Arzneimittel und Therapie

Etravirin wirkt auch bei resistenten Viren

Etravirin (Intelence®) ist ein neuer nicht-nucleosidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) zur Behandlung der HIV-Infektion. Er weist keine Kreuzresistenz gegenüber den bereits verfügbaren Substanzen dieser Klasse auf. Daher können mit Etravirin auch Patienten erfolgreich behandelt werden, bei denen bereits eine Resistenz gegen einen anderen NNRTI besteht.

Etravirin wird zur Behandlung von Erwachsenen angewendet, die mit dem humanen Immundefizienz-Virus 1 (HIV-1) infiziert sind und die bereits eine Behandlung ihrer HIV-Infektion erhalten haben. Etravirin muss zusammen mit anderen antiviralen Arzneimitteln und in Kombination mit einem geboosterten Protease-Inhibitor angewendet werden.

NNRTI: wirksam, aber schnelle Resistenzbildung

Nicht-nucleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) binden direkt an die Reverse Transkriptase des HI-Virus und blockieren die katalytische Bindungsstelle des Enzyms. Damit stören sie die RNA-abhängigen und DNA-abhängigen DNA-Polymerase-Aktivitäten.

Nicht-nucleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren steigern die Wirksamkeit einer Therapie mit zwei Nucleosidanaloga. Dabei werden ausgeprägte virologische und immunologische Effekte erreicht, so dass sie gern in der Ersttherapie eingesetzt werden. Nachteilig ist jedoch die schnelle Resistenzentwicklung in dieser Substanzgruppe: Eine einzige Punktmutation in der Reversen Transkriptase kann ausreichen, damit die gesamte Substanzklasse für die weitere Therapie verloren geht.

Etravirin ist auch gegen Virusstämme wirksam, die gegen andere Wirkstoffe dieser Gruppe resistent sind, und zeigt auch bei vorbehandelten Patienten mit klassischen Resistenzen gegen nicht-nucleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren eine gute antiretrovirale Wirksamkeit.

Zweimal täglich 100 mg

Die empfohlene Dosierung ist 200 mg täglich, zweimal täglich eine 100-mg-Tablette nach einer Mahlzeit. Patienten, denen es nicht möglich ist die Tabletten als Ganzes zu schlucken, können sie in einem Glas Wasser auflösen.

Die maximale Plasmakonzentration von Etravirin nach oraler Einnahme mit Nahrung wird innerhalb von vier Stunden erreicht.

Etravirin wird hauptsächlich durch oxidative Metabolisierung über das hepatische Cytochrom-CYP450-System mit anschließender Glucuronidierung abgebaut und zu über 90% in den Fäzes ausgeschieden. Die terminale Eliminationshalbwertzeit beträgt 30 bis 40 Stunden.

Bei Patienten mit mäßiger Beeinträchtigung der Leberfunktion wird keine Dosisanpassung empfohlen, bei der Anwendung jedoch zur Vorsicht geraten. Bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung wird Etravirin nicht empfohlen. Bei Patienten mit einer Hepatitis-B- und/oder -C-Koinfektion ist besondere Vorsicht geboten, wenn Etravirin angewendet wird.

Abbau über das Cytochrom-P450-System

Da Etravirin über das Cytochrom-P-450-System abgebaut wird, sind zahlreiche Wechselwirkungen zu erwarten. So können verschiedene Arzneimittel, die diese Enzyme induzieren, zu verminderten Plasmakonzentrationen von Etravirin führen, Hemmstoffe der abbauenden Enzyme können sie erhöhen.

Umgekehrt kann Etravirin Enzyme des CYP450-Systems inhibieren und induzieren, die Plasmakonzentrationen anderer Arzneimittel erhöhen oder verringern.

