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Männer sind immer noch gleicher …

Am 1. Juli 1958 trat das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft, das ein Jahr zuvor vom Deutschen Bundestag einstimmig verabschiedet worden war. Es war ein Meilenstein auf dem Weg zur Chancengleichheit von Frauen und Männern. Doch dieser Weg ist, so zeigt die Realität im Jahre 2008, noch immer nicht bis zum Ende beschritten.

Können Sie sich vorstellen, liebe Leserin, Ihr Ehemann würde zu Ihrem Arbeitgeber gehen und Ihr Arbeitsverhältnis kündigen – fristlos? Und Sie, lieber Leser, was würde wohl Ihre Frau dazu sagen, wenn Sie sich von deren sauer verdientem Gehalt ohne Rücksprache eine neue Harley auf Ratenzahlungen anschaffen würden? Vor dem Sommer 1958 war solch ein Verhalten noch das verbriefte Recht von Männern in Deutschland. Ehemänner konnten bis vor 50 Jahren ihren Frauen die Berufstätigkeit verbieten. Und sie konnten über den Verdienst ihrer Ehefrau verfügen – so sie denn überhaupt von des Gatten Gnaden berufstätig sein durfte – und ebenso über das von ihrer Frau in die Ehe gebrachte Vermögen.

Auch was die Kindererziehung anging und überhaupt alle wichtigen Entscheidungen in der Ehe und Familie: Der Ehemann und Vater hatte nach deutschem Recht stets das letzte Wort.

Mit dem sogenannten "väterlichen Stichentscheid" sollte dieses letzte Wort bei Fragen der elterlichen Sorge im Gleichberechtigungsgesetz zwar noch hinübergerettet werden. So hätte der Vater zum Beispiel seine Wahl der Schule für ein Kind durchdrücken können, wenn es keine Einigung zwischen den Eltern gab. Doch dagegen legten vier verheiratete Mütter Verfassungsbeschwerde ein, und der väterliche Stichentscheid wurde für verfassungswidrig erklärt.

Hausfrauenehe blieb ­Leitbild

Mit dem Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau versuchten die Politiker damals, das Gleichberechtigungsgebot von Artikel 3 des Grundgesetzes von 1949 im bürgerlichen Recht zu verankern. Doch sollte es noch bis 1976 dauern, dass sich der westdeutsche Gesetzgeber im Eherechtsgesetz vom Leitbild der Hausfrauenehe verabschiedete. In vielen Köpfen spukt es auch heute immer noch herum.

Prof. Dr. Jutta Limbach, ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, zeigte in einem Vortrag anlässlich des 50. Jahrestages der Verabschiedung des Gesetzes auf, dass das Gleichberechtigungsgesetz von 1958 keineswegs radikal mit den traditionellen Rollen von Mann und Frau brach. Es stand vielmehr noch unter der Vorgabe, dass das Ehe- und Familienleben nicht unter einer "falsch verstandenen Gleichberechtigung" Schaden nehmen dürfe. Frauen sollten nur dann berufstätig sein, wenn die Kinder nicht darunter litten. Dies wurde zum Beispiel dann befürchtet, wenn beide Ehepartner wegen eines "übersteigerten Lebensstandards" arbeiten würden. Wenn Frauen "aus Berufung" erwerbstätig wären, wurde dies vom Gesetzgeber dagegen positiv bewertet.

Weitere Schritte auf dem Weg zur Chancengleichheit von Frauen wurden mit einer Erweiterung des entsprechenden Grundgesetzartikels im Jahre 1994 und durch Änderungen im Familienrecht vorgenommen. Doch ist das Ziel damit auch heute noch nicht erreicht, darüber sind sich Rechtsexperten, Parteien jeglicher Couleur wie die Frauen selbst weitestgehend einig.


