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Skeptischer Blick in die Zukunft

BERLIN (ks). 60% der Bundesbürger und 57% der Ärzte beklagen, dass die Qualität der Gesundheitsversorgung in den letzten zwei, drei Jahren schlechter geworden sei. Zugleich sind jedoch noch immer 59% der Bevölkerung (2005: 64%) und 80% der Ärzte der Ansicht, dass das bestehende Gesundheitssystem "gut" oder "sehr gut" ist. Trotzdem wächst insgesamt die Skepsis gegenüber künftigen Entwicklungen im Gesundheitswesen. Zu diesen Ergebnissen kommt der 3. MLP Gesundheitsreport, der am 26. November in Berlin vorgestellt wurde.

Für die Studie im Auftrag des Finanz- und Vermögensberaters MLP hat das Institut für Demoskopie Allensbach mit Unterstützung der Bundesärztekammer 1773 Bundesbürger ab 16 Jahren und 517 Ärzte befragt. Ihre Antworten zeigen teilweise erhebliche Zweifel auf. So meinen lediglich 16% der Bürger (2005: 23%) und 15% der Ärzte, dass es der Politik gelingt, auch längerfristig eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Dabei rechnen in den nächsten zehn Jahren 82% der Bürger mit steigenden GKV-Beiträgen und rund drei Viertel mit ansteigenden Zuzahlungen für Medikamente. Dass es zunehmend zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommt, erwarten 69% der Bürger und sogar 87% der Ärzte. Zwei Drittel der befragten Bürger und drei Viertel der Mediziner gehen davon aus, dass die Kassen bald nur noch die Kosten der Grundversorgung übernehmen werden. Der Gesundheitsfonds war zum Zeitpunkt der Befragung – im September 2008 – rund drei Viertel der Bürger ein Begriff. 50% erklärten, auch eine Vorstellung davon haben, welche Änderungen der Fonds mit sich bringt. Und doch glauben von den gesetzlich Krankenversicherten lediglich 38%, dass sie persönlich von der Einführung des Gesundheitsfonds betroffen sind. Von denjenigen, die schon von der Einführung des Fonds gehört haben, rechnen 47% mit einem Rückgang der Kassen-Leistungen. Zudem zweifeln 56% der Bürger – und 73% derjenigen, die konkrete Vorstellungen über den Fonds haben – daran, dass mit dieser Reform die Versorgung finanziell längerfristig sichergestellt ist.

Ärzte unter Druck

Kritisch blicken auch die Ärzte in die Zukunft: 84% meinen, dass es künftig schwieriger wird, alle medizinisch notwendigen Leistungen zu verordnen. Den Medizinern machen zudem ihre wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. So fühlen sich 56% "stark" oder "sehr stark" vom Kostendruck betroffen. Unter den Niedergelassenen sind dies sogar 69%; mehr als die Hälfte der Vertragsärzte berichtet, dass sich ihre Lage in den letzten fünf Jahren verschlechtert hat. 61% aller befragten Ärzte erwarten, dass der Kostendruck nach der Einführung des Gesundheitsfonds nochmals zunimmt. Dabei erbringen 73% der Niedergelassenen eigenen Angaben zufolge häufig Leistungen, deren Kosten nicht übernommen werden. Weiterhin beklagen sich 46% aller Ärzte und 56% der Krankenhausärzte über mangelnde Zeit für ihre Patienten. Nicht zuletzt wegen der sinkenden Attraktivität des Arztbesuches rechnen insgesamt 85% der Mediziner damit, dass es schon bald zu einem Ärztemangel kommen wird – das gilt vor allem für in Ostdeutschland niedergelassene Ärzte.

BMG: Interessengeleitete Studie

Für den Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, belegt die Studie, dass das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der Gesundheitspolitik nachhaltig erschüttert ist: "Die Menschen spüren, dass die finanziellen und personellen Ressourcen nicht mehr ausreichen, um das hohe Niveau der Versorgung aufrechtzuerhalten." Die Versorgungskrise, die sich bereits in ländlichen Gebieten zeige, werde sich auf das ganze Land ausdehnen. Klaus Vater, Sprecher der Bundesgesundheitsministerin, hat für Hoppes Klagen wenig Verständnis. Er sprach von einer "interessengeleiteten Studie", die die Bundesärztekammer nutze, um die Gesundheitsversorgung in der Bundesrepublik "mies zu machen". Sollten tatsächlich mehr Menschen in Deutschland davon überzeugt sein, dass die Versorgung nicht mehr so wie vor einigen Jahren ist, so liege das nicht zuletzt daran, dass "führende Repräsentanten der Gesundheitsversorgung keine Gelegenheit ausgelassen haben, ihren eigenen Arbeitsbereich schlechtzureden", erklärte Vater. Tatsächlich habe man in Deutschland noch immer eine Versorgung, "um die uns viele weltweit beneiden".

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