DAZ aktuell

Enge Grenzen für Imagewerbung bei Ärzten

MÜNCHEN (hst). Pharmaunternehmen dürfen Ärzten keine teuren Geschenke machen, auch nicht im Rahmen der Imagewerbung. Das hat die 1. Handelskammer des Landgerichts München I mit Urteil vom 30. Januar 2008 entschieden. (Az.: 1 HK O 13279/07)

Geklagt hatte ein Verband von Arzneimittelherstellern, der sich der Lauterkeit des Verhaltens der pharmazeutischen Industrie bei der Zusammenarbeit mit Ärzten angenommen hat. Die Klage richtete sich gegen ein großes Pharmaunternehmen, das Ärzten im Internet nicht nur einen 700 Euro teuren Wasserspender zum "exklusiven Vorzugspreis" – einer Ersparnis von bis zu 40% bei Anschaffung und Wartung –, sondern auch kostenlose Beratungsleistungen externer Unternehmensberater, z. B. zum Thema "betriebswirtschaftliches Praxismanagement", anbot. Dies hielt der Kläger für unlauter, da ein nicht unwesentlicher Teil der angesprochenen Ärzte motiviert werde, als Gegenleistung für das kostenlose Beratungsangebot die Arzneimittel des beklagten Pharmaunternehmens zu verschreiben. Das Unternehmen bestritt eine derartige Beeinflussbarkeit der Ärzte und verwies darauf, dass das Zuwendungsverbot des Heilmittelwerbegesetzes nur für produktbezogene Werbung, nicht aber für reine Imagewerbung gelte.

Schon der Verdacht der Beeinflussung ist zu viel

Dieser Einschätzung folgte das Landgericht München I nicht und untersagte dem Unternehmen derlei Angebote. Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gebiete es – so die Richter –, dass der Arzt sich bei der Verschreibung von Medikamenten allein von den Interessen des Patienten leiten lasse und dabei nicht einmal in den Verdacht einer unsachlichen Beeinflussung durch die Hersteller der Medikamente kommen dürfe. Mit den Zuwendungen des Unternehmens, die das Gericht mit mehreren hundert Euro bewertete, werden nach Auffassung der Richter die Entscheidungen der Ärzte bei der Arzneimittelverordnung unangemessen und unsachlich beeinflusst. Das Angebot des Unternehmens an die Ärzte verstoße somit gegen § 4 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Das hohe Gut des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient rechtfertige es, bereits Handlungen, die geeignet seien, den bösen Schein einer unsachlichen Einflussnahme nahe zu legen, als nicht mehr mit den guten Sitten im Wettbewerb vereinbar anzusehen.

Pharmaindustrie selbst befürwortet strenge Regeln

Im Übrigen – so das Gericht – entspreche das Verbot von mehr als geringfügigen unentgeltlichen Zuwendungen an Ärzte inzwischen auch den Vorstellungen der Pharmaindustrie selbst, und zwar auch dann, wenn es nicht um produktbezogene Zuwendungen, sondern um bloße Imagewerbung gehe. Dies ergebe sich nicht nur aus dem vom Kläger aufgestellten "Kodex zur Freiwilligen Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie", sondern auch aus den "Verhaltensempfehlungen für die Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit Ärzten". Auch die Pharmaindustrie gehe, so das Gericht in seiner Entscheidungsbegründung, demnach davon aus, dass nach den "anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel" Geschenke, die über geringwertige produktbezogene Werbegaben hinausgehen, nicht gewährt werden dürfen.

Der genannte Kodex ist das Regelwerk des Vereins "Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.", der von VFA-Mitgliedsunternehmen im Jahre 2004 gegründet wurde. Die Anerkennung des Kodex ist für VFA-Mitgliedsunternehmen Pflicht. Allerdings sind dem Verein mittlerweile auch eine Reihe von Unternehmen beigetreten die nicht dem VFA angehören. Die "Verhaltensempfehlungen für die Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit Ärzten" wurden gemeinsam von den Herstellerverbänden BAH, BPI und VFA herausgegeben.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, doch sehen Beobachter in den angelegten Maßstäben ein sehr weitreichendes Verbot von Zuwendungen der Pharmaunternehmen an Ärzte. Gleiches dürfte zur Sicherung der Unabhängigkeit der Arzneimittelberatung in Apotheken oder Arzneimittelauswahl im Rahmen der Aut-idem-Regelung auch für das Verhältnis zwischen Arzneimittelherstellern und Apotheken gelten.

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