Feuilleton

Spitzweg und sein Frauenbild

Carl Spitzweg, der malende Apotheker, blieb sein Leben lang Junggeselle, doch ein Verächter der Frauen war er keineswegs. Zweimal war er ernsthaft verliebt und trug sich mit Heiratsabsichten. Mehr darüber erfährt der Besucher einer Sonderausstellung in Radolfzell am Bodensee, die bis zum 3. August zu sehen ist. Eine weitere Ausstellung widmet sich den Landschaftsbildern Spitzwegs und seiner Freunde.

Die "Alte Stadtapotheke"

Das Stadtmuseum von Radolfzell ist in einem über 300 Jahre alten Gebäude untergebracht, das bis 1998 ununterbrochen als Apotheke gedient hatte. Eine Offizin aus dem 19. Jahrhundert, ein Labor aus den 1950er-Jahren, eine Kräuterkammer auf dem Dachboden, viele typische Einrichtungsgegenstände, Behältnisse und Gerätschaften und nicht zuletzt die Porträts ihrer Besitzer erinnern an die "alte Stadtapotheke". Das stattliche Eckhaus zeichnet sich durch einen mehrstöckigen Erker aus, aus dessen Fenstern der Besucher den Blick in zwei Altstadtstraßen genießt.

Es trifft sich gut, dass in diesem Heimatmuseum eine kleine Dauerausstellung dem Maler Carl Spitzweg gewidmet ist, der den Beruf des Apothekers erlernt und ausgeübt hatte, bevor er sich ganz der Kunst widmete. Die "pharmazeutische Phase" des Künstlers wird durch Texttafeln und Dokumente erläutert; so kann der Besucher auch ein vom Münchner Hofapotheker Dr. Franz Xaver Pettenkofer für Spitzweg ausgestelltes Zeugnis lesen, leider jedoch nur als Fotokopie, obwohl das Original im Besitz der Stadt Radolfzell ist.

Begegnungen mit der holden Weiblichkeit

Zum 200. Geburtstag Spitzwegs (1808-1885) wurde die Dauerausstellung um einige Leihgaben zum Thema "Spitzweg und sein Frauenbild" ergänzt. Spitzweg hat Mädchen oder Frauen gern in eine einsame Landschaft versetzt, wo sie allein auf einem Weg entlang wandeln und gleichsam dem Betrachter begegnen. Das "Mädchen im Gebirge" läuft barfuß auf einem steinigen Pfad herab, balanciert dabei mit der linken Hand einen Korb auf dem Kopf und trägt mit dem rechten Arm einen weiteren Korb und eine Flasche. Mit ihrer aufrechten Haltung steigert sie die Anmut der Landschaft, von der sie selbst wahrscheinlich nicht viel wahrnimmt, weil ihr Blick auf den Weg gerichtet ist. Nicht weit von ihr sitzt ein Vogel auf einer blühenden Hundsrose direkt am Wegesrand; man kann sich vorstellen, dass er in ein paar Sekunden auffliegen wird …

Andere Motive schildern in einer ähnlichen Umgebung den Moment nach der Begegnung von Mädchen und Jäger oder Wanderer, der sich umdreht und dem Mädchen hinterherblickt – so wie der Betrachter des Bildes es auch tun würde. Von ganz anderer Art sind die Kontakte von Männern und Frauen in der Enge der Städte. Wegen der allzu großen Nähe ist das Verhalten durch Abgrenzung, scheinbare Ignoranz und heimliche Beobachtung sowie förmliche Konversation gekennzeichnet. Wer sich anders verhält und gegen die allgemeinen Vorstellungen von Sitte und Moral verstößt, fällt unangenehm auf, wie Spitzweg es in der Karikatur "Auf der Dult" zeigt: In der Mitte der Bleistiftzeichnung tritt dem Betrachter eine junge Dame entgegen, die – nach den damaligen Gepflogenheiten – zu freizügig und aufreizend gekleidet ist; die anderen Frauen werfen ihr empörte Blicke zu, während der Ausdruck in den Gesichtern der Männer von überrascht bis interessiert und leicht amüsiert reicht.

Die beiden großen Lieben

Zweimal war Spitzweg ernsthaft verliebt, jedes Mal in eine verheiratete Frau. Clara Raab geb. Lechner, die Frau eines Münchner Webers, drängte er in einen Ehescheidungsprozess, um sie für sich zu gewinnen – dann starb sie plötzlich. Spitzwegs andere große Liebe war seine Schwägerin, auf die er, obwohl es ihm schwerfiel, schließlich zugunsten seines Bruders verzichtete. Danach hat sich Spitzweg nicht mehr ernsthaft für eine Frau interessiert. Er frönte nun – neben der Malerei – seiner Reise- und Wanderlust und führte einen ungebundenen Lebensstil, der sich mit einem bürgerlichen Familienleben nicht hätte vereinbaren lassen.

Spitzweg als Landschaftsmaler

Die zweite Spitzweg-Ausstellung in Radolfzell, die den Schwerpunkt auf "Gärten und Landschaften" legt, wird ebenfalls in einem Gebäude mit pharmazeutischer Vergangenheit gezeigt: in der Villa Bosch, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts ein Besitzer der Stadtapotheke in klassizistischem Stil hatte erbauen lassen und die die Stadt Radolfzell seit 1988 als Städtische Galerie nutzt.

Im Vergleich mit Spitzwegs Kleinstadtidyllen sind seine Landschaftsbilder weniger bekannt, vielleicht weil in diesem Genre viele andere süddeutsche Meister hervorgetreten sind. Genannt seien Carl Rottmann, Christian Mali, Anton Braith und nicht zuletzt Eduard Schleich, der Spitzwegs engster Freund war. Werke dieser Künstler werden denen Spitzwegs gegenübergestellt. Spitzweg bevorzugte als Motiv das Gebirge, aber er hat auch die Stimmung der flachen Voralpenlandschaft hervorragend wiedergegeben. Wen wundert’s, dass wir auch in den Landschaftsbildern Spitzwegs skurrilen Typen begegnen: einem Käfersammler, einem Geologen oder einem Gutsherrn, der mit geschwellter Brust zwischen seinen Feldern spaziert.


Stadtmuseum Radolfzell, Seetorstr. 3; Galerie Villa Bosch, Scheffelstr. 8 78315 Radolfzell
Tel. (0 77 32) 8 15 30
Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10.00–12.30 und 14.00–17.30 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr
Kataloge: Das Radolfzeller Spitzweg-Kabinett, 64 S., 9,80 Euro, ISBN 978-3-89870-320-8
Gärten und Landschaften bei Carl Spitzweg und seinen Malerfreunden, 64 S., 9,80 Euro (nur im Museum)


W. Caesar

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