Arzneimittel und Therapie

IQWiG: Exenatide ist wirksam, aber Insulin nicht überlegen

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat einen Rapid Report zur Bewertung des therapeutischen Nutzens von Exenatide (Byetta®) zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 vorgelegt. Das Fazit: Exenatide senkt zwar nachweislich den Blutzucker, ist dabei aber Insulin nicht überlegen. Zudem, so das IQWiG, würden Belege fehlen, dass die verbesserte Blutzuckerkontrolle dazu beiträgt, Folgekomplikationen des Diabetes zu verhindern. Außerdem seien Nutzen und Schaden in der Langzeitanwendung noch gänzlich unklar.

Exenatide wurde im April 2005 als erster Wirkstoff der Substanzklasse der Inkretin-Mimetika in den USA zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 als Kombinationstherapie mit oralen Antidiabetika zugelassen. Die Zulassung in Europa erfolgte im November 2006. Zum Stellenwert von Exenatide in der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 gibt es in deutschen Leitlinien noch keine Angaben.

Exenatide ist ein synthetisch hergestellter Agonist des natürlich vorkommenden Darmhormons Glucagon-like-Peptide-1 (GLP-1) und wird subkutan injiziert. In Analogie zu den Wirkungen des GLP-1 werden Exenatide eine Glucose-abhängige Steigerung der Insulinsekretion der Pankreaszellen, die Unterdrückung der Glukagon-Sekretion, eine Verzögerung der Magenentleerung und ein verstärktes Sättigungsgefühl zugeschrieben. Zudem wird eine Steigerung der Funktion der ß-Zellen des Pankreas vermutet. Das Ziel der Therapie ist eine Verbesserung der glykämischen Kontrolle bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2. Um den therapeutischen Nutzen und die Stellung von Exenatide in der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 zu bewerten, hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im November 2005 das IQWiG mit der Erstellung eines Rapid Reports zur Bewertung des therapeutischen Nutzens von Exenatide beauftragt.

Dünne Datenlage: nur fünf relevante Studien

Das IQWiG führte daraufhin eine systematische Literaturrecherche in den gängigen Datenbanken, Literaturverzeichnissen relevanter Sekundärpublikationen, Studienregistern und öffentlich zugänglichen Zulassungsunterlagen durch. Eingeschlossen wurden randomisierte kontrollierte Studien, die Exenatide (additiv zu Metformin und/oder Sulfonylharnstoff bei Patienten, die unter der maximal verträglichen Dosis dieser oralen Antidiabetika keine ausreichende Blutzuckerkontrolle erreichten) mit Placebo oder alternativen Blutzucker senkenden Therapien verglichen und die mindestens zwölf Wochen liefen. Die Literaturrecherche ergab fünf Studien für die Bewertung von Exenatide. Drei Studien untersuchten placebokontrolliert die Blutzucker senkende Behandlung mit Exenatide zusätzlich zu Metformin, Sulfonylharnstoff bzw. Metformin und Sulfonylharnstoff. In zwei Studien wurde Exenatide mit Insulin verglichen, dabei erhielten alle Patienten zusätzlich Metformin und Sulfonylharnstoff.

Zusatznutzen nicht belegt und Langzeiteffekte unklar

Das Institut kommt zu dem Schluss, dass Exenatide nach aktueller Studienlage zwar nachweislich den Blutzucker senkt, dabei aber Insulin nicht überlegen ist. Die ausgewerteten Studien zeigten für Exenatide im Vergleich zu Insulin Glargin und Insulin Aspart bezüglich der Blutzucker senkenden Wirkung ähnliche Ergebnisse. Daten zum Vergleich mit anderen Blutzucker senkenden Behandlungen, z. B. oralen Antidiabetika, liegen dem IQWiG nicht vor.

Ein Nutzen oder Zusatznutzen von Exenatide bezüglich patientenrelevanter Endpunkte – insbesondere bezüglich der Folgekomplikationen des Diabetes mellitus Typ 2, aber auch bezüglich kurzfristig zu ermittelnder Endpunkte wie gesundheitsbezogener Lebensqualität oder Therapiezufriedenheit sieht das IQWiG nicht belegt. Das Auftreten gastrointestinaler unerwünschter Ereignisse unter einer Therapie mit Exenatide ist belegt. Dagegen sieht das Institut es als nicht geklärt an, welche Auswirkungen die unter Exenatide beobachtete Gewichtsabnahme hat. Es gibt zwar Hinweise auf eine parallele Senkung des Blutdrucks, der Nutzen dieser Effekte sei aber nicht belegt.

Auf Basis der verfügbaren Daten bleibt es für das IQWiG unklar, ob aus der Blutzuckersenkung oder der Gewichtsabnahme unter Exenatide ein langfristiger Nutzen oder Zusatznutzen von Exenatide bezüglich der Folgekomplikationen des Diabetes mellitus Typ 2 entsteht. Ebenfalls unklar scheinen langfristige Schadensaspekte der Therapie mit Exenatide.

Die Informationen aus dem vorliegenden Rapid Report sollen dem G-BA und den beteiligten Organisationen in erster Linie dazu dienen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Da keine Stellungnahmen vorgesehen sind, ist ein Rapid Report aus Sicht des IQWiG in der Regel für Richtlinienentscheidungen nicht geeignet. Allerdings erfolgte in einem ähnlichen Fall eine Änderung der Arzneimittelrichtlinie auf Basis eines Rapid Reports, wie der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH) anmerkte: So hat der G-BA die im beschleunigten Bewertungsverfahren durchgeführte Nutzenbewertung inhalativer Insuline (Rapid Report des IQWiG vom 2. April 2006) zum Anlass für die Ausfertigung eines Therapiehinweises genommen. Eine ähnliche Vorgehensweise könne auch bei Exenatide nicht ausgeschlossen werden.

Quelle

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Bewertung des therapeutischen Nutzens von Exenatide. Rapid Report A05-23. Köln: IQWiG; 2007.

IQWiG: Rapid Report zum Nutzen von Exenatide vorgelegt. BAH-aktuell 142/2007 vom 17. September 2007.

ck
Das Inkretin-System.
Ziel für neue Antidiabetika.

Gemäß seinem gesetzlichen Auftrag hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) medizinische Leistungen wissenschaftlich zu bewerten und diese Ergebnisse zu veröffentlichen. Zwei Formate sind dabei möglich:
  • ausführliche Berichte zur Nutzenbewertung und
  • Schnellberichte, sogenannte Rapid Reports.
Rapid Reports werden vorrangig mit dem Ziel der Sofortinformation zu tagesaktuellen Themen oder einer kurzfristigen Information über relevante Entwicklungen im Gesundheitswesen einschließlich neuer Technologien erstellt und sind nicht ohne Weiteres als Grundlage für Richtlinienentscheidungen geeignet. Der Ablauf der Erstellung von Rapid Reports unterscheidet sich von dem der Berichterstellung in zwei wesentlichen Punkten: Zum einen werden keine Zwischenberichte veröffentlicht und zum anderen erfolgt keine schriftliche Anhörung aller Interessierten. Die Erstellung eines Rapid Reports kann entweder im Auftrag des G-BA oder BMG erfolgen oder vom Institut selbst initiiert werden.

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