Wirtschaft

DAX: Weckruf für Träumer

Anleger erhoffen sich von Obama Wunder. Der aber kocht nur mit Wasser. Und selbst das ist nicht mehr ganz frisch.

(hps). Angekündigt wurde die Rede als "das entscheidendes Ereignis des Jahres". Von dem Bankenrettungspaket von Finanzminister Geithner versprach sich die Börse den Königsweg aus der Kreditkrise, leicht und einfach zu begehen. Doch was Geithner dann anzubieten hatte, klang unausgegoren – und ein bisschen hoffnungslos.

Die aktuelle Marktlage

Kein großer Wurf und kein Ansatz zur Lösung der Probleme – so beurteilte ein Analyst die Vorstellung des Rettungspaketes – das dominierende Thema der letzten Woche. In der Tat blieben viele Detailfragen offen: Wie genau will man private Investoren dazu bewegen, den Banken die Schrottpapiere abzukaufen? Und zu welchem Preis? Die Geldinstitute wollen einen guten Kurs haben, die Käufer aber sind nicht bereit, Fantasiepreise für etwas zu bezahlen, was gegenwärtig nicht einmal einen Marktwert hat. Wenn heute den Verantwortlichen die Größenordnung von 2 Billionen Dollar relativ leicht über die Lippen geht, müssen Investoren den Eindruck gewinnen, dass die Lage inzwischen nur noch durch Verzweiflungsakte zu retten sei. Präsident Obama zeigte sich denn auch enttäuscht von den massiven Kursverlusten an der Wall Street im Anschluss an Geithners Rede. "Die Wall Street hofft wohl auf einen leichten Ausweg aus dieser Angelegenheit. Aber es gibt keinen leichten Ausweg", so der Präsident. Tatsächlich dürften sich die Akteure langsam fragen, ob die Finanzmärkte dieses Abenteuer überhaupt überleben werden. Und wenn ja, zu welchem Preis?

Aus der Perspektive der Analysten

Mit der technischen Erholung beim DAX melden sich auch wieder die ersten Optimisten zu Wort. So wittern etwa die Analysten der NordLB beim DAX eine ausgeprägte Bodenbildung. Zur Begründung führen die Experten an, dass die sehr schwachen US-Konjunkturdaten bereits eingepreist seien. Ähnlich auch die Strategen der Allianz Global Investors, die insbesondere die niedrige Bewertung und die ansprechende Dividendenrendite am Aktienmarkt hervorheben. Wirklich ambitioniert präsentiert sich die Baader Bank, die unter Hinweis auf die Charttechnik einen Vorstoß bis auf 5000 Punkte für möglich hält.

Die Experten der Weberbank und der HSBC-Bank sind dagegen deutlich vorsichtiger. Sie halten einen Einstieg in den Aktienmarkt für verfrüht. Schlechte Unternehmensmeldungen und der drastische Arbeitsplatzabbau in den USA sorgten auch weiterhin für düstere Aussichten am Parkett.

Ausschlaggebend bei der jüngsten Kurserholung dürfte das Urteil der Chartanalysten gewesen sein. Die Gilde geht davon aus, dass der dreifache Test der Region um die 4200 DAX-Punkte nach allen Regeln der Kunst eine nachhaltige Bodenbildung darstellt. Zuletzt wurde es allerdings um die frisch gebackenen Bullen wieder ruhiger, als die Bankrettungspläne am Parkett durchfielen.

Musterdepot und Strategie

Der DWS Russia Fonds schlägt sich ganz wacker. Unser Anlagehorizont ist hier aber mittelfristig ausgerichtet und das Öl hat noch einen steinigen Weg vor sich.

Bei den Optionsscheinen bauen wir erste Positionen ab. Aufgelöst werden die Put Optionsscheine der Telekom mit einem Plus von 58 Prozent und der RWE mit plus 40 Prozent. Bei ThyssenKrupp hat sich der Markt am Mitbewerber ArcelorMittal orientiert und ist zunächst nach oben gezogen. Wir setzen hier ein Verkaufslimit, das dem Umstand Rechnung trägt, dass die Aktie zunächst in die falsche Richtung lief. Der Optionsschein liegt nun bereits 2 Wochen im Depot. Eine Anlagedauer, die bei Termingeschäften bereits grenzwertig ist. Hier reicht es eben nicht, das man "irgendwann" Recht bekommt. Gleiches gilt für den Lufthansa-Put.

DAX am 12. Februar (13.00 h): 4441 Punkte.

Aus der Sicht des Querdenkers


Kurzfristige Horrorszenarien ausblenden, massive Produktionskürzungen und Massenentlassungen als "normale Daten" interpretieren und stattdessen auf den langfristigen Erfolg von Kostensenkungen und Konjunkturpaketen hoffen – das sind die typischen Anzeichen einer technischen Gegenbewegung an der Börse, die man ja schließlich irgendwie begründen muss. Zuvor war man am Parkett fast einhellig davon ausgegangen, dass der DAX unter die magische 4000er Marke fallen würde. Das war der einzige Schönheitsfehler – diese Einhelligkeit. Ansonsten ist die Idee schon richtig.

Nach den Plänen des US-Finanzministers sollen – anstatt einer rein staatlichen "Bad Bank" – auch private Investoren dazu gewonnen werden, die "Schrottpapiere" aufzukaufen. Dafür sind rund 500 Milliarden Dollar angedacht. Weitere 1000 Milliarden stehen für die Emission von Wertpapieren zur Verfügung, aus deren Erlös Konsumdarlehen finanziert werden sollen. Geithner selbst bezeichnete seinen Plan als "teures, zeitraubendes und riskantes Unterfangen". Man merkt es schon: Auch die Regierung Obama will nicht richtig an die Banken ran. Stattdessen überhäuft er sie mit Geld in der Hoffnung, dass sie es endlich wieder verleihen mögen. Eine Verstaatlichung käme aber vermutlich wesentlich billiger und wäre in puncto Geldvergabe effizienter. Die überflüssigen Banker machen dann sicher irgendwo anders Karriere – in Somalia zum Beispiel, als Seeräuber. Wie böse Zungen behaupten, würden sie dort ja als berufliche Quereinsteiger schon über beachtliche Vorkenntnisse verfügen. Aber im Ernst: Über die Konsequenzen dieser derart massiven Staatsverschuldung sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Inflation, steigende Zinsen, Steuererhöhungen und auf mittlere Sicht ein schwächeres Wachstum sind vorgezeichnet. Am Ende wird die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinanderklaffen. Letzteres wird sich die Börse allerdings wohl kaum zum Problem machen.

Die Märkte dürften diesem Umfeld mit hohen Kursschwankungen begegnen. Dabei werden die Pessimisten mit einem möglichen Systembankrott, wenigstens aber mit jahrelangem Siechtum in der Wirtschaft argumentieren, während die Optimisten auf die gigantischen Hilfsprogramme verweisen können, die für einzelne Unternehmen durchaus satte Gewinne versprechen. Wenn alles nach "Drehbuch" läuft, ist ein erneuter Kurseinbruch in Richtung 4000 DAX-Punkte überfällig. Danach könnten die gewaltigen Geldströme aus den Konjunkturprogrammen zum Thema werden. Das lässt hoffen und wird die Kurse treiben. Viele Investoren versuchen nun hier den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Davor kann man indes nur warnen. Der DAX scheint mit Blick auf die weitere Entwicklung der Unternehmensergebnisse völlig überbewertet.


Peter Spermann


Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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