Recht

Unterhaltspflicht geht auf gesetzliche Erben über

(bü). Kann es sein, dass ein geschiedener Ehegatte nach dem Tod des Lebenspartners Ansprüche gegen dessen gesetzlichen Erben hat? Es kann: "Mit dem Tod des Verpflichteten geht die Unterhaltspflicht auf den Erben als Nachlassverbindlichkeit über" – ein schnörkelloser und unmissverständlicher (wenngleich zunächst überraschender) Satz, den der Gesetzgeber so in Paragraf 1586b des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) festgelegt hat.

Was aber bedeutet das in der Praxis? Ein Beispiel: die Eheleute A und B sind geschieden; die Ehe blieb kinderlos, Herr A ist seiner Frau gegenüber unterhaltspflichtig, verstirbt aber kurze Zeit später und wird von seinen Eltern (als nächsten Verwandten) beerbt. Diese nun müssen das vorhandene Vermögen mit der Ex-Schwiegertochter B teilen. Ihr steht nach Paragraf 1586b BGB der sogenannte "fiktive Pflichtteil" zu, also die Hälfte des normalerweise im Gesetz vorgesehenen Erbes. In diesem Fall berechnet sich der Anspruch wie folgt: Nach erbrechtlichen Regelungen würde B neben den Eltern die Hälfte des Erbes zustehen, so dass sie nunmehr immerhin – in monatlichen (Unterhalts-)Raten – ein Viertel des Vermögens von den Eltern ihres verstorbenen Ex-Mannes fordern kann.

Eine ungerechte rechtliche Lösung? Auf diesen Gedanken könnte man insbesondere deshalb kommen, weil für die Bestimmungen des "fiktiven" Anspruchs der Todeszeitpunkt – und nicht etwa der Termin der Scheidung – maßgeblich ist und die geschiedene Frau so möglicherweise noch von einem nachehelichen Vermögenszuwachs profitiert.

Gleichwohl: Der Gesetzgeber hatte gute Gründe, den hier vorgestellten juristischen Weg zu gehen. Ausgangspunkt der Überlegung nämlich ist – und nur so wird der Paragraf 1586b BGB verständlich – , dass Ansprüche lediglich bei einer im Todeszeitpunkt noch bestehenden Unterhaltspflicht gewährt werden. Gäbe es diese Vorschrift nicht, dann würde ein zum Unterhalt berechtigter – und im Regelfall darauf angewiesener – Ex-Ehepartner vom Zeitpunkt des Todes an mit leeren Händen dastehen.

Es leuchtet ein, dass dieses Ergebnis nicht gerecht sein kann. Vielmehr handelt es sich um einen vom Gesetz aufrechterhaltenen Unterhaltsanspruch, der sich gegen die (von dem Vermögen des Verstorbenen ja profitierenden) Erben richtet und zugleich den sozial schwächeren Partner einer geschiedenen Ehe schützen soll. Ein Blick auf den praktischen Anwendungsbereich der Norm bestätigt dies: Unterhaltsberechtigt nämlich ist ein Scheidungspartner unter anderem dann, wenn er aufgrund der Betreuung und Erziehung eines gemeinsamen Kindes nicht selbst erwerbstätig werden kann, wenn eine geringe berufliche Tätigkeit aufgrund des Alters nicht mehr zu verlangen oder wenn der frühere Ehegatte krank oder gebrechlich ist.

Der Gesetzgeber geht in allen Fällen davon aus, dass der finanziell leistungsfähige Ex-Partner schon aufgrund der tatsächlichen "Nachwirkungen" der Ehe Beistand zu leisten hat. Stirbt er, so darf dies nicht zum Nachteil des anderen sein, vielmehr stellt das Gesetz in dieser Situation ein wirtschaftliches Äquivalent für den (durch den Tod) verlorenen Unterhalt dar.

Soweit der Sinn und Zweck dieser rechtlichen Konstruktion. Die der zum Unterhalt verpflichtete Partner zu Lebzeiten im Übrigen nicht durch die Weggabe seines Vermögens an Dritte unterlaufen kann: Das nämlich käme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gleich. Wohl aber ist es möglich, dass sich die Ehepartner im Rahmen der Scheidungsvereinbarungen untereinander darauf einigen, dass die Vorschrift in ihrem Verhältnis nicht gelten soll. Diese – auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zwischen Privatpersonen beruhende Variante – kann etwa in einem notariellen Erbverzichtsvertrag verbindlich niedergelegt werden.



AZ 2013, Nr. 12, S. 5

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.