Kabinett billigt Gesetzentwurf zur Pflegereform

BERLIN (ks). Das Bundeskabinett hat am 17. Oktober die erste Reform der 1995 eingeführten Pflegeversicherung beschlossen. Der Gesetzesentwurf sieht höhere Pflegesätze vor, aber auch Leistungsverbesserungen – insbesondere für Demenzkranke – und ein neues bundesweites Netz an Beratungsstellen. Eingeführt wird auch ein Anspruch auf unbezahlte Arbeitsfreistellung für pflegende Angehörige. Der von Ministerin Ulla Schmidt geplante bezahlte Pflegeurlaub wurde wegen des Widerstands in der Union allerdings aus dem Entwurf herausgenommen.

Ministerin Ulla Schmidt: "Die Reform verbessert die Lebenssituation für Millionen"

Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung soll zum geplanten Reform-Start am 1. Juli 2008 um 0,25 Prozentpunkte auf 1,95 Prozent steigen. Für Kinderlose erhöht er sich von 1,95 auf 2,2 Prozent des Bruttoeinkommens. Dies reiche bis Ende 2014 aus, um die Leistungen der Pflegeversicherung zu finanzieren, erklärte Schmidt. Sie lobte den Entwurf als "großen Schritt" für alle Pflegebedürftigen, ihre Angehörigen sowie ehrenamtliche und professionelle Pfleger. Die Leistungssätze würden erstmals angepasst und altersverwirrte, psychisch kranke und geistig behinderte Menschen besser versorgt, so die Ministerin. Darüber hinaus würden die Abläufe gestrafft und entbürokratisiert.

Zu den Kernpunkten zählen die neuen Pflegestützpunkte, die für jeweils rund 20.000 Einwohner zuständig sein sollen. Hier sollen Pflegeberater individuell den Hilfebedarf ermitteln und Versorgungspläne aufstellen (Fallmanagement). Zudem können Arbeitnehmer, die Angehörige pflegen, eine bis zu sechsmonatige unbezahlte Freistellung von der Arbeit mit anschließender Rückkehrmöglichkeit in Anspruch nehmen. Ausgenommen davon sind Kleinbetriebe mit 15 oder weniger Beschäftigten. Daneben soll es für akute Fälle bis zu zehn Tage unbezahlten Pflegeurlaub geben. Auch die finanziellen Leistungen der Versicherung werden erhöht: Bis 2012 werden die ambulanten Sachleistungsbeträge in der Pflegestufe I von 384 Euro auf 450 Euro, in Pflegestufe II von 921 Euro auf 1100 Euro und in Pflegestufe III von 1432 auf 1550 Euro steigen. Angehoben wird auch das Pflegegeld in allen Pflegestufen. Der zusätzliche Leistungsbetrag für Demenzkranke und Behinderte wird von derzeit jährlich 460 Euro auf bis zu 2400 Euro jährlich erhöht. Darüber hinaus sollen ab 2015 die Leistungen der Pflegeversicherung in einem dreijährigen Rhythmus dynamisiert, also an die Preisentwicklung angepasst werden. Auch die Qualität der Pflege soll sich verbessern: Krankenkassen und Pflegeinrichtungen werden verpflichtet, verbindliche Qualitätsstandards zu vereinbaren. Alle drei Jahre findet eine Qualitätsprüfung der Einrichtungen statt.

Ob die Fraktionen oder Parteien im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens den bezahlten Pflegeurlaub erneut thematisieren werden, ließ Schmidt nach dem Kabinettsbeschluss offen. Die Union hält den Vorschlag der Ministerin für nicht finanzierbar. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach ist sich indessen bereits sicher, dass nachverhandelt wird: "Die Fraktion wird darauf dringen, den bezahlten Pflegeurlaub doch noch durchzusetzen", sagte er der "Frankfurter Rundschau".

"Versagt auf ganzer Linie"

Die Opposition kritisierte den Gesetzentwurf. Der pflegepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Lanfermann, warnte vor dem "Einstieg in die Staatspflege". Seiner Ansicht nach ist die Reform gescheitert, da es für die Pflegeversicherung weiter keine zukunftsfeste Finanzierung gebe. Zudem ist er überzeugt, dass die geplanten Pflegestützpunkte zu einer "ungeheuren Bürokratie mit vielfachen Doppelstrukturen" führen werden. Der Pflegexperte der Linksfraktion, Seifert, kritisierte den Rückzieher Schmidts beim bezahlten Pflegeurlaub: Er sei "nur ein Beispiel für den Kleinmut, mit dem die Reform von der Bundesregierung angegangen wird". Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Scharfenberg, warf der Großen Koalition vor, bei der Finanzierungsreform "auf ganzer Linie" versagt zu haben..

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