Asthma und COPD sind fortschreitende Volkskrankheiten

Bei dem aktuell erschienen Buch "Bronchialtherapeutika" handelt es sich um ein äußerst lesenswertes und lehrreiches medizinisch-pharmakologisches Kompendium, das über 300 Seiten sowie eine Vielzahl an Tabellen und Abbildungen umfasst. Herausgegeben wurde es von Prof. Dr. Winfried Ran-derath aus Solingen in Kooperation mit 14 hochkarätigen Koautoren aus allen Fachgebieten (Pneumologie, Pädiatrie, Physiologie, Pathophysiologie, Anatomie und Rehabilitation).

Didaktisch vorbildlich aufgebaut wird zunächst die Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie der Atemwege beschrieben, bevor auf die Klinik der obstruktiven Atemwegserkrankungen eingegangen wird, die sich mittlerweile zu Volkskrankheiten entwickelt haben. Dabei unterscheiden die Autoren zwischen Asthma, COPD und Lungenemphysem unter besonderer Betrachtung des kindlichen und jugendlichen Asthmas. Sonderformen wie Analgetika-Asthma oder berufsbedingtes Asthma werden ebenfalls beschrieben.

Besonders hervorgehoben wird der Zusammenhang zwischen gastroösophagealem Reflux, Husten und obstruktiven Atemwegserkrankungen.

Ein besonderer Stellenwert wird der Therapie mit einer differenzierten Betrachtung der Pharmakologie sowie insbesondere auch den ergänzenden Therapiemaßnahmen eingeräumt. Hierzu zählen körperliches Training, Lungensport, Rehabilitation, Sauerstofftherapie und die nicht-invasive intermittierende Selbstbeatmung. Des Weiteren werden Vor- und Nachteile der verschiedenen Inhalationssysteme wie Treibgas- oder Pulver-Inhalatoren, Düsen- oder UltraschalIvernebler diskutiert.

Die Patientencompliance, die für diese Krankheitsbilder ähnlich wie in der Behandlung der arteriellen Hypertonie zu wünschen übrig lässt, wird gesondert an Hand aktueller Studien betrachtet.

Im Vorwort wird schon die Frage aufgeworfen: "Warum ein Buch über Atemwegstherapeutika?" Die Atemwegserkrankungen sind dramatisch auf dem Vormarsch: Die WHO positioniert für das Jahr 2020 die COPD an dritter Stelle der Todesursachen nach Herzerkrankung und Schlaganfall und weist auch darauf hin, dass unter den Top-10-Killern bis zum Jahre 2030 die COPD neben HIV/Aids wahrscheinlich den größten Zuwachs erfahren wird.

In Deutschland werden immer noch über 4000 Asthma-Todesfälle registriert. Weltweit schätzt die WHO, dass alle 90 Minuten ein Mensch an Asthma stirbt. Dramatischer noch sind die Zahlen für COPD: Hier liegen die Angaben bei etwa drei Millionen Todesfällen jährlich mit einer hohen Dunkelziffer. Weltweit sterben stündlich 250 Menschen an COPD, so die Schätzungen der WHO.

Sowohl das Asthma bronchiale als auch die COPD werden weltweit unterschätzt und untertherapiert. Während die Asthma-Prävalenz bei Kindern mit 10% und bei Erwachsenen mit 5% angegeben wird, hat sich nach neuer Studienlage die COPD-Prävalenz deutlich erhöht, insbesondere bei den über 40-Jährigen auf 15% und bei den über 70-Jährigen auf 27%. Die COPD-Prävalenz bei Nichtrauchern liegt bei etwa 9%. Weniger als 50% der COPD-Fälle werden in Europa diagnostiziert und nur 40% der Patienten ist nach der BOLD (Burden of obstruktive lung disease)-Studie die Diagnose bekannt.

Zur Erkennung dieser Atemwegskrankheiten sind offensichtlich alle in der Medizin Tätigen gefordert. Auch dem Apotheker in seiner Beratung sollte die Problematik vermeintlicher "Bronchitiker" unbedingt näher gebracht werden. Das vorliegende Buch "Bronchialtherapeutika" eignet sich daher nicht nur für Ärzte oder Medizinstudenten, sondern eben auch für beratende Apotheker. Dieses Kompendium stellt nicht nur einen Überblick dar, sondern bietet dem Leser auch die Möglichkeit, sich über den Tellerrand blickend detailliert zu informieren.

Dr. med. Harald Mitfessel; Internist, Pneumologe, Umweltmedizin, Allergologie; Remscheid

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