Feuilleton

Carl Spitzweg und Wilhelm Busch

"Singles", die freiwillig oder unfreiwillig allein leben, sind heute eine gesellschaftlich voll akzeptierte Personengruppe. Früher galten sie teilweise als Außenseiter und Sonderlinge, und ältere Junggesellen belegte man mit dem Ausdruck "Hagestolz". Zwei Vertretern dieser Spezies ist im Georg Schäfer Museum in Schweinfurt eine Ausstellung gewidmet, die dort noch bis zum 2. November zu sehen ist: Carl Spitzweg und Wilhelm Busch.
Wilhelm Busch: Selbstbildnis als Bettler, um 1878.
Fotos: Museum Georg Schäfer

Carl Spitzweg und Wilhelm Busch

"Singles", die freiwillig oder unfreiwillig allein leben, sind heute eine gesellschaftlich voll akzeptierte Personengruppe. Früher galten sie teilweise als Außenseiter und Sonderlinge, und ältere Junggesellen belegte man mit dem Ausdruck "Hagestolz". Zwei Vertretern dieser Spezies ist im Georg Schäfer Museum in Schweinfurt eine Ausstellung gewidmet, die dort noch bis zum 2. November zu sehen ist: Carl Spitzweg und Wilhelm Busch.

Der 200. Geburtstag Carl Spitzwegs sowie der 100. Todestag von Wilhelm Busch sind der Anlass, die beiden eigenwilligen Künstler in einer gemeinsamen Ausstellung zu präsentieren. Dabei ist es eine Herausforderung, ihren so unterschiedlichen Persönlichkeiten gerecht zu werden.

Wilhelm Busch (1832–1908) stammte aus einer niedersächsischen, protestantischen Familie von Kaufleuten und Geistlichen und wuchs auf dem Lande auf. Zeit seines Lebens war er zutiefst unsicher, was seine künstlerischen Talente betrifft. Während der kurzen Aufenthalte an drei Kunstakademien wurde er in seinen zeichnerischen Ambitionen eher verunsichert als bestärkt. Den großen Durchbruch erlebte er im Alter von 33 Jahren mit der Veröffentlichung von "Max und Moritz". Als Maler trat der eigenwillige Künstler jedoch niemals in gleicher Weise an die Öffentlichkeit, nur selten zeigte der schüchterne Autor der "frommen Helene" seine Bilder einem größeren Publikum. Seine Vorbilder waren niederländische Meister wie Rembrandt oder Frans Hals. Dies spiegelt sich auch in vielen kleinformatigen Zeichnungen wider, die in der Ausstellung zu sehen sind. Oftmals diente dem starken Raucher eine Zigarrenkiste als Unterlage, auf der seine Bilder entstanden.

Ganz anders erscheint dagegen sein "Antipode" Carl Spitzweg (1808–1885). Aus katholischem, großstädtischem Milieu stammend, ergriff er zunächst einen Brotberuf, indem er eine Apothekerlehre und ein Pharmaziestudium absolvierte. Eine größere Erbschaft, die ihm sein 1828 verstorbener Vater hinterlassen hatte, erlaubte ihm jedoch den "Ausstieg" aus dem Apothekerdasein. Ohne Angst und Sorge um den täglichen Broterwerb konnte sich Spitzweg ganz seinen künstlerischen Ambitionen widmen. Aber auch als Maler war er ein geschickter Kaufmann; davon zeugt sein Verkaufsverzeichnis, in dem er den mit seinen Bildern erzielten Umsatz minutiös dokumentierte. Im Gegensatz zu Busch litt Spitzweg keinesfalls an mangelndem Selbstbewusstsein. Seine Erfolgsgeschichte begann mit der Bühnenmalerei, die der bayerische Künstler in Richtung humoristischer Pointenbilder immer weiter ausbaute.

Die Schweinfurter Ausstellung stellt die beiden Künstler in ihren Entwicklungen vor. Von Busch sind vor allem kleinere Landschaftsdarstellungen aus seiner niedersächsischen Heimat zu sehen. Dabei ist die Stimmung in erster Linie durch das Element Erde gekennzeichnet, das Busch auf vielfältige Weise variiert. Einen Akzent erhalten einige Bilder durch einen roten "Farbklecks", der das rote Gewand eines kaum zu erkennenden Mannes darstellt.

