Wirtschaft

Pflegebedürftigkeit wächst

Privatvorsorge wird immer wichtiger

(awd/az). "Guten Tag Vater, wie geht es dir heute?" "Wer sind Sie?" Erschreckend und emotional belastend für Verwandte, wenn Demenz das Erinnerungsvermögen eines Familienmitglieds raubt und zum Pflegefall macht. Alzheimer ist eine der häufigsten Ursachen, die zu Pflegebedürftigkeit führen. Neben geistigen Krankheiten sind es meist Stürze mit solch schwerwiegenden Folgen, dass eine Selbstversorgung nicht mehr möglich ist.

"Das Pflegerisiko droht in erster Linie im höheren Alter. Und damit wächst die Wahrscheinlichkeit der Pflegebedürftigkeit für jeden einzelnen. Denn das Durchschnittsalter der Deutschen steigt markant. Für die gesetzliche Pflegeversicherung ist das problematisch, denn mangelnder Nachwuchs führt dazu, dass das umlagefinanzierte System irgendwann an seine Grenzen stößt. Private Vorsorge wird daher immer wichtiger", ein Vorsorgeexperte des Allgemeinen Wirtschaftsdienstes (AWD).

Kostenfaktor Pflege

Pflege ist ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor. Wer eine vollstationäre Pflege benötigt, zahlt rasch 3000 Euro monatlich. Von der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten Betroffene in der höchsten von drei Pflegestufen maximal 1470 Euro Zuschuss, in absoluten Härtefällen bis zu 1750 Euro. Das Ersparte muss für die Differenz herhalten und sobald es aufgezehrt ist, sind die Nachkommen per Gesetz in der Verantwortung, bis zu bestimmten Grenzen finanzielle Unterstützung zu gewähren.

Aufgrund der gestiegenen Pflegekosten wurden Mitte 2008 die staatlichen Zuschüsse zum ersten Mal seit Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung angehoben und bis zum Jahr 2012 folgen zwei weitere Anhebungen. Die Reform stärkt unter anderem den Grundsatz "ambulant vor stationär" und ermöglicht bei Pflege durch Angehörige für die Dauer eines halben Jahres den Anspruch auf unbezahlte Freistellung vom Arbeitsplatz mit Rückkehrgarantie.

Doch während es früher gang und gäbe sowie am kostengünstigsten war, dass pflegebedürftige Personen vom Familienverbund in den eigenen vier Wänden versorgt wurden, haben sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stark verändert. Die Zeiten, als Oma, Opa, Kinder und Enkel unter einem Dach lebten, sind passe. Familien wohnen häufig weit auseinander, so dass es logistisch nicht möglich ist, die Pflege selbst zu übernehmen. Auch die geforderte Mobilität lässt heute oft keine andere Wahl, die Pflege von Familienangehörigen Dritten zu überlassen.

Besonders schwer wiegt die Tatsache, dass die Mehrzahl der Bundesbürger die Pflege eines Angehörigen als Belastung sieht. Bei verschiedenen Umfragen sind es rund drei Viertel der Befragten, die große Hemmungen gegenüber einer häuslichen Pflege empfinden. "Auch aus diesen zwischenmenschlichen Gründen ist es ratsam, Vorsorge für die mögliche Pflege im Alter zu betreiben – um den eigenen Verwandten, meist Kindern, nicht zur Last zu fallen", so der AWD-Vorsorgeexperte.

Private Pflegepolice entlastet

Es existieren verschiedene Versicherungsmodelle, mit denen dem Pflegerisiko begegnet werden kann. Beim Pflegetagegeld vereinbart man einen festen Betrag pro Tag, der unabhängig von tatsächlich anfallenden Pflegekosten und der Verwendung bezahlt wird. Diese Verwendungsfreiheit – ob für Pflegedienst, stationäre Unterbringung oder häusliche Pflege – ist das große Plus der Pflegetagegeldpolice. Je nach Anbieter gibt es Höchstgrenzen für das Tagegeld und Unterscheidungen zwischen den drei Pflegestufen.

Eine andere Vorsorgeoption ist die Pflegekostenpolice. Sie setzt in der Regel Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung voraus und bezahlt dann einen, bei Vertragsabschluss, festgelegten Prozentsatz oder bis zu einem bestimmten Höchstbetrag. Prinzipiell kommt die Pflegekostenpolice lediglich für tatsächliche und zu belegende Pflegekosten auf. Und meist erhalten Versicherte bei professioneller Unterstützung mehr Geld als bei Inanspruchnahme von Hilfsdiensten der unausgebildeten Verwandt- oder Nachbarschaft.

Zudem kann das Pflegefallrisiko in Verbindung mit Renten- oder Kapitallebensversicherungen abgedeckt werden. Eine anfangs vereinbarte monatliche Rente wird dann im Fall der Fälle abhängig von der Pflegestufe ausbezahlt.

Rund zwei Millionen Menschen sind zurzeit in Deutschland pflegebedürftig. Die statistischen Ämter des Bundes und der Länder prognostizieren bereits im Jahr 2030 fast 3,5 Millionen Betroffene. Zahlen, die zeigen, wie dieses Risiko mit der längeren Lebensdauer von Frauen und Männern einhergeht und Warnsignal zugleich, private Vorsorge zu betreiben.

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