". Die beschlossene Lieferpflicht der Arzneimittelhersteller an den pharmazeutischen Großhandel passt der Grünen ebenfalls nicht: Mit ihr zementiere die Koalition Strukturen und erschwere den Wettbewerb um den Vertrieb. Insgesamt, so monierte Bender, habe die Koalition ein "Sammelsurium an gesundheits- und pflegepolitischen Themen" durch das Parlament "gepeitscht", das an Unübersichtlichkeit nicht zu übertreffen sei.

Tatsächlich wurde die 15. AMG-Novelle, die in erster Linie die deutschen Regelungen an europäische Verordnungen über Kinderarzneimittel sowie über Arzneimittel für neuartige Therapien anpassen sollte, genutzt, um im "Omnibusverfahren" eine Vielzahl von Neuerungen durchzusetzen. Sie betreffen Arzneimittelfälschungen ebenso wie das Krankengeld, die elektronische Gesundheitskarte, die ärztliche Vergütung oder die Hilfsmittelversorgung.

Nun wird die 15. AMG-Novelle am 10. Juli im zweiten und letzten Durchgang im Bundesrat beraten. Dieser ist jedoch nicht zustimmungpflichtig. Das Gesetz wird im Wesentlichen einen Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Dies wird voraussichtlich im September 2009 sein.

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