Arzneimittel und Therapie

Glitazone bei Typ-2-Diabetes unzureichend untersucht

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat die vorläufigen Ergebnisse seiner Nutzenbewertung der Glitazone vorgelegt und kommt zu der Schlussfolgerung, dass es weder Belege noch Hinweise auf einen generellen zusätzlichen Nutzen oder größeren Schaden von Rosiglitazon und Pioglitazon im Vergleich zu alternativen Therapien gibt: Bislang sei kein echter Fortschritt für Patienten mit Typ-2-Diabetes durch die Glitazone erkennbar.

Bei dem vorliegenden Vorbericht handelt es sich um eine vorläufige Bewertung des IQWiG, zu der von allen interessierten Personen, Institutionen, Fachgesellschaften und Industrieunternehmen Stellungnahmen eingereicht werden können, die das Institut bis zum 14. Juli 2008 entgegen nimmt. Gegebenenfalls wird eine wissenschaftliche Erörterung zur Klärung unklarer Aspekte aus den schriftlichen Stellungnahmen durchgeführt. Der Vorbericht wird zusätzlich einem externen Review unterzogen. Im Anschluss an die wissenschaftliche Erörterung wird das IQWiG einen Abschlussbericht erstellen. Dieser Bericht wird dann an den Gemeinsamen Bundesauschuss G-BA übermittelt und acht Wochen später im Internet veröffentlicht. Die Nutzenbewertung beruht auf der Gegenüberstellung von erwünschten und unerwünschten Effekten der jeweiligen Substanzen: Ziel des Berichts ist es, den Nutzen einer langfristigen Anwendung von Pioglitazon und Rosiglitazon im Vergleich zu Placebo, zu anderen medikamentösen und nichtmedikamentösen blutzuckersenkenden Behandlungen sowie untereinander zu bewerten.

Nur eine große Langzeitstudie zu Pioglitazon verfügbar

Insgesamt identifizierten die Wissenschaftler fünf Studien zu Pioglitazon und 14 Studien zu Rosiglitazon, die sie in die Bewertung einbeziehen konnten. Der Langzeitnutzen und -schaden ist nach der Einschätzung des IQWiG damit allerdings noch nicht ausreichend untersucht. Denn zu Rosiglitazon gibt es nur Studien mit Laufzeiten von maximal zwölf Monaten. Eine Vier-Jahres-Studie zu diesem Wirkstoff entspricht nicht dem aktuellen Zulassungsstatus und konnte deshalb nicht bewertet werden. Anders stellt sich die Studienlage bei Pioglitazon dar: Zwar gibt es hier eine geringere Anzahl von klinischen Vergleichen. Darunter ist aber auch eine Langzeitstudie (Laufzeit 34,5 Monate) mit rund 5000 Patienten (PROactive-Studie). Sie vergleicht eine Therapieoptimierung mit und ohne Pioglitazon, wobei auch andere Medikamente verabreicht werden konnten (z. B. Metformin oder Sulfonylharnstoff), um den Blutzucker zu senken. Allerdings müssten nach Auffassung des IQWiG auch die Ergebnisse der PROactive-Studie in weiteren klinischen Vergleichen überprüft beziehungsweise bestätigt werden. Die beiden Glitazonhersteller, GlaxoSmithKline (Rosiglitazon, Avandia® , Kombination mit Glimepirid Avaglim® und Kombination mit Metformin Avandamet®) und Takeda Pharma (Pioglitazon, Actos®), unterstützten die Nutzenbewertung des IQWiG, indem sie umfangreiche, bislang nicht publizierte Daten zur Verfügung stellten.

