DAZ aktuell

Es liegt am System der Arzneimittelpreisverordnung

BONN (diz). Das Thema Stückeln sorgt weiterhin für Diskussionsstoff. Seit die ARD-Sendung "Report München" es öffentlich machte, dass manche Apotheker aus Gründen einer besseren Rendite lieber mehrere Kleinpackungen als eine Großpackung abgeben, wird Ursachenforschung betrieben, wie überhaupt solche verführerischen Preisgestaltungen zustande kommen. Wir sprachen hierüber mit Hans-Georg Hoffmann, dem Vorsitzenden des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH).

DAZ: Das Thema Stückelung hat bei Apothekern, aber nicht nur dort, für Aufsehen und Unruhe gesorgt. Mittlerweile wurde von Juristen und Verbänden klargestellt, dass Stückeln rechtswidrig ist. In diesem Zusammenhang wurde den Pharmaherstellern die Schuld in die Schuhe geschoben, die Grundlage und Anreize für das lukrative Stückeln dadurch zu liefern, dass die Preisbildung entsprechend verführerisch gestaltet wird. Fühlen sich die Hersteller mitschuldig?

Hoffmann: Schuld an der Ursache, dass unter bestimmten Voraussetzungen für den Apotheker "stückeln" lukrativ sein kann, haben nicht die Arzneimittel-Hersteller und auch nicht die Apotheker. Das liegt ausschließlich am System der Arzneimittelpreisverordnung. Aufgrund der Abrechnungsvorschriften der Arzneimittelpreisverordnung – dem Festzuschlag von 3% zuzüglich 8,10 Euro – ergibt sich teilweise die Konstellation, dass beispielsweise der Apothekeneinkauf von vier N1-Packungen à 30 Tabletten günstiger ist als der Einkauf einer N2-Packung mit 120 Tabletten. Das anonymisierte Beispiel (siehe Tabelle) macht das deutlich. Daraus ergibt sich, dass der Apothekeneinkauf von vier 30er Packungen um 0,92 Euro günstiger (4,48 Euro gegenüber 5,40 Euro) ist als der Einkauf der 120er Packung. Nochmals: Für diese Konstellation ist ausschließlich der mit dem GMG im Jahre 2004 eingeführte Apothekenfestzuschlag verantwortlich. Möglicherweise hat der Gesetzgeber diese Situation nicht erkannt und damit auch nicht bedacht.

Tabelle: Beispiel Einkaufsvergleich von N1- und N2-Packungen
Erzeugnis
PG
NG
ApU
in Euro
AEP
in Euro
AVP
in Euro
o. MwSt
AVP
in Euro
x 10 mg
(RX)
30
N1
0,97
1,12
9,25
11,01
x 10 mg
(RX)
120
N2
4,82
5,40
13,66
16,26


DAZ: Wenn der Einkauf von vier 30er Packungen für den Apotheker lukrativer ist als der Einkauf einer 120er Packung – wie erklärt sich die Preispolitik der Hersteller?

Hoffmann: Die Preispolitik der Arzneimittel-Hersteller lässt sich im obigen Beispiel einfach und schlüssig aufzeigen: Der Arzneimittel-Hersteller gestaltet seine Preise so, dass sie dem jeweiligen Festbetrag entsprechen. Der Festbetrag im obigen Beispiel für N1 liegt bei 11,01 Euro und entspricht damit exakt dem Apothekenverkaufspreis inklusive Mehrwertsteuer. Im obigen Beispiel liegen alle Preise auf den verschiedenen Abgabeebenen auf dem Festbetrag. Das ist ja genau das Ziel der Festbeträge. Die Arzneimittel-Hersteller verhalten sich in ihrer Preisgestaltung exakt so, wie das im Hinblick auf die vorgegebenen Festbeträge erforderlich ist. Dafür gibt es im Übrigen eine ganze Reihe von Beispielen.

DAZ: In der vergangenen Woche hatte die ABDA die Verbände der Arzneimittelhersteller zu einem Gespräch geladen, um über die Preisgestaltung und die Folgen zu sprechen. Welches Ergebnis brachte dieses Gespräch?

Hoffmann: Hierzu ist zunächst festzustellen, dass das Gespräch in einer ausgesprochen fairen und konstruktiven Atmosphäre stattgefunden hat. Wichtigstes Ergebnis dieses Gesprächs ist ansonsten die gemeinsame Feststellung und Bestandsaufnahme, dass für die "Stückelungsproblematik" weder Industrie noch Apotheker, sondern – wie dargelegt – die Systematik der Arzneimittelpreisverordnung ursächlich ist, und selbstverständlich eine "Preisbildungsempfehlung" seitens der Verbände schon kartellrechtlich unzulässig wäre.

DAZ: Was wird die Industrie tun, um dem Stückeln vorzubeugen? Bisweilen hatte sogar der Pharmaaußendienst die Apotheken erst auf die lukrative Möglichkeit des Stückelns aufmerksam gemacht …

Hoffmann: Das geht natürlich nicht, wenn das tatsächlich – was ich nicht beurteilen kann – der Fall sein sollte. Der Vorgang der "Stückelung" – eigentlich müsste man eher von "Bündelung" sprechen – ist unstreitig aus arzneimittel-, apotheken- und sozialrechtlichen Gründen nicht in Ordnung. Natürlich ist es mehr als problematisch, wenn ein Pharmaaußendienst Apotheken auf die zwar lukrative, aber nach Auffassung aller Gesprächsbeteiliger rechtswidrige Möglichkeit des Stückelns aufmerksam macht. Daher werden auch die Herstellerverbände mit identischen Schreiben an ihre Mitglieder appellieren, die Außendienstmitarbeiter entsprechend zu schulen und jedwede Bewerbung des Stückelns zu unterbinden. Parallel hat auch der DAV bereits alle Apotheken und auch Apothekensoftwarehäuser über diese Rechtswidrigkeit des Stückelns informiert.

DAZ: Herr Hoffmann, vielen Dank für das Gespräch.

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