"Klar leben wir gerade im Apotheken-Teilzeit-Paradies schon noch – mal mehr, mal weniger – das alte Rollenbild von der Frau und Mutter, die sich um die Kinder und den Haushalt kümmert, aber wir wissen doch, dass wir es auch anders haben könnten, wenn wir nur wollten! Frauenpower! "

Approbierte aus Schleswig-Holstein

Bildung top, Karriere Flop

Zwar sind die Bildungschancen von Mädchen und Frauen inzwischen sogar besser als die des anderen Geschlechts. Aber sobald es an die berufliche Nutzung der erworbenen Kenntnisse, die Aufstiegschancen und Verdienste geht, trübt sich das Bild:

Noch immer sind die Gehälter von Frauen im Durchschnitt um ein Fünftel niedriger als bei Männern. Noch immer sind Frauen besonders von Altersarmut betroffen und bedroht. Noch immer sind Haus- und Familienarbeit sowie die Pflege von Angehörigen nicht gleichmäßig auf Männer und Frauen verteilt. In den Köpfen vieler Männer (und Frauen) ist das gesetzlich Erreichte noch nicht angekommen. Natürlich haben Erziehung und Sozialisation einen verzögernden Einfluss. Auch biologische Unterschiede mögen in einem gewissen Maß dazukommen – ein sehr umstrittenes Thema.

Was uns heute als selbstverständlich erscheint, war für unsere Großmütter oft kaum vorstellbar. Unsere Kinder und unsere Enkelinnen und Enkel werden wiederum den Kopf schütteln über viele strukturelle Hindernisse der Gleichberechtigung, die heute immer noch existieren. "Wie konnten die damals bloß …?"

Dazu gehört beispielsweise das Ehegattensplitting mit der Steuerklassen-Kombination III/IV, das verheirateten Frauen negative Anreize für die Berufstätigkeit setzt.


"Gleichberechtigung ist sicher nicht so zu verstehen, dass SIE nie seine Hemden bügelt und ER ihr nicht die Tür aufhält. Vielmehr geht es um Selbstbestimmung. "

PTA aus Schleswig-Holstein

Weibliche Stolperfallen

Auch die Frauen stellen sich selbst oft noch ein Bein durch falsche Bescheidenheit und/oder übertriebenen Perfektionismus in allen Lebensbereichen. Männer leiden weniger unter dem ständigen schlechten Gewissen, weil sie nicht zum Elternabend gehen, die Freunde ihrer Kinder nicht kennen oder sonntags keine selbst gemachte Marmelade und kein frisch gebackener Kuchen auf den Tisch kommt, wie es die Müttergeneration noch fertig brachte. Insbesondere westdeutschen berufstätigen Frauen – vor allem wenn sie in einer Familie mit nicht berufstätiger Mutter aufgewachsen sind – fällt es immer noch schwer, Abstriche zu machen bei den sozialen und hausfraulichen Arbeiten. Prioritäten setzen, delegieren, loslassen können und sich gut selbst vermarkten – das sind "soft skills", die moderne Frauen brauchen, wenn sie auf dem Weg zur Chancengleichheit weiterkommen wollen.


Änderungen im Gleichberechtigungsgesetz von 1958


  • Das sogenannte Letztentscheidungsrecht des Ehemannes wurde gestrichen; vorher hatte er in allen Eheangelegenheiten das letzte Wort.
  • Ohne das Einverständnis des Ehemannes durften Frauen bis 1958 nicht berufstätig sein.
  • Es entfiel das Recht des Ehemannes, das Arbeitsverhältnis seiner Frau jederzeit fristlos zu kündigen.
  • Auch die väterlichen Vorrechte bei der Kindererziehung wurden eingeschränkt.
  • Vor dem Gleichberechtigungsgesetz durfte der Mann das Geld seiner Frau verwalten, sowohl das in die Ehe eingebrachte Vermögen als auch das Einkommen.
  • Die Zugewinngemeinschaft wurde der übliche gesetzliche Güterstand von Ehepaaren, d. h.: Die Ehepartner behalten ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen und teilen sich das in der Ehe erworbene Vermögen.
  • Ab 1958 durfte die Frau nach der Eheschließung ihren Geburtsnamen als Namenszusatz behalten.

Quelle: ddp u. a.


Dr. Sigrid Joachimsthaler

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