Gesundheitspolitik

Das Warten auf die AOK-Rabattverträge

Der Ernst der neuen AOK-Rabattverträge beginnt für Apotheken voraussichtlich im Mai

Berlin (ks). Der 1. März rückt näher – doch dass die neuen AOK-Rabattverträge wie geplant zu diesem Stichtag sämtlich wirksam werden, ist mittlerweile ausgeschlossen. Das bestätigte Karl-Heinz Schönbach vom AOK-Bundesverband am 18. Februar in Berlin. Zugleich stellte er klar, dass die AOK um einen vertrauensvollen Umgang und einen kontinuierlichen Dialog mit allen Beteiligten – insbesondere den Apothekern – bemüht ist. Das ist auch nötig, denn auf die Apotheken kommt mit dem Start der Verträge erneut viel unbezahlte Erklärungsarbeit zu.

Anlässlich einer Diskussionsveranstaltung des Branchenverbandes Pro Generika zum Thema Rabattverträge zeigte sich Schönbach überzeugt, dass die kommenden AOK-Verträge die ersten Rabattverträge sein werden, die auch tatsächlich wirken. Kein gutes Haar ließ er an den verbreiteten Sortiments-Verträgen anderer Kassen. Die Generikaindustrie habe die Kassen mit derartigen "light"-Verträgen "geflutet" – mit dem Ergebnis, dass sie letztlich keine Wirkung zeigten. Aber auch die ersten beiden Ausschreibungsrunden der AOKen haben Schönbach zufolge kaum wesentliche finanzielle Auswirkungen gehabt. Bei der nun anstehenden Vertragsrunde verspricht sich die AOK dagegen Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich. Und dass es diesmal um einiges besser läuft als bei den vorangegangenen Ausschreibungen, zeigten die Entscheidungen der Vergabekammern und Sozialgerichte: "Wir laufen von Etappensieg zu Etappensieg", so Schönbach. Er betonte, dass die Apotheker gerade in der Anfangszeit der neuen Verträge keine Retaxationen fürchten müssten. Man werde sich auch weiterhin regelmäßig mit Vertretern des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) und der Landesapothekerverbände treffen und die vertrauensvolle Zusammenarbeit fortsetzen. Monika Koch, Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbandes und Mitglied des DAV-Vorstandes, zeigte sich ebenfalls "sehr optimistisch, dass sich das Chaos der ersten Verträge nicht wiederholen wird". Angesichts der regelmäßigen Gespräche mit der AOK sei zu erwarten, dass ausreichende Übergangsregelungen gefunden werden. Sie verwies darauf, dass es rund sechs Wochen dauere, bis die Meldung zu einem neuen Rabattvertrag in die Apotheken-EDV eingespeist sei. "Was aber nicht in der EDV erscheint, muss der Apotheker auch nicht berücksichtigen", so Koch. Mithin dürfte es erst um den 1. Mai ernst mit den neuen AOK-Rabattverträgen werden – vorausgesetzt, sie können nach den nun noch anstehenden Gerichtsentscheidungen Mitte März anlaufen.

Apotheker mit 650 Mio. Euro belastet

Koch verwies zudem auf die Belastungen für Apotheker: Auf sie komme abermals eine vollständige Umstellung des Warenlagers zu. Auch die Verfügbarkeit der Rabattarzneien ist aus ihrer Sicht mit Fragezeichen versehen. Darüber hinaus hätte sie es im Hinblick auf die Compliance der Patienten lieber gesehen, wenn die AOK nicht nur einen Zuschlag je Wirkstoff und Region erteilen würde, sondern eine Auswahl von drei oder vier Herstellerfirmen bestünde. Koch verwies überdies auf eine Studie, die im Zusammenhang mit den Verhandlungen zwischen Kassen und DAV um die Neufestsetzung des Apotheken-Zwangsrabatts erstellt wurde: Danach sind die Apotheken insgesamt durch die Umsetzung der Aut-idem-Regelung um 650 Mio. Euro jährlich belastet. Dazu wurde der Zeitaufwand für die Bedienung eines Rezeptes mit Aut-idem-Kreuz mit jenem für ein Rezept ohne Kreuz verglichen. Dividiert durch die 21.000 deutschen Apotheken bedeutet dies eine Belastung von fast 31.000 Euro pro Apotheke. Koch betonte, dass in diesem Betrag nicht einmal apothekenspezifische Zusatzkosten enthalten seien – etwa die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes. Auch wenn die Kommunikation mit der AOK offenbar funktioniert, machte Koch deutlich, dass ihr ein Leben ohne Rabattverträge lieber wäre. "Wir Apotheker können mit Festbeträgen am besten leben", betonte sie. Hier habe man die Auswahl: Patienten könnten sich entscheiden, ob sie ein zuzahlungsfreies Präparat haben möchten, oder sogar zu einer Aufzahlung bereit sind.

Gewinner gibt es nicht

Wolfgang Späth vom Vorstand der Hexal AG und Vorstandsvorsitzender von Pro Generika, übte erneut heftige Kritik an den AOK-Rabattverträgen. Auch wenn sein Unternehmen offenbar recht großzügig mit Zuschlägen bedacht sein wird, sieht er sich nicht als "Gewinner" der Ausschreibung. "Den Zuschlag bekommt nur, wer in den Bereich der Grenzkosten oder darunter geht", so Späth, die Profitabilität sei daher sehr fraglich. Ebensowenig wird aus seiner Sicht die AOK langfristig als Gewinner dastehen. Die von ihr ausgeübte enorme Nachfragemacht, mit der in den jeweiligen Losen alle Hersteller bis auf einen ausgeschlossen werden, werde die Generikaindustrie insgesamt schwächen und damit auch den Wettbewerb verringern. Den Vorwurf Schönbachs, die Industrie habe die Kassen mit sinnlosen Portfolio-Verträgen überflutet, wies Späth zurück: Die Industrie habe das Instrument der Rabattverträge nicht geschaffen, sondern lediglich versucht, es mit Leben zu füllen. Schließlich sei es darum gegangen, nicht gänzlich aus dem Markt zu verschwinden.

Kein Freund der Rabattverträge ist auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Patienten und Versicherte (DGVP), Wolfram-Arnim Candidus. Er sieht durch die zunehmenden Rabattierungsschlachten das Inidividuum Mensch zurückgedrängt. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, Uwe Kraffel, machte seinem Ärger über die Rabattverträge Luft. Die neue manipulationsfreie Praxissoftware erschwere leider auch, die Rabattverträge zu durchschauen. Zudem torpedierten die Verträge die Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Ärzte, da hier immer der Listenpreis der verordneten Arzneimittel zugrunde gelegt werde.

Doch eingestampft werden die Rabattverträge mit Sicherheit nicht so schnell. Allerdings sprach auch Schönbach sich dafür aus, das in den letzten 20 Jahren erschaffene Steuerungsinstrumentarium im Arzneimittelbereich neu zu ordnen. Eine "Zwei-Komponenten-Methode" wird es seines Erachtens jedoch niemals geben. Aber es sei auch nicht haltbar, dass man wie derzeit ein "Doppelstudium" brauche, um die diversen Regelungsinstrumente zu durchschauen.

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