Stückelung: Die Arzneimittelpreisverordnung trifft keine Schuld

Uwe Hüsgen

Seit jeher wird in bundesdeutschen Apotheken in bestimmten Fällen gestückelt – zum Wohle der Patienten und ganz legal. Deshalb sind auch in den Arzneimittellieferverträgen – auf der Grundlage von § 129 SGB V geschlossen zwischen den Krankenkassen- und den Apothekerverbänden – auf Landes- und Bundesebene entsprechende Regelungen aufgenommen worden. Mit diesen vertraglichen Vereinbarungen soll die ärztliche Therapieempfehlung unterstützt und die Qualität der Arzneimittelversorgung der Patienten optimiert werden.

Mit den ARD-Beiträgen von "Report München" zum Thema "Stückeln" vom 6. Juni und 31. August d. J. sind nun gleichwohl die Apotheken an den Pranger gestellt worden. Sie sollen "Millionengewinne durch Mogelpackungen" erzielt haben. Und nach Ansicht (von Teilen) der Industrie liegt die Schuld solch verführerischer Preisgestaltung ausschließlich am System der Arzneimittelpreisverordnung (vgl. DAZ Nr. 32 vom 6. August 2009, S. 25 ff.). Das ist falsch.

Unabhängig von den aufgezeigten Größenordnungen, die offensichtlich nicht stimmen, ist es schon ärgerlich, dass diese unehrliche Behauptung jetzt ungeprüft in die allgemeine Berichterstattung aufgenommen wird. Besonders irritierend ist, dass dem Vernehmen nach in einer gemeinsamen Feststellung und Bestandsaufnahme von ABDA und den Verbänden der Arzneimittelhersteller konstatiert worden sein soll, "dass für die Stückelungsproblematik weder Industrie noch Apotheker, sondern … die Systematik der Arzneimittelpreisverordnung ursächlich ist" (vgl. DAZ Nr. 32; s. o.).

Dass dies falsch ist, kann jeder Sextaner nachrechnen – und selbst das Beispiel im DAZ-Beitrag Nr. 32 macht dies deutlich. Denn vier dreißiger Packungen mit einem vom Hersteller selbst festgelegten Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens (ApU) von 97 Cent ergeben zusammen 3,88 Euro – und das ist nun einmal weniger (nämlich 94 Cent oder knapp 20%) als der ApU für die 120er Packung (4,82 Euro), den der Hersteller ebenfalls selbst festgesetzt hat, und zwar bevor die Systematik der Arzneimittelpreisverordnung überhaupt aufsetzt.

Verursacher dieser "verführerischen Preisgestaltung" sind folglich ausschließlich Teile der Pharmaindustrie, die die Abgabepreise des pharmazeutischen Unternehmens entsprechend gestalten. Mögliche Gründe für solche Preisgestaltung könnten z. B. sein:

  • Die Berechnungsmethode zur Festsetzung von Festbeträgen der Höhe nach verleitet die Industrie zu solchen "verführerischen" Preisen. (Dann sollte man gemeinsam gegen diese Berechnungsmethode vorgehen!)
  • Der deutsche Preis ist Referenzpreis für Europa. (Dann liegt die Schuld ebenfalls nicht in der Systematik der Arzneimittelpreisverordnung!)
  • Der Apotheker soll an dieses Produkt (und damit an diesen Hersteller) gebunden werden, so jedenfalls die Auffassung von Prof. Glaeske in seinen Ausführungen anlässlich o. g. Sendung.

Mir ist trotz angestrengten Nachdenkens kein Fall bekannt, in dem die Summe von Einzelteilen kostengünstiger zu erwerben ist als das Ganze (sieht man von Scherben einmal ab).

Aus all diesen Gründen hielte ich es für geboten, die betreffenden Unternehmen auf Seiten der Arzneimittelhersteller aufzufordern, ihre Preisgestaltung unter den Gesichtspunkten "Preiswahrheit" und "Preisklarheit" zu ändern. Sonst würden diese Hersteller Wasser auf die Mühlen derjenigen leiten, die eine staatliche Preisfestsetzung bei Arzneimitteln bereits auf der Herstellerabgabestufe fordern. Übrigens: Nicht nur die Arzneimittelpreisverordnung, auch die Softwarehäuser primär trifft keine Schuld an der irritierenden Preisgestaltung, die die Stückelungsproblematik erzeugt.

Den Apothekern, die unter "wirtschaftlichen Gesichtspunkten" stückeln, sei gesagt, dass sie – neben der Arzneimittelsicherheit (PZN auf dem Rezept stimmt nicht mit der PZN der abgegebenen Arzneimittel überein) – hochgradig den einheitlichen Abgabepreis gefährden; von dem Problem der Zuzahlungen durch die Versicherten ganz zu schweigen.

Es mag ja sein, dass einzelne Arzneimittelhersteller (auch) aufgrund der Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V, die sie als existenzbedrohend empfinden, das Außerkrafttreten der Arzneimittelpreisverordnung herbeiführen wollen. Die Gefahr, die davon für den einheitlichen Abgabepreis und für das Fortbestehen der gesamten Preisbildungssystematik für Arzneimittel ausgeht, sollten Apotheker nicht noch verstärken – durch ein törichtes Handeln, das nur auf kurzfristigen Gewinn schielt.

Dipl. Math. Uwe Hüsgen, Essen, E-Mail: uwe.huesgen@web.de

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