Hinweis auf Nutzen und Schaden von Pioglitazon

Für die patientenrelevanten Endpunkte makro- und mikrovaskuläre Folgekomplikationen und Mortalität zeigte sich mit einer Ausnahme kein Nutzen, Zusatznutzen oder Schaden einer Therapie mit Glitazonen im Vergleich zu anderen Therapieoptionen. Die Ausnahme stellt die Therapieoptimierung mit Pioglitazon im Vergleich zur Therapieoptimierung ohne Pioglitazon für Patienten mit einer Metforminkontraindikation dar. Auch aus diesem Vergleich gab es keinen Beleg für einen generellen Zusatznutzen von Pioglitazon. Es gab vielmehr einen Hinweis auf einen Zusatznutzen von Pioglitazon durch ein geringeres Risiko für einen kombinierten Endpunkt aus Gesamtmortalität, nicht tödlichem Myokardinfarkt und Schlaganfall. Darüber hinaus gab es für Patienten, die bereits einen Schlaganfall erlitten hatten, einen Hinweis auf einen Zusatznutzen einer Therapieoptimierung mit Pioglitazon im Vergleich zu einer Therapieoptimierung ohne Pioglitazon hinsichtlich des erneuten Auftretens eines Schlaganfalls. Dem steht gegenüber, dass für die Therapieoptimierung mit Pioglitazon ein Hinweis auf einen größeren Schaden im Vergleich zur Therapieoptimierung ohne Pioglitazon für schwerwiegende und nicht schwerwiegende Herzinsuffizienzen vorliegt.

Fazit des IQWiG

Nach Auswertung der Daten kommt daher das IQWiG zu der vorläufigen Schlussfolgerung, dass es weder Belege noch Hinweise auf einen generellen zusätzlichen Nutzen oder größeren Schaden von Rosiglitazon und Pioglitazon im Vergleich zu alternativen Therapien gibt. Eine Ausnahme zeigt sich bei Pioglitazon in Hinblick auf den kombinierten Endpunkt aus Gesamtmortalität, nicht tödlichem Myokardinfarkt und Schlaganfall. Hier gibt es Hinweise, dass mit Pioglitazon behandelte Patienten einen Vorteil haben könnten. Zudem scheinen Patienten zu profitieren, die bereits einen Schlaganfall hatten. Denn unter Pioglitazon wiederholten sich Schlaganfälle seltener. Diesem möglichen Zusatznutzen stehen allerdings Hinweise auf höhere Risiken gegenüber: In der PROactive-Studie wurden mit Pioglitazon mehr schwerwiegende, zum Teil zu Krankenhausaufenthalten führende Herzversagen diagnostiziert als ohne diesen Wirkstoff. Außerdem traten Ödeme auf und das Gewicht der Patienten nahm zu. Frauen erlitten überdies öfter Knochenbrüche. Hinweise auf einen Zusatznutzen gibt es auch bei Unterzuckerungen und zwar sowohl für Pioglitazon als auch für Rosiglitazon: Patienten leiden demnach seltener unter Hypoglykämien wenn sie Metformin und Glitazone einnehmen als bei einer Kombination von Metformin und Sulfonylharnstoffen. Nach Auffassung des IQWiG müssen potenzieller Nutzen und Schaden der Glitazone sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

Erhöhung der Insulinsensitivität

Glitazone (PPAR-γ-Liganden) sind selektive Agonisten des PPAR-γ-Rezeptors (peroxisomal proliferator activated receptor gamma) und gehören zur Klasse der Thiazolidindione. Sie wirken blutzuckersenkend durch eine Erhöhung der Insulinsensitivität im Fettgewebe, in der Skelettmuskulatur und in der Leber. Zurzeit sind in Deutschland aus der Wirkstoffgruppe der Glitazone Pioglitazon und Rosiglitazon zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen. Allerdings unterliegt diese Zulassung einigen Einschränkungen, da die Glitazone nicht als Medikament erster Wahl eingestuft wurden. In der Monotherapie dürfen sie lediglich dann eingesetzt werden, wenn die Patienten Metformin nicht vertragen oder aus anderen medizinischen Gründen nicht mit diesem Wirkstoff behandelt werden dürfen. In der Kombinationstherapie sollen Glitazone nur verordnet werden, wenn der Blutzucker durch Metformin oder einen Sulfonylharnstoff allein nicht ausreichend eingestellt ist. Möglich ist auch eine Dreifach-Kombination mit Sulfonylharnstoffen und Metformin. Zugelassen sind Glitazone in diesem Therapieschema aber nur dann, wenn eine vorherige Kombination von Sulfonylharnstoffen und Metformin nicht den gewünschten Erfolg brachte. Pioglitazon kann auch zusammen mit Insulin eingesetzt werden.

 

Quelle

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Glitazone zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2. Vorbericht A05-05A. Köln: IQWiG; 2008.

 


ck

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