Spitzweg malte seine Landschaften ganz anders. In dem Bild "Der Naturforscher in den Tropen" sieht der Betrachter nicht die Darstellung eines bestimmten geographischen Ortes, sondern eine "ideale" Tropenlandschaft, deren Elemente detailliert und realistisch wiedergegeben sind. Das Bildmotiv spiegelt zweifellos das damals gestiegene Interesse an anderen Kontinenten wider. Zugleich "dekonstruiert" Spitzweg aber auch dieses Interesse, denn der Naturforscher wirkt inkompetent, wenn nicht lächerlich. Er besitzt zwar eine Ausrüstung, jedoch das konkrete Ziel, der exakte Forschungsauftrag scheinen ihm zu fehlen. Dieser hintergründige Humor Spitzwegs begegnet uns in vielen seiner Bilder. Er wird dem Betrachter eher auf den zweiten Blick deutlich und verfehlt dann seine Wirkung nicht.

Auch erotische Anspielungen gehören zum Repertoire Spitzwegs. Oft stellt dabei eine nackte Wade das Objekt der Begierde dar, so auch in dem Gemälde "Mädchen mit Ziege".

Die Ironie, das "Lachen über sich selbst" ist ein Markenzeichen Wilhelm Buschs. In einem Selbstbildnis erscheint er als "bettelnder Künstler". Die Affinität zur niederländischen Malerei ist evident. Dass der Bettler hier seine Zunge zeigt, ist Ausdruck eines hintergründigen Humors, der auch Spitzweg zueigen war.

Ein zentraler Teil der Ausstellung präsentiert den bekannten Wilhelm Busch, den Schöpfer von lustigen Bildergeschichten wie "Adelens Spaziergang", bei dem ein Ziegenbock Adele attackiert und sie eines kuriosen Kleidungsstückes beraubt; unverkennbar ist hier wieder die erotische Anspielung. In der gleichen Abteilung der Ausstellung wird auch "der andere Spitzweg" gezeigt. Denn dieser hat ebenfalls Karikaturen gezeichnet und mit kurzen Texten erläutert.

Ein Höhepunkt der Ausstellung ist zweifellos "Der arme Poet". Dieses wohl bekannteste Gemälde Spitzwegs existiert in drei Fassungen. Es zeigt einen im Bett liegenden Dichter, der in ärmlichen Verhältnissen in einer Dachkammer haust. Zwischen Daumen und Zeigefinger presst er einen Floh, man kann diese Handhaltung jedoch ebenso auch als Gestus des "literarischen Skandierens" deuten. In dieser Szene wird der triste Alltag durch die Kunst geadelt. Diese Botschaft hat im 21. Jahrhundert nichts von ihrer Aussagekraft verloren: Ein Künstler, der um seine Existenz kämpfen muss, ist ein "Don Quichotte des Alltages". Um durchzuhalten, braucht er eine gehörige Portion Selbstironie. Busch hat dies am eigenen Leibe erfahren, und Spitzweg hat es bei manchem Kollegen beobachtet. 

 

Dr. Thomas Richter, 

Landesgruppe Franken der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie

drs.richter@t-online.de

 

 

Museum

 

Museum Georg Schäfer Brückenstr. 20, 97421 Schweinfurt Tel. (09721) 51920/25, Fax 51371 www.museumgeorgschaefer.de

Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr.

Katalog: 208 Seiten, 192 farb., 56 schw.-w. Abb., geb. 27,90 Euro

ISBN 978-3-86502-193-9

Carl Spitzweg: Selbstbildnis, 1840/42.
Wilhelm Busch: Landschaft in Wiedensahl mit Baum und Rotjacke, 1890er Jahre.
Carl Spitzweg: Der Naturforscher in den Tropen, 1835.
Carl Spitzweg: Mädchen mit Ziege, 1852/55.
Wilhelm Busch: Adelens Spaziergang, 1864.
Carl Spitzweg: Der arme Poet, 1837.

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