DAX am Tropf des billigen Geldes

Ernüchternde US-Wirtschaftszahlen – Börsen stützen sich auf Übernahmephantasien

(hps). Die weiter zunehmende Arbeitslosigkeit in den USA irritiert die Börsen. Und die Tatsache, dass sich das Tempo beim Jobabbau verlangsamt hat, bietet auch keinen Trost mehr. Doch die Händler am Parkett können noch immer auf das viele Geld an den Seitenlinien verweisen, das angeblich nur auf seinen Einsatz wartet – begünstigt durch die Niedrigzinspolitik der Notenbank. Davon profitieren auch die Unternehmensübernahmen.

Die meisten Analysten billigten dem Ausgang der Bundestagswahl von vorneherein keinen nachhaltigen Impuls zu. Die Frage schien nur zu sein: Setze ich mein Geld auf Betreiber von Atommeilern oder auf Aktien der Solarenergie? Der Wahlbonus war entsprechend schnell aufgebraucht und man ging nach einem kurzen Freudensprung schnell wieder zur Tagesordnung über – die da lautet: Konjunkturaussichten, Exit-Strategien der Notenbanken und die hohe Marktbewertung. Doch auch diese Faktoren scheinen derzeit eher nur als schmückendes Beiwerk der liquiditätsgetriebenen Hausse zu dienen. Die Analysten orientieren sich vorwiegend an charttechnischen Marken. Fällt eine Hürde, werden weitere Kaufaufträge automatisch freigeschaltet. Gegenwärtig kämpft der DAX mit der 5750er Marke. Dieser Widerstand ist seit dem 17. September mehrfach angetestet worden. Viele Händler gehen davon aus, dass auch diese Hürde fallen wird. Als Stütze könnte sich dabei das neu aufgeflammte Fusionsfieber erweisen, womit sich so manche negative Meldung aus der Wirtschaft in den Hintergrund drängen lässt.

Die kommende Woche –Perspektive der Analysten

"Solange es so viele Skeptiker gibt, ist der DAX nicht totzukriegen", so ein Aktienhändler von der Postbank in Anspielung auf die angeblich noch zahlreichen unterinvestierten Marktteilnehmer. Viele Analysten erwarten, dass der DAX den Widerstand bei 5750 Punkten überwinden und dann zügig die 6000er Marke angehen wird. Ein Experte der Investmentbank Equinet erwartet sogar, dass es mit dem DAX in diesem Fall "brutal" nach oben gehen wird. Auch die Charttechniker halten unverändert an dem Kursziel von 6000 DAX-Punkten fest. Einige erwarten sogar 6500 Punkte.

Musterdepot und Strategie

Der DAX kommt nicht mehr vom Fleck, die Tage mit roten Vorzeichen mehren sich. Bei Beiersdorf hatte man bislang das gute Konsumklima honoriert, die Realität dürfte nach der Wahl aber anders aussehen. Der Beiersdorf Put der Citigroup (WKN CG5RVS) mit Basis 38 Euro (aktuell 40,20) hat eine Laufzeit bis November. Die Telekom dürfte sich ebenfalls totgelaufen haben. Put auf Telekom von der Commerzbank (WKN CM0E64) mit Basis 9 Euro (aktuell 9,50) und Laufzeit November. Zuletzt noch ein Put auf Linde der Commerzbank (CM0EM3) mit Basis 70 Euro (aktuell 74,30), ebenfalls mit Laufzeit November.

DAX am 1. Oktober (8.15 h): 5677 Punkte.

Aktie
zum
Kurs
Tipp
vom
Kurs
aktuell
Veränderung
in %
Strategie
SAP Put 10/09
WKN: CG5NWL
0,11
02.09.
0,09
– 18%
Halten
BMW Put 11/09
WKN: CG5RWU
0,19
09.09.
0,24
+ 26%
Kaufen
Bayer Put 12/09
WKN: DB68DS
0,30
17.09.
0,31
+ 3%
Kaufen
Adidas Put 11/09
WKN: CG74HM
0,21
17.09.
0,21
+/– 0%
Kaufen
Lufthansa Put
WKN: CG5SWR
0,05
24.09.
0,064
+ 28%
Kaufen
Beiersdorf Put
WKN: CG5RVS
0,079
30.09.
neu
Kaufen
Linde Put
WKN: CM0EM3
0,11
30.09.
neu
Kaufen
Telekom Put
WKN: CM0E64
0,19
30.09.
neu
Kaufen
zum Vergleich:
DAX seit 8. 1.
4871,00
5677,00
+ 17%
Die Angaben zu Aktienkäufen im Musterdepot und im Artikel sind nur fiktiv zu verstehen, es handelt sich dabei keinesfalls um Kaufempfehlungen.

Aus der Sicht des Querdenkers

Ein Rückgang der Auftragseingänge im 3. Quartal bei Siemens um 20 Prozent gegenüber Vorjahr, ein Einbruch der Ordertätigkeit im gesamten Maschinenbau im August um 43 Prozent – von der Erholung, die an der Börse gespielt wird, keine Spur. Den Fakten wird man am Parkett irgendwann einmal ins Auge sehen müssen, auch wenn sich in den Sehorganen der Händler derzeit nur das Dollarzeichen widerspiegelt. Das billige Notenbankgeld scheint inzwischen die einzige Richtschnur für das Handeln der institutionellen Anleger zu sein. Ihren Kunden empfehlen die Geldhäuser unisono bei Kursschwäche den Einstieg, tagtäglich stufen sie DAX-Werte hoch – und zwar auch jene Institute, die die Aussichten für den DAX pessimistisch einstufen. Allen voran die Deutsche Bank. Ergo kam es bislang auch erst gar nicht zu größeren Rückschlägen. Bis sich eben die Grundregeln des Spiels ändern. Und die Regeln lauten: Die Zinsen müssen niedrig bleiben, die wirtschaftliche Erholung muss sich als nachhaltig erweisen und politisch darf nichts dazwischen kommen. Wenn sich eine Zinswende auch nur andeuten sollte, sich der Verdacht erhärtet, dass der Schub der Konjunkturprogramme schon wieder nachlässt oder sich womöglich die Tonlage im Konflikt mit dem Iran verschärft, wird man Käufer am Parkett mit der Lupe suchen müssen.
Die Zweifel an der Dauerhaftigkeit des Aufschwungs werden lauter, das Parkett ignoriert sie allerdings. Letzten Mittwoch fiel der viel beachtete US-Einkaufsmanagerindex für Chicago mit 46 Zählern zurück auf Rezessionsniveau. Selbst Alan Greenspan erwartet einen Abschwung an den Aktienmärkten und einen Rückgang in der US-Konjunktur in 2010. Die Kommentare des ehemaligen Chefs der US-Notenbank finden an der Wall Street auch heute noch viel Beachtung. Alles in allem drängt sich der Eindruck auf, dass der Versuch der Institutionellen, die Widerstände beim DAX mit der Brechstange zu knacken, ein böses Ende nehmen könnte.
Peter Spermann
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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