Streit um Vergleichstherapie

IQWiG fehlen Belege für Zusatznutzen von Linagliptin

03.01.2012, 15:15 Uhr


Das IQWiG hat im Rahmen seiner frühen Nutzenbewertung dem neuen Antidiabetikum Linagliptin (Trajenta®) keinen Zusatznutzen bescheinigt, weil Belege zu der vom G-BA festgelegten zweckmäßigen Vergleichstherapie fehlten. Die Hersteller, Boehringer Ingelheim und Lilly, waren von der benannten Vergleichstherapie abgewichen

Linagliptin ist seit August 2011 zugelassen zur Monotherapie des Typ-2-Diabetes-mellitus, wenn Metformin nicht in Frage kommt. Ist eine Metformin-Therapie nicht ausreichend, kann zusätzlich Linagliptin eingesetzt werden (Zweifachtherapie), ebenso dann, wenn mit Metformin und Sulfonylharnstoffen keine ausreichende Blutzuckerkontrolle möglich ist (Dreifachtherapie). Das neue Gliptin ist jedoch in Deutschland nicht eingeführt worden, weil von Herstellerseite schon im Vorfeld befürchtet worden war, dass der Nutzen während des AMNOG-Prozesses nicht ausreichend gewürdigt werden könnte. Hintergrund war ein Streit um eine adäquate Vergleichstherapie.
Im Rahmen der im Arzneimittel-Neuordnungsgesetz (AMNOG) festgelegten frühen Nutzenbewertung für neue Arzneimittel kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zwar eine Vergleichstherapie benennen, der Hersteller kann jedoch davon abweichen, wenn er dies ausführlich begründet. Im Falle von Linagliptin hatte der G-BA als Vergleichstherapien für die Monotherapie Sulfonylharnstoffe benannt, für die Zweifachtherapie die Kombination von Metformin und Sulfonylharnstoff und für die Dreifachtherapie die Kombination von Metformin mit Insulin. Die Hersteller Boehringer Ingelheim und Lilly hatten jedoch für alle drei Szenarien als Vergleich Sitagliptin gewählt, weil man der Meinung war, dass der Vergleich mit Sulfonylharnstoffen und Insulin nicht adäquat sei. In einer Pressemitteilung heißt es dazu, dass der Einsatz von DPP-4-Inhibitoren von nationalen und internationalen Leitlinien sowie den Therapiehinweisen des G-BA bei den Patienten empfohlen werde, die Gegenanzeigen oder Unverträglichkeiten gegenüber anderen oralen Antidiabetika (u. a. Sulfonylharnstoffe) haben oder bei denen mit diesen Arzneimitteln keine adäquate Blutzuckerkontrolle erreicht wird. Demnach kommen nach Auffassung der Hersteller allein DPP-4-Inhibitoren als zweckmäßige Vergleichstherapie für Linagliptin in Frage. 
Aus Sicht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat die Herstellerseite allerdings diese Abweichung nicht ausreichend begründet. Man habe sich daher auf die vom G-BA festgesetzte Vergleichstherapie in der Bewertung bezogen. Da die Herstellerseite in ihrem Dossier alle dafür relevanten Studien ausgeschlossen habe, sei ein Zusatznutzen im Vergleich zu der vom G-BA benannten zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht belegt, so das IQWiG.  Das IQWiG teilt zudem mit, dass der Hersteller gegenüber der selbstgewählten Vergleichstherapie mit Sitagliptin in seinem Dossier keinen Zusatznutzen von Linagliptin feststellt.
Der G-BA wird nun auf Basis der IQWiG-Bewertung einen Beschluss zum Nutzen von Linagliptin fassen. Dieser Beschluss dient dann als Grundlage für die Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband. Die Herstellerseite hat zuvor noch einmal Gelegenheit, in einem Stellungnahmeverfahren ihre Position darzulegen.


Dr. Doris Uhl