Zulassungsstudien Duet 1 und Duet 2

Etravirin wurde in den beiden internationalen randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Multizenterstudien der Phase III Duet 1 und Duet 2 mit 1203 Patienten untersucht. Die HIV-infizierten Patienten waren zu Beginn der Studien bereits intensiv mit antiretroviralen Arzneimitteln aller Substanzklassen vorbehandelt. Die meisten Studienteilnehmer hatten vor Studienbeginn ein breites Spektrum an Resistenzen aufgebaut, bei 70% waren zwei oder mehr Resistenzen gegen nicht-nucleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren nachweisbar.

In beiden Studien wurde über 24 Wochen die Wirksamkeit von Etravirin gegen Placebo verglichen, beide in Kombination mit geboostertem Darunavir sowie mindestens zwei weiteren antiviralen Arzneimitteln.

In beiden Studien verringerte Etravirin die Viruslast wirksamer als Placebo. Nach 24 Wochen hatten 61% der Patienten, die Etravirin in Kombination mit anderen Anti-HIV-Arzneimitteln einnahmen (353 von 599), eine nicht mehr nachweisbare Viruslast von unter 50 Kopien/ml. Bei den Patienten, die ein Placebo in Kombination mit anderen Anti-HIV-Arzneimitteln einnahmen (248 von 604), waren das nur 40%.

Unter der Behandlung mit Etravirin stieg die Zahl der CD4-Zellen um 98 Zellen/mm3 im Vergleich zu 73 Zellen/mm3 in der Kontrollgruppe.

Die antiretrovirale Wirksamkeit von Etravirin bleibt langfristig erhalten: Bei den Patienten des Etravirin-Arms, die nach 24 Wochen eine Viruslast unter der Nachweisbarkeitsgrenze (< 50 Kopien/ml) erreicht hatten, konnte bei 90% auch nach 48 Wochen eine vollständige Suppression der Virusreplikation erreicht werden.

Steckbrief: Etravirin


Handelsname: Intelence
Hersteller: Janssen-Cilag GmbH, Neuss
Einführungsdatum: 1. Oktober 2008

Zusammensetzung: Eine Tablette enthält 100 mg Etravirin. Sonstige Bestandteile: Hypromellose; mikrokristalline Cellulose; kolloidales, wasserfreies Siliciumdioxid; Croscarmellose-Natrium; Magnesiumstearat; Lactose-Monohydrat.

Packungsgrößen, Preise und PZN: 120 Tabletten, 613,79 Euro, PZN 6733695.

Stoffklasse: Antibiotika/Antiinfektiva; nicht-nucleosidischer Inhibitor der Reversen Transkriptase. ATC-Code: J05AG04.

Indikation: In Kombination mit einem geboosterten Protease-Inhibitor und anderen antiretroviralen Arzneimitteln für die Behandlung von Infektionen mit dem humanen Immundefizienz-Virus 1 (HIV-1) bei antiretroviral vorbehandelten erwachsenen Patienten.

Dosierung: Etravirin ist stets zusammen mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln einzunehmen. Die empfohlene Dosierung ist 200 mg (zwei 100-mg-Tabletten) zweimal täglich nach einer Mahlzeit. Die Intelence® -Tabletten können auch in Wasser aufgelöst werden.

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.

Nebenwirkungen: Hautausschlag, Diarrhö, Übelkeit; Thrombozytopenie, Anämie, periphere Neuropathie, Kopfschmerz, gastroösophageale Refluxkrankheit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Blähungen, Gastritis, Nierenversagen, Diabetes, Hypertonie, Mattigkeit, Angststörungen und Schlaflosigkeit; Anstieg folgender Blutwerte: Lipase, Gesamtcholesterin, Triglyceride, Glucose, Alanin-Aminotransferase (ALT), Aspartat-Aminotransferase (AST).

Wechselwirkungen: Arzneimittel, die CYP3A4, CYP2C9 oder CYP2C19 induzieren, können zu verminderten Plasmakonzentrationen von Etravirin führen. Die gleichzeitige Verabreichung von Etravirin mit Arzneimitteln, die CYP3A4, CYP2C9 oder CYP2C19 inhibieren, kann zu erhöhten Plasmakonzentrationen von Etravirin führen. Die gleichzeitige Anwendung von Etravirin mit Arzneimitteln, die hauptsächlich von CYP3A4 metabolisiert werden, kann zu verminderten Plasmakonzentrationen dieser Arzneimittel führen. Die gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln, die hauptsächlich von CYP2C9 oder CYP2C19 metabolisiert werden, kann zu erhöhten Plasmakonzentrationen dieser Arzneimittel führen. Es wird nicht empfohlen, Etravirin mit Tipranavir/Ritonavir zu kombinieren.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Wenn schwere Hautreaktionen, wie Ausschlag mit Blasenbildung, typischerweise auf den Lippen, im Mund und an den Augen, auch mit Hautabschälung auftreten, ist die Behandlung mit Etravirin abzubrechen. Auch bei Patienten mit mäßiger Beeinträchtigung der Leberfunktion ist Vorsicht geboten. Bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung wird eine Anwendung nicht empfohlen. Bei Patienten mit einer Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Infektion bringt Etravirin ein hohes Risiko von Leberschädigungen mit sich.

Nebenwirkung Hautausschlag

Etravirin war in den Studien Duet 1 und Duet 2 gut verträglich. Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren Diarrhö, Übelkeit und Kopfschmerzen, die in der Placebogruppe vergleichbar häufig waren. Nur der Hautausschlag trat im Etravirin-Arm häufiger auf als in der Kontrollgruppe (19 vs. 11%). Er war in der Regel mild bis moderat und nach ein bis zwei Wochen abgeklungen. Wenn schwere Hautreaktionen, wie Ausschlag mit Blasenbildung, typischerweise auf den Lippen, im Mund und an den Augen, auch mit Hautabschälung auftreten, ist die Behandlung mit Etravirin abzubrechen.

Außerdem kam es zu Anstiegen der Lipase, des Gesamtcholesterins, der Triglyceride, der Glucose und der Leberwerte Alanin-Aminotransferase (ALT) und Aspartat-Aminotransferase (AST).

Bei Patienten mit mäßiger Beeinträchtigung der Leberfunktion ist Vorsicht geboten, bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung wird die Anwendung von Etravirin nicht empfohlen. Bei Patienten mit einer Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Infektion bringt Etravirin ein hohes Risiko von Leberschädigungen mit sich.


Quelle

Fachinformationen von Intelence® , Stand August 2008.

Das K, Clark AD, Lewi PJ, et al. Roles of conformational and positional adaptability in structurebased design of TMC125-R165335 (etravirine) and related non-nucleoside reverse transcriptase inhibitors that are highly potent and effective against wild-type and drug-resistant HIV-1 variants. J Med Chem 2004; 47: 2550 - 60.

Madruga JV, et al. Duet-1: Thailand, France, North and South America. Lancet 2007: 370; 29 - 38;

Lazzarin A, et al. Duet-2: Australia, Europe, North America. Lancet 2007: 370; 39 - 48.


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Antiretrovirale Substanzklassen Derzeit sind zur Therapie der HIV-Infektion mehr als 25 Wirkstoffe aus fünf Substanzklassen zugelassen: nucleosidische/nucleotidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI) werden während der Transkription in die DNA eingebaut, es kommt zum Abbruch der DNA-Kette. Nicht-nucleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI) binden direkt an die Reverse Transkriptase und verhindern so die Transkription von RNA zu DNA. Proteaseinhibitoren lassen über die Bindung an der HIV-Protease nicht-infektiöse Viruspartikel entstehen. Fusionshemmer verhindern über Virusoberflächenproteine die Fusion der Virushülle mit der Zielzellmem­bran und somit das Eindringen von Viruskapsiden in die Zelle. Integraseinhibitoren hemmen den Strangtransfer der retroviralen Integrase, verhindern so die Integration der proviralen DNA und reduzieren die Virusreplikation.

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